Klimaneutral.abnormal.egal.

Text & Bilder: Peter Baumgartner

Bürgerbeteiligung bei der Diskussion zur Klimaneutralität ist ein wenig wie humaner Strafvollzug. Man darf sich die Strafe selber aussuchen.

Der Versuch einer Komparation zum Begriff Klimaneutralität zeigt, man kann die Steigerungsform nach Belieben anwenden, weil noch niemand den Beweis antreten musste, tatsächlich klimaneutral zu sein. Das haben wir schon als Schulkinder gehört: „Mein Papa ist viel stärker als deiner“. Sind jemals zwei Väter in den Ring gestiegen, um den Beweis für die Behauptung ihrer Sprösslinge anzutreten? Ich glaube nicht. Mit der Klimaneutralität ist es ähnlich. Man erweckt den Eindruck klimaneutral zu sein (oder zu werden), aber mit den Beweisen ist es dann so eine Sache…

Seit 2007 unterstützt der Klima- und Energiefonds den Aufbau von Klima- und Energie-Modellregionen in Österreich. Derzeit gibt es 124 Modellregionen in 1134 Gemeinden und es werden laufend mehr. Die Ziele sind neben einer Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit, Maßnahmen im Bereich Energie und Mobilität zu setzen. Übergeordnetes Ziel für Österreich, ist die Klimaneutralität-2040. Seit der Gründung hat der Klima-und Energiefonds mit 2,4 Mrd. Euro Steuergeld mehr als 300.000 Projekte auf dem Weg zum Ziel in Österreich gefördert. 433 Mio. Euro betrug das Förderbudget 2022. Auch St. Veit ist nach beträchtlichen Vorleistungen bereits seit 2015 eine Klima- und Energie Modellregion (KEM) und Nutznießer des Fördertopfs. Unter der Überschrift „Sonnenstadt St. Veit“ wurde schon in den 1990er Jahren kräftig in die Klimaneutralität der Stadt investiert. E-Carsharing („Twicy“), e-bikes, PV-Anlagen, Ausstellung „Erlebnis Energie“ und LED Umrüstung der Straßenbeleuchtung etc., gingen einher mit einer einschlägigen Industrieansiedlung, die zu den PV-Pionieren in Österreich zählt. Für sie wurde die Glan über Nacht zum Klondike River. Ende 2014 konnten 900 durchschnittliche Haushalte mit Strom aus erneuerbarer Energie versorgt werden. St. Veit rühmte sich stolz, Österreichs größter Produzent von Photovoltaik-Strom zu sein. Außerdem waren schon 70 Prozent der Häuser an das örtliche Fernwärme-Netz angeschlossen. Damals hatte St. Veit 5.813 Haushalte mit 12.524 Einwohnern und Bürgermeister Gerhard Mock verkündete seine Vision von einer energieautarken Stadt im Jahre 2020. Im Jahre 2022, da war schon Martin Kulmer Bürgermeister, verfügten 1500 von 6400 Haushalten über Sonnenstrom und 60 Prozent wurden mit Fernwärme versorgt. Qualmende Schlote gibt es in St. Veit dennoch mehr als genug. Manche Fördernehmer scheinen auf Nummer Sicher gehen zu wollen und trennen sich trotz PV-Anlage am Dach nicht von ihrem alten Verbrenner im Keller.

Frage an Radio Jerewan: Ist es sinnvoll, wenn ich auf erneuerbare Energie umsteige? Antwort: Im Prinzip ja – wenn die Sonne der Kelag keine Rechnung schickt.

Am 13. September 2023 lud St. Veit zur Auftakt- und Informationsveranstaltung zum Klimaneutralitätsfahrplan. Auch dieses Projekt („Leuchttürme für resiliente Städte 2040“) wurde vom Klimafonds gefördert (79.990 Euro). Damit sollte neuer Schwung in die 2040-Vision gebracht werden. Diesmal waren die Bürgerinnen der Stadt eingeladen, ihre Ideen einzubringen und am Gelingen beizutragen. Nach offiziellen Angaben sind mehr als 100 Personen der Einladung gefolgt. Mit „Die Stadt St. Veit an der Glan hat viel Verkehr“, eröffnete Bürgermeister Martin Kulmer die Veranstaltung. Besonders der Durchzugs- und Schwerverkehr beschäftigt das Stadtoberhaupt über Gebühr.  Deshalb möchte St. Veit/Glan mit gutem Beispiel vorangehen und ein Leuchtturm für andere Städte und Gemeinden sein. Ein ambitioniertes Ziel, wenn man bedenkt, welche Zielsetzungen bereits versäumt wurden oder schon lange in der Warteschleife hängen.

Hinsichtlich der Mobilität gibt es schon über viele Jahre „Vorarbeit“ durch die Stadtregierung. Der Verkehrspapst Hermann Knoflacher höchstpersönlich hat sich mehrfach um den Verkehr in St. Veit gekümmert. Erstmals hat er 1971 und später 1989 entsprechende Vorschläge gemacht, was sich in der Stadt ändern muss. 2019 waren die TU-Wien-Mobilitätsexperten wieder vor Ort und verschriftlichten den, ihrer Meinung nach, notwendigen Handlungsbedarf. Kulmer, damals noch Vizebürgermeister, meinte, „Die Ergebnisse sind gut und wichtig. Sie werden uns die nächsten Jahre und Jahrzehnte beschäftigen.“ Seither pulsiert und brummt der Verkehr in der Stadt mehr denn je. Inzwischen hat die KEM-Nachbargemeinde Liebenfels – interkommunaler Zusammenarbeit zum Trotz, die Ansiedlung von „Europas größtem PV-Anlagen-Werk“ im Dorf angekündigt. St. Veit würde davon auch profitieren – vom Durchzugsverkehr. Zum Glück ist diese Vision in Konkurs gegangen, aber die Entwicklung ist dadurch wahrscheinlich nur verzögert. Dennoch wächst der Stau vor den Bahnübergängen. Wobei es nur eine Frage der Zeit ist, wann beim unbeschrankten Bahnübergang wieder eine Tragödie passiert. Die Feinstaubmessung in der „Sonnenstadt St. Veit“ hat man angesichts der Verkehrsbelastung vorsorglich gleich verräumt. Nach dem Motto, was ich nicht weiß… Kleinkinder werfen bekanntlich die Hände schützend vor die Augen, weil sie glauben, dass sie das Böse dann nicht sehen kann.

Bürgermeister Martin Kulmer hat die Staffel vom Vorgänger Gerhard Mock übernommen – mit zeitlich angepasster Zielsetzung. 2040 statt 2020.

Wie bereits festgestellt, verfügt St. Veit schon seit vielen Jahren über ein Fernwärmenetz. Angeblich soll es sogar das dichteste Fernwärmenetz in Europa sein. Anfänglich galt es auch als besonders fortschrittlich und umweltfreundlich. Doch inzwischen ist die Fernwärmeerzeugung ein Produkt der Müllverbrennung. Die Anlage ist im allgemeinen Sprachgebrauch noch immer „nur“ eine sogenannte „Mitverbrennungsanlage“ die keinen Müll, sondern „Ersatzbrennstoffe“ (EBS) verheizt. Und was oben am Kamin herauskommt, belastet die Stadt eh nur gering, weil der Kamin so hoch ist, dass die Randgemeinden auch etwas davon haben. Inzwischen geht das Spiel so weit, dass der ursprüngliche Zweck der Energiegewinnung zur Nebensache und das Müllgeschäft zur Hauptsache wird. Und dann sind da noch die Heizkosten für die „umweltfreundliche“ Wärme. Wir erzeugen sie vor der Haustür, liefern den Brennstoff, schlucken den Dreck – und bezahlen dennoch den Welthandelspreis.

Der Stau vor den geschlossenen Bahnübergängen wächst. Wahrscheinlich ist der Klimawandel schuld…

Ob Kulmers 2040-Vision so endet wie Mocks 2020-Vision, wird man sehen. Die großen Fragen sind allerdings: Wollen wir diese Klimaneutralität überhaupt? Sollten wir es wollen und sind wir uns der Folgen bewusst? Wie es scheint, werden die Fragen zunehmend enthusiastisch mit Ja beantwortet. Damit ist gar nicht so sehr der Zustand freudiger Erregung der Grünen gemeint, die ihrer Klimagöttin Eleonore bedingungslos nacheifern. Vielmehr trägt der mediale Hype Früchte und vernebelt den Blick auf das Ganze. Es könnte aber auch sein, dass der normale Bürger gar keine Wahlfreiheit (mehr) hat. Zahlen oder mit den Folgen des Klimawandels leben. Ist das die Zukunftsperspektive der Normalbürger? Was hilft nachhaltiger – Resilienz oder Geld? Oder wird gar nur beides im Übermaß ein halbwegs erträgliches Leben ermöglichen? Das würde zumindest erklären warum die, die es können, sich dreist die Taschen anfüllen. Immer mehr Bürger kommen sich jedoch vor wie der blutüberströmte Boxer in der Ringecke, dem sein Trainer eintrichtert, dass er den aussichtslosen Kampf auf jeden Fall gewinnen wird. Von wegen, die Sonne schickt keine Rechnung!

PV am Dach, Kohle im Keller. Der kluge Bürger baut vor.

An dieser Stelle beginnt die allseits bekannte Diskussion darüber, dass zwei Experten drei Meinungen vertreten. Dieser Diskussion wollen wir uns nicht anschließen und stattdessen lieber etwas auf das Bauchgefühl hören: Zwischen Wollen und Tun liegt offensichtlich ein tiefer Graben. Die zahlreich anwesenden Teilnehmer bei der Auftaktveranstaltung zur Klimaneutralität-2040 zum Beispiel, haben überzeugend für die 2040-Vision gestimmt und sind dennoch mehrheitlich mit dem PKW angereist. Wobei der E-PKW Anteil bekanntlich noch sehr gering ist. Wichtig ist, wird bei den „Projekten“ immer gesagt, dass alles zielgerichtet, faktenbasiert und messbar abläuft. Dennoch ist die 2020-Vision im Sande verlaufen. TINA! (there is no alternative), ruft die Klimagenossenschaft. Setzt Duftnoten – und macht weiter wie bisher.

