Die Zeit drängt

Text: Peter Baumgartner.

Es ist erstaunlich, dass ausgerechnet die Wirtschaftspartei ÖVP mit dem kostbaren Gut Zeit andauernd so inflationär umgeht, als hätte sie die Ewigkeit gepachtet und die Vergänglichkeit außer Kraft gesetzt.

Allegorie Nehammer / Quelle: Christina Baumgartner. In Anlehnung an eine Allegorie von Tizian kann man festhalten, dass die Zeit für jedes Geschöpf – auch für Politikerinnen, begrenzt ist. Deshalb ist jedes Geschöpf gut beraten, mit dieser kostbaren Handelsware Zeit ökonomisch und sorgsam umzugehen.

Wir erinnern uns noch daran, als der ÖVP-Klubobmann Andreas Kohl mit „Speed kills“ ein neues Regieren zum Dogma erklärt hat. Wen oder was er „töten“ wollte hat er zwar nicht genau formuliert, aber auf der Strecke blieben danach jedenfalls ein paar demokratische Grundregeln und zielsicher hat er das Vertrauen in die Politik eingestampft – vor weit über 20 Jahren, nicht erst heute. Kohls politischer Gegenspieler Heinz Fischer stellte mit Bedauern fest, dass „Speed kills“ als Drüberfahren wahrgenommen wurde. Tatsächlich kann man sich gegen solche Regierungswalzen mit demokratischen Mitteln kaum wehren. So blieb es der Justiz vorbehalten, gelegentlich die Reißleine zu ziehen und so manches Gesetz zurück an den Start zu schicken. Dass dadurch nicht nur viel demokratisches Porzellan zerschlagen, sondern auch wertvolle Zeit verplempert wurde, schadete zumindest Andreas Kohl überhaupt nicht. Im Gegenteil. Erst sein vernichtendes Wahlergebnis bei der Bundespräsident Wahl, brachte ihn Jahre später auf den Boden der Realität – was ihn und seine Gefolgschaft aber nicht daran hindert, weiterhin erfolgreich den Gscheidl zu mimen. Noch immer hängen Legionen von Politikerinnen (und Journalistinnen) an seinen Lippen. Selbst Kohls zweifelhaftes Verständnis zur Wahrheit („Wahrheit ist eine Tochter der Zeit“), scheint bereits allseits akzeptierte Realität zu sein. Allerding hat der römische Schriftsteller Aulus Gellius auch gesagt, „Mit der Zeit kommt die Wahrheit ans Licht“. Man muss es nur „daworten“ können…

Die ÖVP „husch-pfusch-Strategie“ wird jetzt mit grüner Assistenz fortgesetzt und findet sogar noch eine Steigerungsform. Zugutehalten kann man der jetzigen Regierung, dass sie auf einem Fundament von politischen Fehlentscheidungen steht und praktisch noch mit der Bauplatzsanierung beschäftigt sein müsste. Aber die Zeit drängt. Von Wahl zu Wahl wird das Wahlvolk unruhiger und Sympathiewerte kann man sich nicht kaufen. Das dürfte inzwischen im Bewusstsein aller Politikerinnen angekommen sein. Aber solange der Tagesbefehl „Hände falten, Goschn halten“ lautet, bleibt die kollektive Angst bestimmender Bremsklotz.

Herausragendes Beispiel, wie inflationär die ÖVP noch immer mit der Zeit umgeht, hat Bundeskanzler Nehammer „vorbildlich“ bei seiner Rede „Österreich2030“ demonstriert. Zur Information über seine Zukunftspläne, hat er im Zeitalter der Digitalisierung die gesamte Parteiführung des Landes und ein paar mehr nach Wien beordert. Und alle sind brav angetreten. Persönlich wollte er ihnen erzählen, was ihn beschäftigt und vielleicht in der nächsten Wahlperiode Handlungsmuster der Partei bestimmen könnte – vorausgesetzt er wird 2024 wiedergewählt. Es könnte aber auch bedeuten, er fühlt sich sowieso auserwählt und braucht sich mit dem künftigen Wahlergebnis folglich gar nicht auseinanderzusetzen. Die Summe der Botschaft war jedenfalls, der Zukunftsplan 2030 befindet sich in Ausarbeitung – geschmückt mit ein paar philosophischen Weisheiten (Wir sind Lernende). Man stelle sich vor, wie viele Mannstunden die Firma ÖVP für dieses „Projekt“ im vollen Bewusstsein des ökonomischen Wertes kalkuliert hat. Grob geschätzt muss es mindestens ein Personenjahr gewesen sein, dass da völlig umsonst „verwirtschaftet“ wurde. Hochgerechnet auf das in diesen Kreisen übliche Einkommen, wird einem schwindlig. Leisten können müssen sich so etwas nur die Steuerpflichtigen. Jede andere Firma wäre noch vor dem Ende der Veranstaltung pleite. Jeder Straßenkehrer hat ein besseres Betriebsergebnis. Um dieser Zeit- und Kostenverschwendung Einhalt zu gebieten, sollte das Wahlvolk für Politikerinnen zwingend die 40-Stunden-Woche (inkl. Reisezeit) einfordern. Dann könnten sie vielleicht weniger anstellen.

Aus der Vergangenheit lernen, heute klug handeln, damit man seine Handlungen nicht morgen schon bereut. So wollte Tizian wohl den klugen Umgang mit der Zeit verstanden wissen. Aber die Wahl der falschen Vorbilder ist auch eine Erscheinung der Zeit. (PB)

Grüne Philosophie

Text: Peter Baumgartner.

Bild : Peter Baumgartner

Diogenes wird mit einer schwachen Lampe heute wie damals vergeblich nach „Menschen“ suchen. Tatsächlich bräuchte er schon einen großen Suchscheinwerfer, der das Land bis in die hinterste Ecke auszuleuchten vermag.

Angesichts der ausufernden Dynamik des Kapitals, stellte der Philosoph Konrad Paul Liessmann 1996 die Frage, ob denn die Grünen ein Gegenpol zu dieser neuen Moderne sein könnten. Liessmann gab zu verstehen, dass dies für ihn zwar wünschenswert wäre, aber wohl nicht realistisch sei. Vielmehr werden weiterhin jene Parteien die Oberhand behalten, die wenigstens Kompetenzen suggerieren können.  Erst wenn die „lebenslangen Parteibindungen“ aufgegeben werden, sieht Liessmann eine Chance für die Grünen, abseits ihrer Stammklientel zu punkten.

Der philosophische Ratschlag Liessmanns zur grünen Programmatik, wonach ein ökologisches Steuersystem, das Naturverbrauch verteuert und menschliche Arbeitskraft verbilligt, ein tauglicher Schritt zum grünen Wahlerfolg sein könnte, hat sich bis heute jedoch noch nicht bewahrheitet. Im Gegenteil. Jetzt haben wir trotz und wegen der grünen Bewegung alles zur Potenz. Einen weiterhin ungebremsten und irrwitzigen Naturverbrauch, noch teurere Arbeitskraft und Chaos auf allen Ebenen der Gesellschaft. Angesichts der ausbleibenden grünen Wahlerfolge begibt sich Liessmann nun auf die Suche nach Erklärungen für das schlechte Abschneiden, zum Beispiel bei der Landtagswahl in Kärnten. Dabei wagt sich der etablierte Philosoph auf das Niveau von Meinungsforschern und stellt die gleiche falsche Frage wie diese, nämlich warum sich die Wählerinnen „falsch“ entschieden haben – obwohl grüne Themen gerade so wichtig sind.

Die Frage, die sich die Grünen und ihr philosophischer Berater aber stellen sollten lautet, was sie selber falsch gemacht haben. Dann würde man schnell zu den richtigen Antworten finden. Ein Sprichwort sagt bekanntlich, „Wer dumm fragt, bekommt dumme Antworten“. Anderseits wissen Mutter/Vater, dass es keine dummen Fragen gibt. Nur – „dumme“ Fragen immer wieder beantworten zu müssen, kostet Zeit. Zeit, die Eltern aufbringen müssen. Politikerinnen tun das nicht – sollten es aber. Und wenn Philosophen das tun was sie können, nämlich die „Liebe zur Weisheit“ vermitteln, hätten ihre Klienten gegenüber jenen, die nur auf Meinungsforscher hören, einen größeren Erfolg. Ausgestattet mit der notwendigen Weisheit und Weitsicht, würde jede Partei zu besseren Wahlergebnissen kommen.