Gemessen wird der Feinstaub in St. Veit schon lange nicht mehr. Man weiß eh, was da ist.

Das örtliche Entwicklungskonzept, bekanntlich das wichtigste Planungsdokument einer Gemeinde, stammt in St. Veit aus dem Jahre 2014. Es wurde also in einer Zeit verfasst, als die Vision-2020 noch Dogma war. Dementsprechend ambitioniert waren teilweise die verschriftlichten Pläne der Stadt. Verkehrsreduktion war zum Beispiel schon damals ein wichtiges Thema. Beinahe 10 Jahre nach der Veröffentlichung des ÖEK ist die Bilanz überschaubar. Aber vielleicht kommt man ob der vielen „Projekte“, bei denen schöne Bilder im Vordergrund stehen, nicht zum Abarbeiten der To-do-Liste. Vor dem Hintergrund der Bodenversiegelung-ist-pfui Debatte, wird die Nutzung von sogenannten Brachflächen in der Raumordnung und Betriebsansiedlungspolitik zunehmend wichtiger. Nicht (mehr) genutzte Industrieflächen sollen vorrangig einer neuen Nutzung zugeführt werden, bevor wieder auf der grünen Wiese gebaut wird. Was auf den ersten Blick eine durchaus sinnvolle Maßnahme ist, entpuppt sich auf dem zweiten Blick als „Verewigung von Altlasten“ mit allen Konsequenzen und öffnen Tür und Tor für Grundstücksspekulationen. Kontaminierte Böden sollten nämlich vordringlich so saniert werden, dass sie danach wieder vielfältig genutzt werden können. Dafür gibt es ein Altlastensanierungsgesetz. Wenn man Altlasten stattdessen „überbaut“ und das dann als Beitrag zur CO2-Kompensation verkauft, ist es Rosstäuscherei.

Ungeachtet des fortgeschrittenen Ausbaus von erneuerbarer Energie in St. Veit.
Es gibt noch viel zu tun.

Optimistisch könnte man am Ende der Betrachtung anmerken, dass es viele engagierte Entscheidungsträger und Mitstreiter gibt, die ehrliches Bemühen nicht nur zum Spaß vor sich hertragen. Vielleicht nicht genug, aber viele Leute, auch in St. Veit, wollen Teil der Lösung und nicht bloß Meckerer auf dem Balkon sein, die alles besser wissen. Ihnen gilt es Vertrauen zu schenken und dort wo es möglich ist, unterstützend zu wirken. Leider zählt das persönliche Engagement der Bevölkerung nicht gerade zu deren Stärke. Deshalb kann man die Bürgerbeteiligung bei der vergangenen Veranstaltung nicht hoch genug einschätzen. In diesem Fall war sogar das Steuergeld gut investiert. 

Problem versus Möglichkeit

Text: Peter Baumgartner.

Sebastian Kurz 2018 in Kärnten. Mit einem „neuen Stil“ will er die Probleme angehen, versprach er seinen 1300 begeisterten Parteifunktionären in Kärnten – mit dem mittlerweile bekannten Ergebnis. Quelle: Peter Baumgartner

Die Strategie muss im Silicon Valley entstanden sein. Es geht um das Problembewusstsein. Viele Menschen glauben, Probleme gibt es nicht. Es gibt nur Möglichkeiten und Chancen. Das Umweltproblem wird so zur Möglichkeit der Veränderung. Ein Eheproblem kann man auch als Chance zur Bewusstseinserweiterung wahrnehmen. Man kann überhaupt alle Probleme ablehnen und nicht anerkennen. Ich habe die Erfahrung bei einem hoffnungslos verschuldeten Menschen gemacht. Er hat einfach alle Rechnungen „stillgelegt“. Logischerweise müsste dann der nächste Schritt folgen und „Möglichkeiten“ genutzt werden. „Wenn wir verstehen, dass die Zukunft gestaltbar ist, verliert sie von ihrer Bedrohlichkeit“, sagt ein Klugscheißer aus der Finanzindustrie, der wohl auch von Silicon Valley geprägt ist. Günther Nenning würde wahrscheinlich entgegenhalten, ein Problem ist ein Problem, ist ein Problem. Aber Nenning ist schon gestorben und seine Lösungskompetenz hat sich nicht durchgesetzt. Durchgesetzt hat sie (anscheinend) der Möglichkeitsglaube. Auch Angela Merkel dachte „Wir schaffen das“. Das Ergebnis wird auch tatsächlich vielfach als Erfolg betrachtet – was natürlich Blödsinn ist. Meine Theorie ist ja, wenn sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass man ein Problem nicht (mehr) lösen kann, tauft man es einfach in Möglichkeit um. Natürlich könnte man auch auf den Mond oder den Mars auswandern, wenn einem die Probleme auf der Erde über den Kopf wachsen. Aber das ist halt (noch) nicht für alle Problemträger möglich. Und Teleportation hat sich in der problembehafteten Welt auch noch nicht durchgesetzt. Außerdem, ich befürchte, die Erdprobleme werden immer im Handgepäck mitfliegen. Also wandeln wir die Probleme als Sprachschöpfung in Möglichkeiten um, dann haben nachfolgende Generationen auch etwas davon. Damit kommen wir vielleicht noch ein paar Generationen durch – mit etwas Glück. Dummerweise gibt es zunehmend Menschen, die Probleme nicht nur als solche ablehnen, sie suchen sie geradezu aktiv und in vollem Bewusstsein der Folgen. Man kennt das Phänomen aus der Juristerei. Aber da wandert höchsten eine schutzlose Person unschuldig hinter Gitter. Typisches Beispiel einer unlösbaren Problemgeschichte ist die „Künstliche Intelligenz“. Der niederschwellige Zugang zur KI und die flächendeckende Verbreitung schaffen endlos neue Probleme die es vorher nicht gab. Dennoch machen wir daraus Möglichkeiten. Blöd wird es, wenn zum Beispiel ein ganzes Tal durch einen Mix aus Gier und Dummheit den Görtschitzbach hinunter schwimmt. Wenn man dann nicht auf den Mond verschwinden kann, hat man nicht mehr viele Möglichkeiten. (PB)

Wo ein Wille, da ein Uferweg

Text: Peter Baumgartner

Der freie Seezugang beschäftigt weiterhin das gemeine Volk. Alljährlich zur warmen Jahreszeit, begibt sich die Journalisten Zunft auf Feldforschung. Ein Journalist in Badehose ist neu.

Abgesehen davon, dass die Recherche des Journalisten Thomas Martinz für den Bericht „Große Seen-Sucht“ in der Kleinen Zeitung für ihn wahrscheinlich eine willkommene Gelegenheit war, bei Sonnenschein das muffige Büro ganz legal in Richtung Strand verlassen zu dürfen, wiederspiegelt die Arbeit jedoch ein typisches Beispiel von „verspielter Journalismus“. In positivem Sinn natürlich – davon gehe ich mal aus. Verspielt könnte ja auch geistesabwesend bedeuten. Nein, ich meine eher, der Redakteur wollte im Bewusstsein seiner Machtlosigkeit spielerisch wirken und war dabei höchstens etwas abgelenkt. Wie ein Delphin. Er macht lustige Figuren, schwimmt zwischendurch aber immer wieder.

Was war passiert? Nach der mühsamen Sedierung der „Mutbürger“ durch die Polit-Anästhesisten, die mit ihrem Seen-Volksbegehren für einigen Wirbel gesorgt hatten, wurde es langsam wieder „still um den See“. Bis ORF-Eco Spezial vor ein paar Tagen der Frage nachging, wem die Seeufer eigentlich gehören. Dabei stolperte die Redaktion über den Begriff „Gemeingebrauch“, der im Wasserrechtsgesetz eigentlich eindeutig geregelt und Grundlage jeder vertraglichen Transaktion von Seegrundstücken ist. Dennoch zeigte man sich vom Ergebnis der Feldforschung „überrascht“ und provozierte mit dem TV-Beitrag den Martinz-Selbstversuch, der prompt in Badehose die Strände der Promi-Villen abklapperte. Ein neues Medienformat war geboren – Floating Journalism.

Eröffnung „Freier Seezugang Rauschelesee“/2019; Wenn Gesichter Worte sprechen.
Quelle: LPD/Szalay

Gegenstand der Begierde ist der, vom Wasserstand abhängige und begehbare Uferstreifen, der naturgemäß nicht immer gleich ist. Die Grund- oder Pachtgrenze eines Ufergrundstückes endet, bzw. beginnt auch seeseitig natürlich immer am gleichen Punkt. Und der ist vertraglich an Gewässern mit schwankenden Pegelständen durch den „regelmäßig wiederkehrenden, ordentlich höchsten Wasserstand“ definiert. Klingt logisch und ist es auch. Nur ergibt sich daraus folgerichtig ein temporärer Uferstreifen – mal mehr oder weniger. Bei normalen Pegelständen ist der Uferstreifen kaum oder gar nicht sichtbar. Wenn der Wasserstand zum Beispiel bei längerer Trockenheit sinkt, „wächst“ das Ufer.  Dieser „neue“ Grund gehört natürlich nicht dem angrenzenden Grundstückseigner/Pächter, sondern ist bei öffentlichen Gewässern eben „Gemeingut“. Mit zunehmender Verbauung der Seeufer, wächst allerdings die sich aus dem „Gemeingut“ ergebende Problematik. Das haben die gescheiten Herrn und Damen in den Amtsstuben nicht bedacht. Plötzlich plantschen Hinz und Kunz vor der privaten See-Villa auf einem 1-Meter breiten, öffentlichen Uferstreifen. „Dank“ Klimawandel könnten sich vielleicht räumlich sogar bald Sonnenliege und Strandgriller ausgehen – vorausgesetzt, man kann wasserseitig anlanden. Uferseitig wird man das begehrte Land eher selten erreichen, denn einen Zugang an privaten Grundstücken vorbei, wird man meist vergeblich suchen. Es könnte aber auch der umgekehrte Fall eintreten und große Teile des privaten Ufergrundstückes dauerhaft überschwemmt werden. Das liebevoll gepflegte Rosenbeet und der Marmorbrunnen würden dann in den Fluten versinken. Die aufgeflammte Diskussion um den „Gemeingebrauch“ wird den Regelungsdruck jedenfalls erhöhen. In welche Richtung es gehen wird, kann man sich vorstellen. Ufer-Grundstücksbesitzer werden sich vorsehen müssen. Man muss kein Wahrsager sein um zu erahnen, dass der Wasserstand bald im Sinne der Pächter/Eigner „geregelt“ wird. Das war nicht immer so. 1857 zum Beispiel, befanden die Vorfahren der heutigen Beamten, man kann armen Keuschlern auch die Aufschüttung der Seeuferflächen erlauben, weil sie bei mehr Ertrag auch mehr Steuern zahlen werden. Weitsicht zählte damals noch zum Qualifikationsprofil eines Beamten.