In einem grünen Wahlprogramm müsste dann zum Beispiel stehen, dass es gar keinen Sinn macht, 100 km/h zu fordern und gleichzeitig weiterhin Autos zu bauen, die 250 km/h fahren können. Schon gar nicht, wenn die Geschwindigkeitsbegrenzung weiterhin unkontrolliert und nicht sanktioniert bleibt. Weitsichtige Wahlwerber würden erkennen, dass die Beendigung einer Abhängigkeit nicht gegen eine andere ausgetauscht werden soll. Und es würde Sinn machen, Boden nur dann vor der Versiegelung zu bewahren, wenn man gleichzeitig dessen Qualität nicht aus den Augen verliert.

Mit ganz wenig Weisheit ausgestattet würden Wahlwerberinnen auf den infantilen Werbespruch „Die Sonne schickt keine Rechnung“ verzichten und stattdessen dafür sorgen, dass Energie kein Spekulationsobjekt ist. Einen philosophischen Stups wird es schon brauchen um zu erkennen, dass es nicht ausreicht, nachhaltiges Wirtschaften zur fordern und gleichzeitig die uneingeschränkte Marktwirtschaft zu fördern.

Völlig sinnbefreit ist es, die Produktion von „Lebensmitteln“ zu erlauben, die diesen Namen gar nicht verdienen und sie dann auch noch vor dem Wegwerfen zu schützen. Geradezu absurd und jenseits jeder Weisheit ist es, den Schutz von Minderheiten jeglicher Art zu fordern und gleichzeitig den Wert der Familie als Keimzelle der Gesellschaft nicht über alles zu stellen. Ganz grundsätzlich und insbesondere auch was das Thema Umwelt- und Klimaschutz anbelangt, wird allein philosophischer Beistand nicht ausreichen um zu klären, was überhaupt die Aufgabe des Staates ist und was jede einzelne Person für sich und für die Gesellschaft zu leisten hat, wenn man auf „Heimatliebe“ Wert legt. Derzeit hat man in breiten Gesellschaftsschichten eher den Eindruck, es herrscht eine Oikophobie. Und all das ist noch längst nicht alles, womit sich eine alternative Bewegung – egal ob grün oder anders färbig, möglichst schleunigst beschäftigen sollte. (PB)

Landtagswahl Kärnten/Koroško – Moral Hazard

Text: Peter Baumgartner.

Die Mehrheit der Kärntner Wahlbevölkerung hat sich so entschieden, wie sie sich immer entscheidet, wenn schwerwiegende Folgen zu erwarten sind und rationales Denken angebracht wäre.

Volles Risiko! „Es weat schon nix passiern“. Aber es „passiert“ immer etwas. Ob es einst die SPÖ-Parteidiktatur war, Ortstafel aufstellen, Ortstafel abschrauben, das Hypo-Desaster, die Haider-Festspiele. Ein Landeshauptmann wurde sogar mit 45 Prozent gewählt, obwohl ihm vorher gerichtlich attestiert wurde, dass er seine Handlungen juristisch nicht einschätzen kann… Jede Wahlentscheidung in Kärnten geschah und geschieht aus einer irrationalen Versuchung. Diesmal führte die flächendeckend, koalitionär durchgeführte Subventions- und Fördergeldverteilung dazu, dass das Land in ein neuerliches Schuldendesaster schlittert und dennoch die (fast) volle Unterstützung der Wählerschaft hinter sich weiß.


Die Entscheidung für den „Kuriosen-Plakat-Award“, ist der Jury sehr schwergefallen.