Freier Seezugang Wörthersee. „Genießen Sie Kärnten“ Wir schützen freie Seezugänge für alle. In diesem Fall muss man schon auch klettern können. Quelle: Peter Baumgartner

Anderswo hat man von „Gemeingebrauch“ längst eine andere Vorstellung als bei uns. In Italien beispielsweise, haben sich an den Stränden unzählige kleine Herrschaftsgebiete gebildet. Jedes stabilimento balneare, jedes Strandbad, ist ein eigenes Königreich und der „Bagnino“ hebt die Strandsteuer ein. Wenn sich die EU nicht einmischt, wird es auch so bleiben. In Griechenland werden ähnliche Verhältnisse unfreundlich als mafiös bezeichnet. Dabei verdienen die Kommunen – im Gegensatz zu uns, wenigstens ein wenig mit. Einen ganz anderen Weg geht Monaco mit dem in Bau befindlichen neuen Stadtteil „Mareterra“, der buchstäblich Neuland schafft und das Land einfach um 3 Prozent vergrößern wird. Von wegen, Land kann man nicht vermehren! Nix für Flip Flop -Touristen natürlich. Der Anspruch lautet: Die teuerste Immobilie der Welt. Listig gingen und gehen die Schweizer vor, wenn sie den Anspruch haben, ihre schönen Gewässer auch öffentlich nutzen zu wollen. Als Roger Federer ein Seegrundstück kaufte, erwog man etwas humorvoll, dieses wasserseitig mit einer Brücke für ausgesperrte Uferwanderer zu überbauen. Das Haus, besser gesagt Federers-Stadtviertel, ist zwar bald fertig, aber öffentlichen Uferweg gibt es noch nicht. Tatsächlich umgesetzt hat man beispielsweise einen 841 Meter langen Holzsteg am Zürichsee (Beitragsbild) als Umgehung für einen nicht nutzbaren Uferbereich. Man stelle sich vor, das Glock-Anwesen am Wörthersee kann man einfach auf einem Ufersteg umgehen. Vermutlich würde die Artillerie vorrücken und den Steg in Stücke schießen. Wenig zimperlich, bayrisch eben, gehen unsere Nachbarn mit dem Thema freier Seezugang um. Wenn es darum geht, für die verfassungsrechtliche Durchsetzung der Bürgerrechte zu kämpfen, fährt gleich der Bagger auf. Bereits 1969 sorgte ein Bürgermeister durch eine Geröll- und Kies Schüttaktion vor einer Promivilla am Tegernsee für ein öffentliches Ufer. Viele Kollegen folgten seinem Beispiel und jetzt vor den Wahlen „kümmert“ sich die Bayernpartei wieder aktiv um das Thema Artikel 141 der Verfassung: „Staat und Gemeinde sind berechtigt und verpflichtet, der Allgemeinheit die Zugänge zu Bergen, Seen, Flüssen und sonstigen landschaftlichen Schönheiten freizuhalten und allenfalls durch Einschränkungen des Eigentumsrechtes freizumachen sowie Wanderwege und Erholungsparks anzulegen.“

Abkühlung für alle, fordern die GRÜNEN in Kärnten. Zu mehr reichen die Lücken im Schilf auch nicht und für einen Privatisierungsstopp ist es längst zu spät.

2017 forderte der Kärntner Schriftsteller Egyd Gstättner die „Rückeroberung“ des Wörthersees. In seiner Wahrnehmung steht der See in Geiselhaft der Reichen und Schönen. Ich war damals durchaus kampfbereit und hatte flugs eine Strategie erarbeitet. Leider wurde der Plan nicht umgesetzt. Vielmehr scheint zumindest in Kärnten ohnehin politischer Konsens in der Frage Uferverbauung zu bestehen. Quer durch alle Parteien, versichert immer der jeweilig zuständige Bürgermeister oder Bürgermeisterin, dass alle Bauprojekte rechtmäßig abgewickelt wurden. Die SPÖ Landesrätin Dörflinger versichert, „Wir haben alle gesetzlichen Möglichkeiten ausgereizt, um dem Seenvolksbegehren weitestmöglich zu entsprechen“. Sogar der grüne Parteichef darf – dank der frühen Geburt, im Naturschutzgebiet am See leben und kann die Motorsägen in der Nachbarschaft einfach nicht hören. Und der Bürgerprotest ist enden wollend. Falls Einheimische überraschend doch aufbegehren, werden sie konsequent von den Medien totgeschrieben. Der Schweizer Galionsfigur für den öffentlichen Uferweg, Victor von Wartburg, könnte das nicht passieren. Er sagt kämpferisch: „Wo ein Wille, da ein Uferweg“.

Leserbrief 22.7.2017

Man wird sich mit der Situation jetzt wohl auch arrangieren müssen, denn der Flaschengeist wurde spätestens mit der Privatisierung der Bundesforste freigelassen. Der „schönste Finanzminister aller Zeiten“, selber ein Kind vom Wörthersee, hat allen gezeigt, wie der Hase läuft. „Das einzige was passiert ist, dass wir die Verwaltung an die Bundesforste übertragen“, erklärte Karl-Heinz Grasser 2001 zum Taschenspielertrick mit den Seen. „Wir wollen es nur effizienter und billiger machen. Die Bundesforste sind nur eine Verwaltungsgesellschaft“ – so Grasser. Und alle Schafe machten „bäh“. Seit 2001, beziehungsweise seit der Ausgliederung der „Verwaltungsgesellschaft“ im Jahre 1997, warten die Steuerzahler darauf, dass sich nichts ändert und dass es billiger wird. Tatsächlich wurde es für die Immobiliendeals billiger und vor allem einfacher, weil man nur noch einen Ansprechpartner aus den eigenen Reihen hat. Das Risiko übereifriger Beamten ist erledigt. Für das „Volk“ werden ein paar steile Treppen zum Wasser neben einer öffentlichen Legebatterie wohl ausreichen. Hat eh keiner eine Boesch Yacht, die Infrastruktur braucht.

Mehr freie Strände und weniger Konzessionen, fordern die Bürger an den Italienischen Stränden. In kleinen Grüppchen kämpfen sie gegen übermächtige Strandkaiser.
Quelle: Coordinamento Nazionale Mare Libero

Was die jetzige Diskussion um den Uferstreifen auslösen wird, ist vergleichbar mit 2001. Wer wollte, konnte damals die „Anlandungen“ kaufen – oder pachten. Die Bevölkerung „durfte“ Grasser und Molterer via Kleine Zeitung die Meinung sagen. Ja, und da war vor 10 Jahren noch etwas mit einem See-Untersuchungsausschuss. Eine Gewerkschaftsbank saß auch im Boot. Und ebenfalls vor 10 Jahren mutierte der Wörthersee offiziell zur „Schlafstätte“ (Christian Kresse/2013). „Der See wird immer privater“, befand der verzweifelte, inzwischen vertriebene Tourismusmanager und stellte die rhetorische Frage: „Was wollen wir den Gästen noch anbieten?“. Glücklich ist, wer vergisst. Vergesslichkeit dürfte eine dominante Eigenschaft der Ureinwohner sein. (PB)

Zum Artikel Blattschuss für das Jägerlatein vom 24. Juli 2023, betreffend das Volksbegehren für ein einheitliches Jagdgesetz in Österreich, nimmt Hermann Teschl Stellung.

Es ist einfach nicht mehr zeitgemäß, dass ein kleines Land wie Österreich neun verschiedene Gesetze mit verschiedenen Richtlinien für die Jagd hat. Je nach Einflussmöglichkeiten der Jägerschaft sind Gatterjagden und Aussetzen von gezüchteten Tieren für das Jagdvergnügen erlaubt oder verboten. Es sind auch verschiedene Richtlinien bei der Erstellung von Abschlussplänen zur Regulierung des Wildbestandes anzuwenden. Das Resultat ist, dass wir in Österreich den höchsten Schalenwildbestand Europas haben*. Verheerend sind dadurch die Auswirkungen auf die Naturverjüngung unserer Wälder. Es bemüht sich das Ministerium für Landwirtschaft mit einem „Wildeinflussmonitoring“ diese durch den hohen Wildbestand verursachten Schäden aufzuzeigen (z.B. im Bezirk Südoststeiermark wird keine Eiche aus der Naturverjüngung unverbissen höher als 80 cm). Obwohl es eine sogenannte „Mariazeller Erklärung“ gibt, in der eindeutig „Wald vor Wild“ festgeschrieben ist, werden diese Fakten von der Jägerschaft seit Jahren nicht zur Kenntnis genommen. Deshalb wird ein einheitliches Jagdgesetz gefordert, welches eine Anpassung der Wilddichte an ein ökologisch verträgliches Maß beinhaltet. Es ist bezeichnend für die Einstellung der Jägerschaft, wie an die Sache herangegangen wird. Zum Beispiel wird in der Steiermark mittels „Ukas“ des offiziellen Jagdverbandes jede diesbezügliche Diskussion mit der Jägerschaft verboten. Weiters ist es bedauerlich, dass gerade diesbezügliche Anliegen in der heutigen Zeit so wenig Gehör finden, herrscht doch weltweit Konsens darüber, dass intakte Wälder die Basis jedweder Klimapolitik darstellen. Die Erhaltung unserer einheimischen Mischwälder und die dadurch bedingte Reduktion des Wildverbisses sollte konsequenterweise Staatsbürgerpflicht sein.