Begleitet wurde der diesjährige Wahlkampf von einer wahrlich „speziellen“ Plakataktion, die eigentlich frühzeitig sensibilisieren hätte können. Hat sie aber nicht. Einige Besonderheiten haben das Potential für den „Kuriosen-Plakat-Award“ nominiert zu werden. Die besten Gewinnchancen hat vielleicht das Plakat eines Toten, der zur Wahl gestellt wurde. Allen Ernstes hat nämlich das Bündnis für Kärnten (BFK) Jörg Haider an die Wand gepickt. Ernste Konkurrenz konnte Jörg Haider von der Liste STARK erwarten, deren Kandidat Johann Ehmann zwar nicht tot, aber dennoch völlig unsichtbar war und ist. Quasi ein Wahl-Geist. Er hat im Wahlkampf jeden medialen Kontakt verweigert, obwohl seine Bewegung natürlich einen rechtmäßigen Kandidatenstatus hatte. Das logische Wahlergebnis traf dann auch ein – unter der Wahrnehmungsgrenze. Ein anderer weißer Fleck auf der Plakatwand ist rot – die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) mit Karin Peuker an der Spitze. Das dürftige Wahlergebnis – knapp an der Wahrnehmungsgrenze, spiegelt die Performance der Partei wieder. Seine Zielgruppe nicht enttäuscht, hat der FPÖ-Kandidat Erwin Angerer mit dem Versprechen „unsere Sprache zu sprechen“ (bei ins wird Deitsch gred‘). Tatsächlich getrauten sich Kandidatinnen nur vereinzelt den Namen „Koroško“ zu plakatieren, obwohl sonst gerne versucht wird, im slowenischen Teich zu fischen. Peter Kaiser von der SPÖ stellte seine Wählerschaft vor eine intellektuelle Herausforderung. Sie sollten offensichtlich den „echten“ Landeshauptmann wählen, wobei er wohl hoffte, dass allein seine Sympathiewerte und nicht die Parteiarbeit zählen werden. Das Minus von fast neun Prozent (!) deutet an, dass er seine Wähler überfordert hat. Jetzt muss er auf die Gnade seiner Mitbewerber hoffen. Was bei der System-Opposition kein Problem darstellen dürfte. Aus der Körpersprache kennt man die Bedeutung, wenn jemand den Kopf zur Seite neigt. Umgangssprachlich versteht man das auch als Versuch, die (zu geringe) Hirnsubstanz im Kopf auf einen Punkt zu fokussieren. Wenn man das auf das „Kopfstand-Plakat“ der Grünen Kandidatin Olga Voglauer ummünzt, ist es wahrscheinlich ein Testplakat. Für den Einzug in den Landtag hat es allerdings trotzdem nicht gereicht.

Wahlen setzen voraus, dass es unterschiedliche Entscheidungsmöglichkeiten gibt. Sonst wird aus dem Wahllokal ein „Legitimations-Lokal“.

Nicht gereicht hat es auch für den Anwalt und Listenführer der VISION ÖSTERREICH. Mit „Tatort: Politik“ beschrieb Alexander Todor-Kostic zwar die Realität entsprechend seiner juristischen Kompetenz, aber das verschreckte die Wählerschaft. Details will man in Kärnten nicht so genau wissen. Das macht nur Kopfweh. Deshalb hat auch er den Einzug in den Landtag deutlich verfehlt. Die ÖVP hatte mit dem „Kämpferherz“ Martin Gruber mehr Glück. Er blieb auch „standhaft“, als man sogar seine Plakate abfackelte. So konnte er wenigstens die Sinnlosigkeit von Wahlprognosen beweisen. Einmal mehr wurde nämlich klar, dass Meinungsforschungen „für die Fisch“ sind. Inhaltlich war die Gruber-Botschaft eher als Starrsinnigkeit und Beratungsresistenz zu verstehen und der leichte Zugewinn ist eine Bestätigung für Moral Hazard. „Wann, wenn nicht jetzt“, plakatierte Gerhard Köfer vom Team Kärnten. Durchaus als „Eure letzte Chance“, wollte er diese Botschaft wohl verstanden wissen. Immerhin hat der Kandidat schon einige Versuche hinter sich. Die Wählerschaft ergriff teilweise den Strohhalm und verdoppelte das Wahlergebnis. Dennoch blieb das Team Kärnten hinter den eigenen Erwartungen zurück. Dann gab es noch ein spezielles Plakat mit Tiefgang. Es stammt von den NEOS mit dem Frontmann Janos Juvan. Der Wunschkandidat der Bauindustrie setzte mit seinem Slogan voll auf „Leistung“ und nutzte jede Gelegenheit um zu erklären, wer für ihn Leistungsträger ist: Nur wer täglich aufsteht und malochen geht. Wer sich zu Hause um Haushalt und Familie kümmert, ist wertlos. Die Wählerschaft sah das mehrheitlich völlig anders. Sie fanden, eine Stimme für NEOS ist wertlos. Landtag klar verpasst. Die Bauindustrie wird das nicht weiters kränken. Sie kann sich eh noch auf die SPÖ verlassen.

Zusammenfassend kann man festhalten, dass mehr Parteien im Wahlkampf leider nicht automatisch einen demokratiepolitischen Zugewinn bedeuten. Vielmehr gibt es mehr vom Alten und eine Fortsetzung von Moral Hazard. (PB)

Warum kommen manche Parteien öfter vor als andere?

Diese Frage stellt die Kleine Zeitung in einem neuen Format, wo sie versucht, Fragen der Bürger umfassend zu beantworten. „Blick in den Newsroom“, heißt dieses Format und erhebt den hehren Anspruch, jede – auch unbequeme und kritische Frage zu beantworten. Keine kleine Herausforderung und schwer bis gar nicht erfüllbar wie man sieht, wenn man die Beantwortung dieser Frage Nummer 14 analysiert.

Mit den mächtigen Medien und mit Kleinparteien verhält es sich wie bei der biblischen Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus, der vor dem Palast „vor die Hunde gehen“ musste. Es mag für die Kleinparteien nur ein schwacher Trost sein zu wissen, dass es dem armen Lazarus nach dem Tod besser ergangen ist, als dem Reichen. Quelle: Cornelis Anthonisz/Rijks Museum Amsterdam

Eine der schwierigsten Herausforderungen für Journalistinnen mag wohl sein, in Wahrnehmung ihrer Aufgaben die notwendige Äquidistanz zu anderen Akteuren und anderen Aufgaben zu bewahren. Und es liegt auf der Hand, dass diese Problemstellung mit zunehmender Professionalität immer schwieriger zu meistern ist. Redakteurinnen, die schon lange im Geschäft sind, glauben wohl „alles besser zu wissen“, als die jeweiligen Gesprächspartner. Dann kann es schon mal passieren, dass Journalistinnen zum Beispiel flugs die Rolle eines Gesetzgebers übernehmen und gar nicht bemerken, dass sie ihr Spielfeld verlassen haben. Ein typisches Beispiel hat der stellvertretende Chefredakteur Thomas Cik bei der Beantwortung dieser Frage Nummer 14 abgeliefert.

Diese Frage, warum im Wahlkampf Kleinstparteien weniger bis gar nicht in der öffentlichen Berichterstattung vorkommen, war natürlich auch im Kärntner Landtagswahlkampf ein ständiges Thema. Und mit der Bereitschaft der Kleinen Zeitung diese Frage zu beantworten, signalisierte sie zunächst, dass es tatsächlich so ist. Kleine Parteien oder Neueinsteiger haben es sehr schwer, auf die mediale Bühne zu kommen. Wir erinnern uns noch an die letzte Bundespräsidenten-Wahl, wo die weibliche Außenseiterin von den Medien völlig ignoriert wurde. Das ist, um es grundsätzlich vorweg zu nehmen, demokratiepolitisch falsch. Man könnte es allerdings auch plausibel begründen, wenn Kandidaten es selber gar nicht wollen, oder sich zum Beispiel nicht an die allgemein gültigen Spielregeln halten können. Thomas Cik, für dessen Zeitung nach eigener Darstellung Demokratie und Rechtsstaatlichkeit „enorm wichtig“ ist, fand jedoch eine ganz andere Erklärung, warum er Wahlkandidatinnen von der Öffentlichkeit ausschließen würde. Wohlgemerkt, es geht nur um Kandidaten, die bereits zur Wahlteilnahme legitimiert sind und alle juristisch notwendigen Auflagen erfüllt haben. Das heißt, der Gesetzgeber hat diesen Leuten bereits einen Bescheid zugestellt: Ja, du hast die Erlaubnis zur Wahlteilnahme als Partei/Kandidatin. Und dann kommt der Herr Journalist und sagt, nix da. Du musst erst durch meinen Filter. Was der Gesetzgeber sagt ist seine Sache, ich bestimme ob das richtig oder falsch ist.