*) Urteilsbegründung des Verfassungsgerichtshofes Wien vom 15.10.2016, GZ G7/2016: „Nach den Ergebnissen des Gesetzprüfungsverfahrens ist die Schalenwilddichte und Diversität in Österreich im europäischen Vergleich am höchsten“

Hermann Teschl/Fehring-Steiermark; Forstwirt und Vorstandsmitglied des Vereins „Naturwald Steiermark“.

Bildtext: Österreichische Jägerschaft pirscht zum Duden nach Berlin / Foto: Kevin Schulzbus / Jagd Österreich

Foto: Kevin Schulzbus / Jagd Österreich

Inzwischen hat die Österreichische Jägerschaft ausführlich zum Volksbegehren Stellung bezogen. Erwartungsgemäß kann die Jägerschaft mit den erhobenen Forderungen „wenig anfangen“. Vielmehr sieht die Jägerschaft zum Teil schizophrenen Forderungen und kaum Gesprächsbasis. Man darf Volksbegehren durchführen, findet die Jägerschaft, aber das vorliegende Volksbegehren für ein Bundesjagdgesetz wird von der Jägerschaft abgelehnt. Gleichzeitig hat die Jägerschaft für sich erkannt, dass in der Öffentlichkeit offensichtlich das notwendige Wissen über die Jagd fehlt. Deshalb wurde eine medienwirksame Informationskampagne gestartet. Auftakt war das Ansuchen an DUDEN, den Jagdbegriff zu aktualisieren (Bild).

Info: Jagdfakten.at;  jagd-oesterreich.at

Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar

Aufgefasst aus der Wandzeitung, ein Zitat von Ingeborg Bachmann

Text: Peter A. Werner/Krems an der Donau

Ein Bericht aus der WANDZEITUNG über den Journalist Franz Miklautz, sollte den österreichischen Bürger eigentlich aufrütteln und aus seiner Ja–Sager und mankann-ja-eh-nix machen Agonie holen. Das Traurige an dem Bericht des Herausgebers ist der Umstand, dass objektiver Journalismus in einem Land, in dem ständig von Demokratie und ihren Werten gesprochen wird, tatsächlich nicht viel übrig geblieben erscheint. Objektiver und unbeeinflusster Journalismus sind jedoch eine tragende Säule der Demokratie.

Es ist verständlich, dass simple und unkomplizierte Medien, vom einfach denkenden Staatsbürger lieber gelesen werde, als ein anspruchsvoller Bericht eines seriösen Mediums. Jedoch hat es mit journalistischer und mit demokratischer Pflicht überhaupt nichts zu tun, wenn einfach gestrickte Medium, anstatt seriöser Journalismus, gefördert wird. Dies ist nämlich gefährlich und trägt dazu bei, die Gesellschaft zu verunsichern und zu spalten. Diese Art von Journalismus die weder berichtet noch objektiv aufdeckt, ist der wahre Straftäter – nicht der Journalist der Unangenehmen und Verwerflichen auf der Spur ist und nach genauer Recherche darüber berichtet.

Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt, die Herrn Miklautz für seine Arbeit als vermeintlichen Täter verantwortlich gemacht hat und dann wieder rehabilitieren musste, macht sich im System genauso schuldig wie die Medien, die subjektiv berichten. Hier nämlich fängt das gesamte Schlamassel des heute gelebten Journalismus an. Es wird eine Straftat in journalistischer Aufklärungsarbeit vermutet, die wahren Täter jedoch bleiben verschont. Das Warum und Weshalb zu hinterfragen, wäre nun jedoch eine notwendige Handlung der Staatsanwaltschaft.

Was allerdings im Falle Miklautz geschehen ist, entspricht genau der Spaltung der Gesellschaft. Es ist kein Wunder, dass nach solchen Geschichten der Volksmund nach einem starken Führer ruft! Fatal. Jedoch geht man nach solchen Gschichtln ganz schnell in die Normalität über und provoziert damit den nächsten Fall. Und schon entsteht der Eindruck, Übeltäter werden, besonders wenn sie wohlhabend oder politisch tätig sind, geschützt. Das Gefühl der Ohnmacht ist die gesellschaftliche Folge. Genau diese Ohnmacht erzeugt Ärger und wenn sich dieser Ärger durch Wiederholung steigert, entsteht Hass. Eben dieser führt zur Gewalt, vor der sich dann alle so fürchten. Gerade deshalb ist objektiver Journalismus, egal in welchem Bereich, mindestens so wichtig, wie die Gewaltentrennung, eine unabhängige Exekutive und eine unabhängige Justiz. Dort ist für Verschlagenheit, politische Incorrectness und Korruption nämlich kein Platz.

Wenn ein Land unabhängige Journalisten mit Restriktionen straft und diffamiert, ist es nur noch ein kleiner Schritt zu Orbans Ungarn. Darauf folgt bereits Putins Russland. Wohin dessen „Pressefreiheit“ geführt hat, merken wir alle. Der Fall Miklautz zeigt allerdings auch auf, wie nahe wir uns bereits an den genannten Schritten zu Orbans und Putins restriktiven Systemen befinden. Die Begründung darin ist schlicht und einfach, dass sich korrumpierte Eliten bedroht und gereizt fühlen und restriktiv auf ihre Widersacher reagieren. Genau hier aber beginnt die Gefahrensituation. Wenn nämlich die wenigen verbliebenen, objektiv arbeitenden Journalisten in ihrer Arbeit behindert werden, ist der Weg in die totale Subjektivität geebnet. Interessant wäre dann zu wissen, wie die Reaktionen und das Wehgeschrei der Verantwortlichen ausfallen. Auch die Reaktion derer, welche die Verantwortlichen letztlich gewählt haben, kann man sich bildlich vorstellen. Genau gegen dieses Szenario bedarf es Journalisten und Medien, die objektiv und unbeeinflusst berichten und zwar über die wirklichen Probleme und Mängel, die unserer Gesellschaft zu Grunde liegen.

Gerade als Mitglied der Europäischen Union, in der ständig von Menschenrechten und Wertegemeinschaft gesungen wird, sollte man sich den Risken einer Einschränkung des freien objektiven Journalismus bewusst sein. Wenn solche Fälle, wie eben der Fall Miklautz vorkommen, gehören die weder zu Tode diskutiert, noch ignoriert, sondern sorgfältig abgehandelt und zu guter Letzt als Paradebeispiele für eine unabhängige freie Gesetzgebung zum Wohle unserer Gesellschaft herangezogen.

Es bleibt zu hoffen, dass Herr Miklautz nach dieser nachhaltigen Beschädigung, durch eine mangelhafte Justiz, weiter seiner journalistischen Tätigkeit nachkommen will, diese unabhängig, frei und objektiv ausüben kann. Eines ist allerdings ganz klar! Dieser Fall ist die Rute im Fenster derer, die Unabhängigkeit und Freiheit aufgrund ihrer eigenen Verfehlungen und Schwächen einschränken oder gar abstellen wollen. Es gibt als Hoffnungsschimmer in der Trostlosigkeit des Boulevards und „ich wehe-wie-ein-Blatt-im-Wind“-Journalismus, doch noch einige Figuren die sich trotz erfahrener Schmach, für objektive Berichterstattung stark machen. Diesen und besonders dem Herausgeber der Wandzeitung, sowie Herrn Miklautz gilt mein Dank für ihre gesellschaftliche Verantwortung, ihren Mut und ihrer Standhaftigkeit. (PB)

Blattschuss für das Jägerlatein!

Das eingereichte Volksbegehren „Für ein Bundes-Jagdgesetz“ (bundesjagdgesetz.at) fordert die Vereinheitlichung der einzelnen Bundesländer-Jagdgesetze und eine umfassende inhaltliche Änderung. Die Jägerschaft ist strikt dagegen und zeigt sich (noch) geschlossen gegen jede Änderung. „Wir dürfen uns nicht auseinanderdividieren lassen,“ warnt Landesjägermeister Dr. Walter Brunner. Tatsächlich steht für die Jägerschaft viel auf dem Spiel.

Die Jägerschaft wird die Göttin Diana jetzt bitter notwendig haben.

Persönlich würde ich das Volksbegehren für ein Bundesjagdgesetz mit den angeführten Zielsetzungen auch als Jäger aus Überzeugung unterstützen – mit einer Einschränkung: Die Forderungen nach einem Verbot zur Tötung von Hunden, die frei laufend das Wild in Panik versetzen oder sogar töten (Pkt. 4), ist kontraproduktiv. Aus eigener Beobachtung weiß ich, dass dieses Verbot verantwortungslose Hundebsitzerinnen in ihrem Glauben bestärken würde, dass ihre Hunde immer freilaufen dürfen. Wild auf der Flucht vor freilaufenden Hunden auf eigenem Grund erlebe ich leider regelmäßig und weiß daher wovon ich rede. Ungeachtet der Sinnhaftigkeit des Volksbegehrens sollte man jedoch nicht übersehen, dass ein eventuell einheitliches Bundesjagdgesetz mit den Inhalten wie sie jetzt gefordert werden, nur als erster Schritt für echte Reformen des Jagdwesens sein kann. Diesem ersten Schritt müssen weitere Reformen folgen, die da nach meiner Überzeugung sind:

  1. Berücksichtigung des Fischereiwesens im Sinne der Forderungen des Volksbegehrens, dessen Fokus jetzt nur auf Wild gerichtet ist.