Wenn der Herr Cik zum Beispiel das Gefühl hat, ein rechtmäßiger Kandidat will „nur Krawall schüren“, oder die Demokratie „zerstören“, dann ist der aussortiert. Die Zeitung differenziert wie und in welchem Ausmaß berichtet wird. Das heißt, der Redakteur macht erst gar nicht den Versuch das zu machen, was er machen soll. Nämlich die richtigen Fragen stellen und allfällige demokratische Defizite aufzudecken. Nein, er übernimmt die Rolle des Richters und sagt: schweig. Dann sagt Herr Cik, er schaut sich auch inhaltlich an, was die Partei liefert und entscheidet, ob das für den Zuseher/Zuhörer „relevant“ ist. Er nimmt den Wählerinnen die Entscheidung ab oder will sie vielleicht gar bevormunden. So quasi, ich weiß schon, was gut für dich ist. Dennoch versichert der Chefredakteur, dass seine Zeitung verantwortungsbewusst handelt und dazu steht, dass in einer Demokratie Diskussion dazu gehört.

Mal davon abgesehen, dass dieses eigenwillige journalistische Verständnis immer nur Kleinstparteien benachteiligt, zeigt es doch deutlich, dass viele Journalistinnen – nicht nur der Herr Cik, offensichtlich ihren Beruf mit einem Theaterdarsteller verwechseln, der beliebig mal in die und mal in jene Rolle schlüpfen darf. Die Botschaft an alle Wahlwerberinnen ist klar: Ihr könnt euch den Bescheid von der Wahlbehörde sonst wohin stecken. Wer gewählt wird, bestimmt die Zeitung. Das ist Informations-Nudging mit dem Ziel, die Bürger beim Wahlverhalten zu „unterstützen“, sie zur „richtigen“ Entscheidung zu lenken. „Die Presse ist kein Ersatz für öffentliche Institutionen“, schrieb der Medienkritiker Walter Lippmann. Vielmehr gleicht sie einem Suchscheinwerfer, der bald die eine, bald die andere Episode aus dem Dunkel ans Licht bringt. Suchscheinwerfer sind in vielen Redaktionen leider bereits dem Sparstift zum Opfer gefallen. (PB)

Wirtschaft kann man wählen!

Text: Peter Baumgartner.

Eher als unmissverständliche Aufforderung und nicht als Alternative, will der Wirtschaftskammer Präsident von Kärnten den Slogan seiner Podiumsdiskussion mit den Kandidatinnen zur erst zweiten Landtagswahl in der noch jungen, österreichischen „Wahldemokratie“ verstanden wissen. Haben wir überhaupt eine Wahl im Sinne von Alternative?

Artig fanden sich die Vertreterinnen der Kärntner Landtagswahl in der Wirtschaftskammer zum „Verhör“ ein und nahmen „Aufträge“ freundlich dankend in Empfang. Quelle: Peter Baumgartner

Bei den anwesenden Parteienvertreterinnen (KPÖ, Bündnis für Kärnten und Liste Stark fehlten wie üblich) in der Podiumsdiskussion der Wirtschaftskammer Kärnten, ist die Botschaft jedenfalls angekommen. Sie legten sich mächtig ins Zeug und überboten sich gegenseitig in ihren Absichtserklärungen, was sie alles im Sinne der Wirtschaft zu tun gedenken, so sie in Regierungsverantwortung gewählt werden. Sogar die grüne Kandidatin konnte von den Wirtschaftsbossen einen Szenenapplaus einfahren, weil sie nahezu vollständig „auf Linie“ war. Erleichtert wurde den Kandidatinnen das Tribunal, indem man ihnen vorab den Fragenkatalog übermittelt hatte. Unerwartete oder „blöde“ Fragen blieben ihnen so erspart und sie konnten sich ganz auf den Kuschelkurs konzentrieren. So blieb die Stimmung entspannt und es gab kaum kritische Töne. Und wenn, dann nur vereinzelt unter den Kandidatinnen im Wettkampf um die Meinungshoheit.

Hört man bei solchen Diskussionen genau zu, erlebt man trotz der üblichen „alten Leier“, durchaus ein paar Schmankerl, die man sich merken kann. Garant für solche „Blüten“ ist der NEOS-Kandidat, dem in seinem jugendlichen Eifer gelegentlich die Pferterl durchgehen. Sein Lieblingsthema sind zum Beispiel die „Leistungsträger“. „Bist du jemand, der sich einsetzt und engagiert, jemand der für Arbeitsplätze sorgt? Oder bist du jemand, der einfach jeden Tag arbeiten geht? Dann bist du ein echter Leistungsträger!“ Mit dem Brustton der inneren Überzeugung gibt er so unverdrossen zu verstehen, wer sich zu Hause um die Kinder und Familie kümmert, ist nichts wert. Aber selbst damit können die NEOS bei den Wirtschaftstreibenden punkten, denn dort sind Legebatterien für Kinder eh attraktiver, als ein persönlicher Karriereknick. Fast schon belustigend ist die NEOS Freude über die Logistikerrungenschaft „Zollkorridor“ zwischen Triest und Villach. „Endlich kann jetzt die illegale Ware legal nach Kärnten kommen“. Das sagt viel darüber aus, was jemand unter „gesunder Wirtschaft“ versteht. An anderer Stelle hatte der Kandidat vom Team Kärnten einen durchaus überlegenswerten Vorschlag. Er stellte den Spargedanken zur Diskussion, ob man die überbordende Parteifinanzierung nicht eventuell an die Wahlbeteiligung koppeln könnte. Zu Ende gedacht, hätte damit der Wähler endlich ein probates Mittel in der Hand, die Parteien überhaupt abzuschaffen. Es macht nur demokratiepolitisch wenig Sinn. Einen eher spaßbefreiten Wahlspruch, verwendet auch die grüne Kandidatin sehr gerne: „Wind, Sonne und Wasser schicken keine (Energie)Rechnung“, flötet sie unverdrossen. Die würde sich wundern, wenn plötzlich alle Energiekunden die mit erneuerbarer Energie versorgt werden, ihre Rechnung an die Grünen weiterleiten. Ein Ende der überbordenden Bodenversiegelung, steht mehr oder weniger auf der Agenda jeder Partei und alle reden von „Bodenschutz“. Doch wozu man einen bereits vielfach versauten Boden schützen soll und warum es nicht schon egal ist, einen Boden zu versiegeln, der eh für nix mehr zu gebrauchen ist, das wird von allen geheim gehalten.

Anstandslos wurde der „Vorvertrag“ von den Politikern unterschrieben. Nur der Euro-Betrag wurde im Original – im Sinne von „nach oben offen“, frei gelassen. Quelle: Peter Baumgartner

Podiumsdiskussionen vor Wahlen sind, abgesehen von manchen sinnbefreiten Sprüchen, dennoch ein probates Mittel, um die Kandidatinnen quasi hautnah zu erleben. Abgesehen vom Vorteil, dass man dabei auch ihre Körpersprache mit den Wahlparolen in Verbindung setzen kann, bietet sich bei guter Organisation sogar die Möglichkeit konkrete Fragen zu stellen. Insgesamt also durchaus für beide Seiten, Wählerinnen und Kandidatinnen, ein Gewinn. Genützt wird dieses Format jedoch meist von Medien, die zwar mitunter mit Publikum, aber oft nur zwischen Journalistinnen/Kandidatinnen kommunizieren lassen. Exzessiv genutzt wird das Wahlkampfformat von der Wirtschaft, die in Kärnten gerade mal rund 37.000 (Unternehmerinnen)Wähler repräsentiert. Im Kärnten-Wahlkampf mussten die Parteien vor den Wirtschafts-Frauen, vor der jungen Wirtschaft und vor der allgemeinen Wirtschaft antanzen. Mehr noch, sie wurden sogar zu Versprechungen und Unterschriften „eingeladen“. Ausflüchte gab es da keine. „Auf den Zahn fühlen“, nannten es die Jung-Wirtschafter.