Ich begründe diese Forderung damit, dass die personelle Verflechtung der Jägerschaft und des Fischereiwesens eng und teilweise eine Personalunion ist. Der Begriff „Weidgerechtigkeit“ findet im Jagdwesen und in der Fischerei gleichermaßen Anwendung. Außerdem dürfte sich die Schutzbedürftigkeit von Fischen und Wildtieren wohl kaum unterscheiden („Catch and Release“). Gleiches gilt für den Artenschutz und die Bedeutung für das Ökosystem. Darüber hinaus ist die Schutzbedürftigkeit von Wald und Feld zum Tierwohl vergleichbar mit dem notwendigen Gewässerschutz für den Fischbestand. Derzeit hat jedoch der Wirtschaftsstandort vielfach noch Priorität zum Nachteil des Gewässerschutzes.

BEISPIEL:

„Die HCBD-Belastung bei Fischen steigt erneut stark an“ (Kronen Zeitung/15.7.2022)

Konkret wird vorgeschlagen, dass der Umstand, wonach Fische, die derzeit (Anm.: seit Jahren) im betroffenen Bereich gefangen werden, aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Verzehr geeignet sind, auf den jeweiligen aus(zu)gegebenen Fischereierlaubnisscheinen vermerkt wird. Auch wird darauf hingewiesen, dass daher derzeit nur eine Catch-and -Release – Entnahme von Fischen aus der Gurk (unterhalb der Deponie Donauchemie) möglich ist

(Landessanitätsdirektion Kärnten-2022).

„Die Gewässeraufsicht des Landes Kärnten überprüfte neben den Kläranlagen zwischen 13 und 17 abwasserrelevante Betriebe pro Jahr. Die Gewässeraufsicht in Oberösterreich überprüfte bis zu 119 Betriebe pro Jahr.

(Rechnungshof 2022/Gewässeraufsicht in K & OÖ).

Verantwortungslose Hundebesitzer bringen das Wild mutwillig in Gefahr.
Quelle: Peter Baumgartner

  1. Entflechtung des Jagdwesens (und Fischereiwesen) von öffentlichen und privaten Aufgaben.

Die Jägerschaft (und die Fischerei) ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts und in meiner Wahrnehmung beispielgebend für die Abschaffung der demokratischen Gewaltenteilung. Die beiden Organisationen vereinen teilweise Legislative und Exekutive und in bestimmten Fällen sogar Judikative unter einem Dach. „Checks and balances“ kann so nur noch durch die Öffentlichkeit (Medien) gewährleistet werden, die ihrerseits lange braucht, um auf Missstände zu reagieren. Letztes Beispiel dafür ist die 2022 erzwungene Rechnungshofprüfung der Jägerschaft in Kärnten (mit wenig schmeichelhaftem Ergebnis). Überhaupt wird die öffentliche Diskussion durch die Jägerschaft situationselastisch verweigert. Das Diskussionsverhalten rund um die aktuelle Volksabstimmung ist vergleichbar mit einer schlechten Konzernkommunikation („Wir erlauben uns, die Mitglieder des Landesjagdverbandes und somit alle Jäger darauf hinzuweisen, dass die Zielsetzungen des Volksbegehrens unsere Jagd mit ihren Besonderheiten und der besonderen alpenländischen Kultur nachhaltig schwächen und verändern würde“ / OÖ-Jagdverband; Keine Anfragen von Medien beantworten oder Interviews geben Stmk.Jagdverband). Dazu kommen Zwangsmitgliedschaften (13.500 Mitglieder in Kärnten, 132.000 in Österreich) sowie das umstrittene, aber rechtmäßige Tragen von Faustfeuerwaffen (Waffengesetz § 20 1a). Die NEOS haben diese Gesetzesliberalisierung seinerzeit im Zusammenhang von hohen Regierungsmitgliedern im Naheverhältnis eines bestimmten Waffenhändlers gesehen. Abgeordnete Dr. Alma Zadić, (Liste JETZT) – heute Justizministerin – war bei der Gesetzesnovelle 2018 strikt gegen jegliche Ausdehnung des Tragens von Waffen. Schlussendlich sind sogar Fischereiaufsichtsorgane in bestimmten Fällen befugt, Personen festzunehmen.

  • Körperschaften öffentlichen Rechts sollen aus allen Gremien ausgeschlossen sein, die den gemeinnützigen Naturschutzorganisationen vorbehaltenen sind.

In Kärnten ist die Jägerschaft als Körperschaft öffentlichen Rechts sogar im Naturschutzbeirat/Umweltanwaltschaft vertreten, obwohl die Mitgliedschaft dort nur Naturschutzorganisationen vorbehalten ist (K-NSG 2002, § 62 1a – Als Naturschutzorganisationen gelten nur gemeinnützige Vereinigungen). Da der Naturschutzbeirat/Umweltanwaltschaft in Kärnten ein Kollegialorgan bildet, führt die starke Mitwirkung der Jägerschaft als Körperschaft öffentlichen Rechts, die Vorsitzführung durch die zuständige Landesrätin und die Geschäftsführung der Landesregierung dazu, dass der Naturschutzbeirat/Umweltanwalt praktisch seine Kontrollkompetenz gegenüber der Verwaltung verloren hat. Konsequenz: Die Opposition im Landtag hat die Unabhängigkeit des Naturschutzbeirates/Umweltanwaltschaft schon mehrfach in Zweifel gezogen und Umweltorganisationen orten generell eine „vornehme Zurückhaltung“ des Naturschutzbeirates/Umweltanwaltschaft insbesondere in UVP-Verfahren.

Wer im Trüben fischt, versucht sich mit unredlichen Mitteln einen Vorteil zu verschaffen. 
Quelle: Peter Baumgartner

Schwere Geschütze gegen Hobby-Jäger fährt die Schweizer Tierschutzorganisation „Wild beim Wild“ auf und bringt mehrere Studien als Beispiel dafür, dass die Aggression der Hobby-Jäger gegen Tiere, Ausdruck einer Verhaltensstörung ist. Angeblich haben laut „Wild beim Wild“ psychologische und soziologische Untersuchungen bei Hobby-Jägern ergeben, dass sie Themen des Tier-, Umwelt- und Naturschutz eher negativ gegenüberstehen und allgemein eine höhere Tendenz zu aggressiver Verhaltensweise zeigen. Auch in Österreich spricht der Tierschutz von „grausamen Missständen bei der Jagd“. Wenn nur ein Bruchteil der ernsten Anschuldigungen gegen die Jägerschaft stimmt, ist deren Mitwirkung bei öffentlichen Aufgaben dringend zu hinterfragen. Unabhängig von den erhobenen Vorwürfen gegen die Jägerschaft durch das Volksbegehren und die Fischerei allgemein, insgesamt wird vom Jagd- und Fischereiwesen in Österreich derzeit ein Bild gezeigt, dass nach einer öffentlichen Debatte schreit. Am Ende dieser Debatte muss die demokratische Rechtsstaatlichkeit und der geltende Tierschutz außer Streit stehen. (PB)

Die Wahrheit nämlich ist dem Menschen zumutbar

Im Jahre 2023 wird in Kärnten, nein nicht nur in Russland oder Nordkorea, sondern im Urlaubsparadies Österreichs, ein Journalist kriminalisiert, nur weil er seine Arbeit gewissenhaft gemacht hat.

Text: Peter Baumgartner.

Nicht anders als eine kulturelle Aneignung ist die Vereinnahmung von Ingeborg Bachmann durch die Stadt Klagenfurt zu verstehen. Quelle: Peter Baumgartner

Was war passiert? Whistleblower aus dem Rathaus in der Kärntner Landeshauptstadt stecken dem Journalisten Franz Miklautz Informationen über öffentlich Bedienstete, die an sich schon – egal ob rechtens oder nicht, gelinde ausgedrückt, eine zum Himmel stinkende Sauerei sind. Alles passiert über Jahre und ist teilweise sogar lange bekannt. Dennoch hält sich die öffentliche Empörung viele Jahre in Grenzen. Man ist in Kärnten einiges gewohnt. Achselzuckend wendet sich die Bevölkerung meist dem Gulasch und Bier zu. Man kann eh nichts machen. Doch dann wird es einem Journalisten zu blöd. Er verfasst einige Beiträge über die Vorkommnisse im Rathaus und die werden sogar veröffentlicht. Nun wird die Empörung groß. Nein, nicht bei den Bürgern, sondern bei den Ertappten. Sie ziehen vor Gericht. Weil, sie schließen messerscharf „nicht sein kann, was nicht sein darf“ (Christian Morgenstern). Und in Kärnten darf man Provinzoligarchen nicht einfach öffentlich angreifen – selbst wenn die Kritik stimmt. Das tut man nicht. Das sieht auch die örtliche Staatsanwaltschaft so und schwups ist der lästige Journalist kriminalisiert. Er bekommt die zweifelhafte Auszeichnung „Beschuldigter“ umgehängt. Als solcher ist er zunächst alle seine Arbeitsgrundlagen los, weil er zusammenfassend gesagt, zur Aufdeckung „geheimer Schweinereien“ beigetragen hat. Ein „Justiz-Fehler“, wie sich nur wenige Tage später herausgestellt hat. Aber da ist das Malheur schon passiert und eine Solidarisierungswelle trägt den angeklagten Journalisten Franz Miklautz durch das Land, die so auch nicht oft vorkommt. Plötzlich sind die „üblichen“ Schweinereien in Kärnten österreichweit Thema und erregen sogar über die Grenzen hinaus Aufmerksamkeit. Allerdings, thematisiert wird noch immer hauptsächlich der Angriff auf die Pressefreiheit – weniger der dieser zugrunde liegende Rathaus-Skandal, der schon über Jahre läuft. Dann geht alles sehr schnell. Binnen weniger Stunden wird der „böse“ Journalist von der Oberstaatsanwaltschaft Graz im Einvernehmen mit dem Justizministerium rehabilitiert. Man möchte wieder friedlich zur Tagesordnung übergehen. Doch die Oppositionspartei im Rathaus, selbst Teil des Problems, sieht einen Spielvorteil und hält die „Kacke am dampfen“. Erst jetzt könnte es zu einer inhaltlichen Aufarbeitung der dubiosen Vorgänge im Rathaus kommen. Die Betonung liegt aber auf „könnte“. Sicher ist es keineswegs.

Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt sorgte schon öfter für Verwunderung und hat sich jetzt durch das Vorgehen gegen einen unbescholtenen Journalisten endgültig einen zweifelhaften Ruf verschafft. Quelle: Peter Baumgartner

Zurück zu Pressefreiheit in Kärnten und in Österreich. Spätestens seit dem Klagenfurter Sündenfall der Staatsanwaltschaft fragt man sich, worin unterscheidet sich die Pressefreiheit in Kärnten zum Beispiel von der ungarischen Pressefreiheit? Faktisch gar nicht, lautet die erschütternde Erkenntnis. Nur dass Kärnten im Verbund mit Österreich mitschwimmt und im RSF-Ranking auf dem 29. Platz liegt. Ungarn liegt auf dem 72. Platz – nur eine Gruppe hinter Österreichs, weil die Probleme in Ungarn „erkennbarer“ sind. Soll heißen, Orban schert sich nicht um die öffentliche Wirksamkeit seiner (Medien)Politik. Österreich ist da (noch) etwas zurückhaltender. Nicht so in Kärnten, da nimmt man jetzt den Orban-Kurs ein und klagt Journalisten kurzerhand, wenn sie „geheime“ Missstände aufzeigen. Auf gut kärntnerisch heißt das, „do moch ma oanfoch a klans SLAPPerl“. Also „irregeleitete“ Medienhandwerker werden „strategisch geklagt“, damit sie wieder die „Goschn halten und Hände falten“. Die für Werte und Transparenz zuständige Vizepräsidentin der Kommission, Věra Jourová, hat zwar schon 2022 erklärt: „Wir haben versprochen, Journalistinnen und Journalisten sowie Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger besser gegen diejenigen zu verteidigen, die sie zum Schweigen bringen wollen.“ Mit neuen Vorschriften wollte sie diesem Versprechen zum Durchbruch verhelfen denn, „in einer Demokratie dürfen Reichtum und Macht nie über die Wahrheit bestimmen.“ Ein frommer Wunsch. Wie so oft, sind Ankündigungen und Versprechungen aus der EU das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben stehen. Denn heute, ein Jahr nach dem Versprechen der Vizepräsidentin passiert in Kärnten genau das: Ein Journalist wird vom Provinzadel vor das Gericht gezerrt, weil er sich der Wahrheit verpflichtet fühlt. Politik und Justiz spielten gemeinsam das schaurige Spiel wie damals, als im selben Haus eine „Unrechtsjustiz“ Männer und Frauen zum Tode verurteilt hat, nur weil sie eine eigene Meinung vertreten haben. Noch heute erinnert ein Mahnmal vor dem Eingang des Gerichts an diese Grausamkeiten. Aber anscheinend gehen die Juristen in Kärnten achtlos an diesem Mahnmal vorbei und betreiben wieder Unrechtsjustiz – nur dass sie (noch) kein Todesurteil sprechen, sonst würde zumindest der Name des Journalisten Franz Miklautz auch schon auf der Gedenktafel stehen. Sein Vergehen hat Bertolt Brecht so beschrieben: „Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht“. In Österreich „kostet“ diese Einstellung „nur“ den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ruin. Vielleicht hat man aber das Justizgebäude in Klagenfurt seinerzeit absichtlich in unmittelbarer Umgebung des Siechenhauses gebaut, weil auch die Juristerei unheilbar und infektiös ist…

Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht. Wer danach lebt, riskiert in Kärnten viel. Quelle: Peter Baumgartner

In ihrer unvergleichlichen Dankesrede anlässlich einer Preisverleihung spricht Ingeborg Bachmann 1959 davon, dass erst wenn der Schmerz furchtbar wird, uns „die Augen aufgehen“. Aber so weit sind wir noch nicht. Es scheint, die Bevölkerung ist unendlich leidensfähig. Wenn die vor fünfzig Jahren verstorbene Schriftstellerin dieser Tage in Klagenfurt wieder für prominente Aufmärsche und Sonntagsreden sorgen wird, klingt es wie eine kulturelle Aneignung. Ausgerechnet eine Stadt, deren Politik und Justiz 2023 noch immer die Öffentlichkeit scheut wie der Teufel das Weihwasser, Journalisten kriminalisiert werden, weil sie ihre Arbeit machen und RepräsentantInnen sich aufführen wie wildgewordene Rüpel, will eine Künstlerin wie Ingeborg Bachmann ehren. Ausgerechnet eine Künstlerin deren Motto lautete: Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar! Sie hat es nicht verdient, dass auch nur einer dieser Herrschaften ihren Namen in den Mund nimmt und ihre Person als Aushängeschild für eine verkommene Politik nützt. „Im Widerspiel des Unmöglichen mit dem Möglichen erweitern wir unsere Möglichkeiten“, glaubte Ingeborg Bachmann. Klagenfurt, ausgerechnet ihre Heimatstadt, ist das herausragende Beispiel für das Gegenteil.

Haben unsere Vorfahren in Klagenfurt die Justiz, die Politik, die Verwaltung und die Siechenanstalt absichtlich in enge räumliche Nähe gebracht? Wir wissen es nicht, aber es würde einen Sinn ergeben… Quelle: Peter Baumgartner

Heute, also ein paar Tage nach der Rehabilitierung des verunglimpften Journalisten Franz Miklautz, bleiben noch viele Fragen offen und werden mutmaßlich wie üblich, früher oder später von anderen Ereignissen überrollt und schließlich vergessen. Die veröffentlichte Erklärung lautete bereits, die Staatsanwaltschaft hat geirrt – Punkt. Und was jetzt? Was sind die Konsequenzen? Hat sich diese Staatsanwaltschaft schon öfter geirrt? Die Vermutung liegt nahe, denn „kein Anfangsverdacht“ ist eine Formel, die man aus dem Hause auffallend oft hört. Welche Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass sie sich nicht wieder „irrt“? Darauf gibt es keine Antworten. Im Gegenteil. Die Whistleblower werden weiterhin verfolgt. Als ob das mittelalterliche Recht, wonach der Überbringer der schlechten Botschaft und nicht der Verursacher gehängt wird, in Kärnten noch immer Gültigkeit hätte. Die Ausrede, das Damoklesschwert heißt „Amtsgeheimnis“. Aber die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar. Was geschieht mit den involvierten Politikern und Beamten, die sich jetzt wortgewaltig herausreden und ablenken wollen? Sie haben das Amt missbraucht, das Ansehen des Landes beschädigt und einen unbescholtenen Bürger diskreditiert. Was ist ihre Verantwortung? Keine Antwort! Derweil werden unbescholtener Bürger in Österreich weiterhin zum Schweigen gebracht. Die internationale NGO CASE, die es sich zum Ziel gesetzt hat, SLAPPs (Strategic Lawsuits Against Public Participation) zu beenden berichtet, dass Österreich im Vergleich zu anderen europäischen Staaten eine höhere Rate an SLAPPs zu verzeichnen hat. Schlussendlich ist es symptomatisch, dass ausgerechnet Kärnten ein maßgeblicher Blockierer des überfälligen Informationsfreiheitsgesetzes ist und in unseliger Koalition mit anderen Akteuren seit Jahren alles daransetzt, um seine Bürger „blöd sterben“ zu lassen. (PB)


Zitat: Die Wahrheit nämlich ist dem Menschen zumutbar (Ingeborg Bachmann)

Stunksitzung im Kärntner Landtag

Text: Peter Baumgartner.

Als „Gegen-Programm“ gedacht, ist die „Stunksitzung“ im Kölner Karneval das genaue Gegenteil der allseits bekannten Prunksitzung. Unkorrekt, rotzfrech, kabarettistisch. Da wird beschimpft und schonungslos beleidigt was das Zeug hält. Dargeboten wird alles was provokant und gewissenlos ist – bis hin zum nackten Hinterteil. Ganz so verläuft die Landtagssitzung in Kärnten – noch nicht. Aber fast.

Die Landtagswahl im März 2023 brachte – auch dank medialer Unterstützung (Mikophonständer der Regierung/Klenk), in Summe die Weiterführung der bisherigen Machtverhältnisse. Die Verlierer sind wieder die „Sieger“ und bilden einen Sesselkreis der „mir san mir-Gesellschaft“. Einzige Unterschiede zum bisherigen Politschauspiel: die Opposition wurde dank teils beachtlicher Zugewinne bei der Wahl selbstbewusster und die „Sieger“ trotziger. Eine Außenseiter Partei (VisionÖsterreich) konnte sogar einen Achtungserfolg erzielen. Unverändert und unangefochten an der Spitze des Wahlergebnisses liegt wieder die Partei der Nichtwähler mit 126.000 Stimmen vor dem „Sieger“ mit 118.000 Stimmen (-9 %). Diesem Ergebnis geschuldet ist wohl die stetige Zunahme an Macht und Autonomie außerparlamentarischer Blöcke.

Vor dieser Gemengelage fand die 1. Landtagssitzung, die konstituierende Sitzung, am 13. April statt. Allerdings entwickelte sich diese 1. Landtagssitzung im Laufe des Tages zu einer Regierungssitzung, was prompt den Unmut der oppositionellen FPÖ-Landtagsabgeordneten auslöste. Nach den verfassungsmäßig vorgeschriebenen Neuwahlen und Angelobungen, gewährte der alte und neue SPÖ-Landtagspräsident Rohr nämlich nur dem alten und neuen Landeshauptmann Peter Kaiser die Redeerlaubnis – im Landtag wohlgemerkt. Der Präsident des Landtages hatte also in der 1. Landtagssitzung ausschließlich einem Regierungsmitglied, seinem Parteifreund, die Möglichkeit zur Verbreitung seiner Botschaft eingeräumt. Davon nahm dieser auch ausgiebig gebrauch. 46 Minuten lang dauerte sein Vortrag an die zum kollektiven Schweigen verdonnerten Abgeordneten. Kein Wunder, dass die FPÖ von einem „demokratiepolitischen Skandal“ gesprochen hat und aus Protest vor der Rede des Landeshauptmannes sogar geschlossen den Saal verlassen hat. Damit war der an sich feierliche Tag versaut und die Landtagssitzung geriet zur „Stunksitzung“.

Der Platz neben mir ist leer. Ich hör‘ deine Stimme nicht mehr. Ich möcht‘ dich umfassen und spüren ganz nah, doch dann seh‘ ich, du bist ja nicht da. (Hartmut Eichler/1964)
Bild Sabrina Staudacher/FPÖ

Einmal mehr lieferte der ORF einen Beweis seiner regierungsfreundlichen Berichterstattung. ORF-Kärnten-Chefredakteur Bernhard Bieche sprach von einer „grundsätzlich programmgemäßen Landtagssitzung, die nur von einem unerwarteten blauen Protest“ gestört wurde. Sogar vor einer falschen Interpretation der Landtags-Geschäftsordnung und eigenen, abfälligen Meinungsäußerungen zur FPÖ, schreckte Bieche nicht zurück. Die Tageszeitung Kurier bezeichnete das Verhalten der FPÖ einen „kleinen Skandal“. Die Bezirkszeitung nahm, wie Andrea Bergmann von der Kleinen Zeitung, einen von der FPÖ verursachten „Eklat“ wahr. „Stunk“ von Seiten der FPÖ erwartete Frau Bergmann allerdings schon einige Tage vor der 1. Landtagssitzung. Da war nämlich schon klar, dass Präsident Rohr nur den Landeshauptmann – und zwar ursprünglich sogar 80 Minuten lang, wird reden lassen. Vor dem Hintergrund der ORF live Übertragung natürlich eine tolle Werbemöglichkeit, die sich die SPÖ nicht entgehen lassen wollte. Erwartungsgemäß verteidigte der Landtagspräsident seinen Alleingang ohne dabei zu überzeugen und erteilte ausschließlich dem Landeshauptmann das Wort. Konfrontiert mit den leeren Sitzen der FPÖ-Abgeordneten, ging Dr. Kaiser auf den, seiner Meinung nach, der Politik und der Verantwortung nicht dienlichen Parlamentsauszug ein. In einem Nebensatz erinnerte sich Kaiser, dass er selber als Oppositionspolitiker nach der Angelobung des Landeshauptmannes sehr wohl auf dessen Ausführungen replizieren durfte. Auf das Redeverbot für die Abgeordneten ging er nicht konkret ein. Es hat Dr. Kaiser leider auch niemand gefragt, worin sich die aktuelle Blockadepolitik seiner Partei in Wien vom Auszug der FPÖ in Kärnten unterscheidet.

Nun, klar ist, die offen geäußerte Kritik der Medien und der „Siegermächte“ auf die Protestaktion der FPÖ-Fraktion, ist insgesamt ausschließlich an diese gerichtet. Den „unerfreulichen Vorfall“ und die „Provokation“, hat demnach die FPÖ allein zu verantworten – nicht die anderen Parteien und schon gar nicht der Landtagspräsident, dessen Verpflichtung es eigentlich ist, eine einvernehmliche Tagesordnung in der Präsidialkonferenz herbeizuführen. Man könnte also durchaus auch zum Schluss kommen, hier liegt eine Schuldverdrehung vor. Nicht die FPÖ hat diese „Stunksitzung“ herbeigeführt, sondern die, die den Abgeordneten in ihrem eigenen Haus „Hände falten, Goschn halten“ befohlen und sie somit an der Ausübung ihrer Pflichten gehindert haben. Erschütternd ist – und das zeugt insgesamt vom verlotterten Demokratieverständnis im Landtag, dass außer den FPÖ-Leuten nicht ein einziger Abgeordneter seine Stimme erhoben und sein Rederecht eingefordert hat. Wahrscheinlich ließe sich über dieses Thema vortrefflich juristisch diskutieren. Unbestritten ist, dass ein Auszug von Abgeordneten aus dem Parlament legitim ist, wenn sie dieses Mittel ergreifen wollen. Die Anwesenheitspflicht der Abgeordneten ist leider ein sehr dehnbarer Paragraph in der Geschäftsordnung. Ausgerechnet die 2. Landtagssitzung am 11. Mai, wo genau die Debatte zur Rede des Landeshauptmannes nachgeholt wurde, hat gezeigt, wie schlampig die Anwesenheitspflicht wahrgenommen wird. Es war regelrecht der Beweis dafür, dass die Debatte direkt nach der Rede des Landeshauptmannes am 13. April hätte stattfinden müssen, wo – dem Anlass geschuldet, ausnahmsweise alle Regierungsmitglieder und Abgeordneten anwesend waren. Selbst Landtagspräsident Rohr musste kleinlaut eingestehen, dass die unentschuldigte Abwesenheit von Regierungsmitgliedern nicht in Ordnung ist und er sie „bitten“ wird, in Zukunft der Geschäftsordnung Folge zu leisten.

Freiheitlicher Landtagsklub verlässt die Landtagssitzung wegen Redeverbot.
Bild: Sabrina Staudacher/FPÖ

Die Gelöbnisformel für Parlamentarier lautet: „Ich gelobe, für die Freiheit, den Bestand und die Wohlfahrt des Landes Kärnten und der Republik Österreich jederzeit einzutreten, die Gesetze des Landes und des Bundes getreu zu beachten und meine Pflichten nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen.“ Wenn die Haupttätigkeit der ins Parlament gewählten Personen die Parlamentsarbeit ist, dann fragt man sich als Bürger, warum gibt es für abwesende Mandatare keine Strafen? Warum ist eine Eröffnungsfeier wichtiger als die Anwesenheitspflicht im Parlament? Welcher Grund – außer Erkrankung – ist überhaupt wichtiger, als die hauptsächliche Verpflichtung, die für jeden anderen Dienstnehmer auch gültig ist? Vielleicht liegt es daran, dass die Abgeordneten das Gelöbnis nicht selbst sprechen müssen, sondern lediglich auf die Vorlesung mit den kurzen Worten „Ich gelobe“ antworten dürfen. Vielleicht sollte man einmal grundsätzlich hinterfragen, ob die Abgeordneten wegen der oberflächlichen Modalitäten den Wortlaut der Formel überhaupt vollständig verstanden und deren Sinn erfasst haben.

Der traumatische Vorwahlkampf im Jahre 2012 ist in Kärnten tief verinnerlicht. Vom andauernden „Tango Korrupti“ gebeutelt, konnte die FPÖ dennoch durch x-maligen Auszug aus dem Landtag die Neuwahl „schwuppti wupp“ verzögern. Erst im März 2013 konnte schließlich doch gewählt und neue Mehrheitsverhältnisse geschaffen werden. Schon damals war also klar, dass die Geschäftsordnung schwere Mängel aufweist. Die Parteien hätten zehn Jahre Zeit gehabt, parlamentsverträgliche Regeln zu schaffen. Sie haben es nicht getan und tun es jetzt nicht. Vielleicht weil sie das Spiel mit der zeitweiligen Abwesenheit am Arbeitsplatz selber ganz praktisch finden? Vielleicht weil Parteitermine wichtiger sind, als die Arbeitsverpflichtungen im Parlament? Sicher ist, ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert – insbesondere von einem Abgeordneten Gehalt inklusive „Nebeneinkünfte“. (PB)

Die Würde des Menschen

Text: Peter Baumgartner.

Das Österreichische Parlament, bzw. sein Präsident Wolfgang Sobotka, hat den deutschen Interview-Inquisitor Michel Friedmann als Gastredner zur Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in das Parlament eingeladen.

Podiumsdiskussion mit Michel Friedman Deutsch-französischer Jurist und Philosoph, Rebekka Salzer ORF, Linda Erker Zeithistorikerin, Leiter des Fotoarchivs von Yad Vashem Jonathan Matthews , Direktorin der KZ-Gedenkstätte Mauthausen Barbara Glück  Bild: Parlamentsdirektion / Thomas Topf

Der 5. Mai 2023, es sollte ein würdiges Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus und an die Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen werden. Auch die Gedenkstätte Gusen wurde gebührend thematisiert. Und man wollte die Gelegenheit wahrnehmen, angesichts besorgniserregender Zahlen, den gemeinsamen Kampf gegen Rassismus und antidemokratisches Gedankengut einzufordern. Einen Schönheitsfehler hatte die Veranstaltung jedoch schon vor der ersten Wortmeldung: Der Bundeskanzler glänzte durch Abwesenheit, weil er eine gesellige Veranstaltung dem wichtigen Termin im Parlament vorzog. Bundespräsident Van der Bellen fand es auch angenehmer, bei der Krönungsveranstaltung in London dabei zu sein, um mit anderen Gästen „ein bissl ratschen“ zu können.

Trotz Vakanz der Staatsspitze, begann im vollen Saal der Bundesversammlung zunächst eine würdevolle, vom ORF live übertragene Veranstaltung. Die Stimmung kippte jedoch, als Michel Friedman im Sesselkreis Platz nahm. Mit sichtbarer Freude nützte er das wirkmächtige Auditorium, um „einer Partei“ im Parlament die demokratische Legitimität abzusprechen. Demokratisch gewählt ist noch nicht demokratisch, gab Friedman Nachhilfe in Sachen Parlamentarismus und diskriminierte die FPÖ, ohne sie beim Namen zu nennen, pauschal als undemokratisch. Friedman verwies auf „diese“ Partei, die die Menschenwürde missachtet. Überhaupt, so Friedman, habe er Zweifel, dass das Österreichische Parlament glaubwürdig ist. Für seine Verurteilung des Österreichischen Parlamentarismus entete Friedman – tosenden Applaus! Mehrfach sogar! Friedman wurde seiner Rolle wieder voll gerecht. Er konnte vor einer breitest möglichen Öffentlichkeit, den „Antidemokraten“ im Österreichische Parlament so richtig genüsslich die Leviten lesen. Niemand stand auf, niemand verließ den Saal und niemand protestierte. Auch die zahlreich anwesenden Abgeordneten und Regierungsmitglieder blieben starr auf ihren Sitzen kleben. Manche hatten zwar schon einen etwas betretenen Gesichtsausdruck, aber eher so, als hätte ihnen der Geschichtelehrer gerade ihre Hausaufgabe um die Ohren geschmissen.

Die Frage ist, was hat sich Sobotka bei der Einladung an Friedman gedacht? Er musste ja wie jeder andere auch erwarten, dass dieser Scharfrichter von Gottes Gnaden keine Rücksicht auf irgendwelche Regeln nimmt, wenn es ihm darum geht, seine eigene Botschaft zu verbreiten. Bekannt für seinen inquisitorischen und moralisierenden Interviewstil, hat er noch nie eine Gelegenheit ausgelassen, seiner Eitelkeit Gehör zu verschaffen. Nicht umsonst hieß sein TV-Auftritt in Deutschland „Vorsicht! Friedmann“. Sobotka musste also wissen, wenn Friedman vom „Wert der Menschen“ spricht, er eher an Georg Kreisslers Lied denkt, wo dieser vorrechnet, „denn rein chemisch g’sprochen ist der samt den Knochen vierzig Schilling wert“. Mit der Menschenwürde im Sinne der Grundrechte, hatte Friedman noch nie etwas am Hut. Jedenfalls nicht, wenn er seine Delinquenten in den Interviews verbal massakrierte.

Sobotka musste auch wissen, dass sein Gast als Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, im Zuge einer Ermittlung gegen einen polnisch-ukrainischen Menschenhändlerring wegen Drogenkonsum zufällig aufgeflogen und rechtskräftig verurteilt wurde. Bekannt, aber aus welchen Gründen auch immer, nicht juristisch verfolgt, wurde in diesem Zusammenhang sein Umgang mit ukrainischen Zwangsprostituierten, die ihm zugetrieben wurden. Entschuldigt und Fehler eingestanden, hat Friedman gewohnt wortreich nur seinen Drogenkonsum. Bei den Opfern, hat er sich jedoch nicht entschuldigt. Jedenfalls ist eine Satisfaktion öffentlich nicht überliefert. Und so einer hat die Respektlosigkeit, im Parlament George Tabori zu zitieren und „Jeder ist jemand“ einzufordern. Zum Glück wurden wenigstens seine „Geschäftspartner“, die Menschenhändler, gefasst und bestraft, bei denen Friedman Kunde war. Soviel zu seinem Verständnis von Respekt und Menschenwürde. Die wohl genaueste Beschreibung der Friedmann-Entschuldigung lieferte folgerichtig der Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo („zu genau berechnet“) und eine der schärfsten Kritik kam vom jüdischen Journalisten und Autor Henryk M. Broder („Schmierentheater“). Jedenfalls gilt Friedman’s „Entschuldigung“ nunmehr als Lehrbeispiel bei jedem Rhetorikkurs, wo es darum geht, wie bekommt man den Kopf unbeschadet aus der Schlinge, wenn man in einem argen Schlamassel steckt.

Dankesworte des geehrten Holocaustüberlebenden –
Holocaustüberlebender, KZ-Gusen Stanisław Zalewski
„Wir leben so lange, so lange die leben, die sich an uns erinnern“.
„Der Mensch soll dem anderen Menschen ein Mensch sein“.
Bild: Parlamentsdirektion / Thomas Topf

Bleibt noch die Frage, wie haben die Medien auf den Auftritt des wieder erwachten Gladiators der Rhetorik reagiert und wie haben sie Sobotkas „Gastfreundlichkeit“ interpretiert? Und an dieser Stelle wird auch die Motivation Sobotkas zur Einladung deutlich sichtbar: Im Bestreben die gefürchtete FPÖ zu verhindern, alles zu unternehmen, damit sie nicht in Regierungsverantwortung kommt, dafür ist jedes Mittel recht und dafür haben die „Parteien der Mitte“ jede mediale Unterstützung. Da wird sogar über alle Parteigrenzen hinweg und quer durch alle Redaktionsstuben in Kauf genommen, dass ein „Gast“ im Sitzungssaal der höchsten Staatsvertretung dem Österreichischen Parlament die Glaubwürdigkeit abspricht. Was immer Präsident Sobotka mit dieser Veranstaltung erreichen wollte, die FPÖ wird er so nicht los. Im Gegenteil. Dafür hat er seine Kritiker bestärkt, die da der Meinung sind, dass er sein übergeordnetes Amt im Parlament, ständig für Parteiinteressen missbraucht. (PB)

Robin Hood, König der Steuerbetrüger

Text: Peter Baumgartner.

Bei immer mehr „Diskussionsbeiträgen“ sieht man sich genötigt nachsichtig zu denken, lass‘ sie reden. Grenzdebilen soll man nicht widersprechen. Aber oft geht das einfach nicht, weil die, die man gerne ausblenden würde, nur den Anschein einer intelligenzbefreiten Person vortäuschen und nicht selten an entscheidenden Schlüsselpositionen stehen.

Spätmittelalterliche Wegelagerer haben mit heutigen Politikern sehr viel gemeinsam

Wie zum Beispiel unser Vizekanzler Werner Kogler. Solche Leute, bzw. deren öffentlich geäußerte Meinung zu ignorieren, ist auch nicht gscheit. „Ich bin Werner Kogler und ich bin für eine Millionärssteuer für Millionenerben!“ Jene, die riesige Vermögen erben, „zahlen genau nichts! NULL, NIENTE, NADA“, so tönt es durch den willfährigen Medienwald. Man kann jedoch davon ausgehen, dass auch der Herr Kogler weiß, normalerweise wird in Österreich jeder verdiente Euro besteuert – manche sogar mehrfach und nicht zu gering. Folglich ist auch ein Vermögen, egal in welcher Höhe, bevor es vererbt wird, schon mal versteuert worden. Der Erblasser hat also Steuern gezahlt. Herr Kogler möchte dennoch vom bereits versteuerten Nachlass, über das geltende Erbschaftssteuerrecht hinaus, nochmals abkassieren. Wenn dieser Herr Kogler also nicht vollkommen neben der Spur steht, was treibt ihn dann an? Ich habe eine Vermutung, aber dazu später. Fakt ist, Koglers Ansinnen ist inhaltlich falsch. Außer, Herr Kogler geht davon aus, dass der Erblasser für das Vermögen, dass er angehäuft hat, nie Steuern gezahlt hat. Dass das oft der Fall ist, davon kann man ausgehen. Barbara Blaha vom Momentum Institut nennt das „legalen Steuerraub“. Der Staat steht quasi Schmiere, wenn bestimmte Bürger eben diesen Staat ausrauben. Wenn das jedoch so ist und Herr Kogler kann das glaubhaft machen, dann ist der Gesetzgeber säumig und sollte die Schlupflöcher schleunigst schließen (manche Millionäre betteln sogar darum). Oder der Erblasser ist ein Steuerbetrüger. Auch das soll schon vorgekommen sein. Dann hat die Justiz Handlungsbedarf. In beiden Fällen darf man von einem Regierungsmitglied die richtige Reaktion erwarten und nicht irgendwelche klassenkämpferischen Parolen.

Ganz praktisch ist es immer, wenn man zur Untermauerung eigener Meinungen, auch eigene Umfrageergebnisse zur Hand hat.

Ähnlich verhält es sich mit dem zweiten Teil von Koglers öffentlicher Meinungsäußerung. Die „Beute“ aus seiner Straßenräuberei will er nämlich an jene verteilen, die viel leisten, aber wenig verdienen. Zur Erinnerung, all das kommt von einem Regierungsmitglied und nicht von einem dahergelaufenen, selbsternannten Robin Hood. Obwohl, im Verein mit der Arbeiterkammer und mit der Gewerkschaft würde Kogler ein perfektes Bild von den „Fröhlichen Gefährten“ abgeben, die im Sherwood Forest ihr Unwesen treiben. Fakt ist – und soweit hat Kogler Recht, viele Berufsgruppen sind sauschlecht bezahlt. Jedoch, ihnen mehr zu geben, indem man es von anderen klaut, ist falsch. Die Regierung und die Sozialpartner haben andere, bessere Schrauben, an den die drehen könnten. Fakt ist, dass in Österreich die „Sozialpartner“ bestimmen, was ein Arbeitnehmer verdienen darf. Sie sind es auch, die einen gesetzlichen Mindestlohn mit Vehemenz verhindern, weil sie dann ihre Existenzberechtigung verlieren würden. Die Sozialpartner sind jedenfalls die Adressaten von Koglers Kritik und dort, wo der Bund und die Länder Arbeitgeber sind, kann er sich der Herr Beamtenminister gleich selber an der Nase fassen.

Wenn ein Schiff strandet, merkt auch ein dummer Kapitän, dass die Crew fehlt. Quelle. Peter Baumgartner

Wenn Herr Kogler also zusammenfassend ein Problem im Bereich der Geldverteilung sieht – und das ist garantiert der Fall, dann liegt das einerseits an der Regierung die nicht willens, oder nicht in der Lage ist, Gesetze zu schaffen, damit erstens jeder seine Steuern zahlt und jene bestraft werden, die Steuern hinterziehen. Und zweitens fehlen die gesellschaftspolitischen Grundsätze, damit all jene die es möchten, zu Wohlstand kommen können. Anderseits liegt die Verantwortung am Desaster bei jenen, die sich ihre Existenzberechtigung als „Unterhändler“ verfassungsrechtlich haben absichern lassen und somit für ihre Misswirtschaft nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden können. „Die Lohnpolitik der Sozialpartner hebt die Kaufkraft“, frohlockt die Wirtschaftskammer. Um die „Kaufkraft“ geht es den Sozialpartnern, nicht um gerechten Lohn.

All das weiß der Herr Vizekanzler Kogler natürlich. Er ist ja nicht deppert. Deshalb ist es offensichtlich, wessen Interessen er mit seinem „Vorstoß“ bedienen möchte: Die der Selbstzweck-Sozialpartner, der Steuerbetrüger und der Steuer-Schlupfloch-Akrobaten. Nebenbei macht er sich bauernschlau als Narodniki in der eigenen Partei noch ein wenig beliebter, wenn er den klassenkämpferischen Ton anschlägt und so der FPÖ für ein paar Tage die Mikrophon Hoheit aus der Hand reißt.