Am Ende übergab die Junge Wirtschaft den Parteienvertreterinnen ihre To-Do-Liste für die kommende Legislaturperiode. „Wir fordern unsere gewählten Vertreterinnen und Vertreter dazu auf, sich kompromisslos unserer ‚Mission Possible‘ anzuschließen“. Und alle nahmen das Taferl artig mit nach Hause. Quelle: SABINE BIEDERMANN PHOTOGRAPHY

Nicht weniger forsch, brachte die weibliche Wirtschaft ihre lange Forderungsliste auf die Bühne. Unmissverständlich machten sie den Politikerinnen klar, wer für Arbeitsplätze, Einkommen und Wohlstand im Lande zuständig ist und sie drohten, „wir sind noch lange nicht dort, wo wir sein sollen“. Irgendwie klingen die ultimativen Wirtschaftsforderungen allerdings wie die Wunschliste trotziger Kinder, die eigentlich eh schon alles haben. Schaut man sich die lange Liste der Wirtschaftshilfen in der vergangenen Regierungsperiode an, möchte man meinen, viel kann da von der Wunschliste nicht mehr offen sein. Jährlich wurden weit über 4.000 Unternehmen direkt gefördert. Es gibt eine Regionalcharta, einen Wirtschaftskonvent, eine Wirtschaftsombutsstelle, die sogar in der Landesregierung logieren darf. Zusätzlich gibt es einen Wirtschaftsbeirat. Es gibt Beratungsförderung. Es gibt Exportförderung. Es gibt wirtschaftsfreundliche Gesetze und es gibt eine hervorragende Infrastruktur dank öffentlicher Investitionen. Und erstaunlich ist, bei all den Forderungen gab es seitens der Politik noch nie eine einzige Gegenforderung und schon gar keine Kritik an wirtschaftlichen Versäumnissen. Und davon gab es mehr als genug. Lange dachte die Wirtschaft zum Beispiel, Fachkräfte wachsen auf Bäumen und hat sich die Ausbildungsverpflichtung erspart. Plötzlich sind alle überrascht, weil die einfachsten Handwerksaufgaben nicht mehr erfüllt werden können. Genauso ist der Klimawandel schon ewig drohende Gefahr für den Wirtschaftsstandort und trotzdem haben diese „Leistungsträger“ gewartet bis zur letzten Minute, um dann nach öffentlicher Hilfe zu schreien. Tatsächlich hat das Unternehmertum (nicht nur in Kärnten) eine Mutation, hin zum Fördernehmer vollzogen. In Wahrheit können viele „Unternehmer“ ohne Förderung nicht mal mehr eine Gartenhütte aufstellen.

Logisches Wahlergebnis am 5. März in Kärnten ist eine „System-Opposition“. Das komfortable „Mehrparteiensystem“ mit einer unechten Opposition hat sich schon bisher bewährt und läuft wie ein gut „geschmiertes“ System von ineinandergreifenden Zahnrädern. Quelle: Peter Baumgartner

Noch etwas ist im Zusammenhang mit der Landtagswahl erstaunlich: In Kärnten gibt es mehr als 400.000 Wahlberechtigte. Unternehmerwählerinnen sind also eine „Minderheit“ im Land. Die überwiegende Mehrheit der Wählerinnen nützt das Format einer Podiumsdiskussion nicht, oder kaum. Insbesondere gefordert sind die Sozialpartner AK, ÖGB, LWK und die mächtigen Pensionistenverbände. Sie alle überlassen die „Wahlschlacht“ den Medien und der Wirtschaft und bedauern dann das „falsche“ Ergebnis. Aber vielleicht gefallen sie sich in der komfortablen Rolle der Maden im Speck und es reicht ihnen, am 1. Mai zur rufen: „Mia Robatha miasn zsomholtn!“ (RED)

Are we human – Or are we dancers?

Text: Peter Baumgartner.

Wir pflügen und wir sähen den Samen in die Erde, doch Wachstum und Gedeih, das liegt in industrieller Hand. Quelle: Peter Baumgartner

Sind wir Menschen – Oder sind wir Tänzer, sang 2008 die amerikanische Rockband The Killers im Song Human. Mit kalten Händen und auf Knien suchten sie nach Antwort. Bis heute scheinen sie diese noch nicht gefunden zu haben.

Vermutlich hatten die Sänger einen Verdacht. Von human leitet sich bekanntlich der Begriff Humus für Erde ab und was wir Menschen mit unserem Erdboden, mit dem Humus anstellen, lässt keine Zweifel offen: Wir sind (Traum)Tänzer. Gleichzeitig führen wir eine Phantomdebatte, die vermeintlich ernsthaftes Bemühen um den Erdboden vorgaukelt. Tatsächlich machen wir aber genau das Gegenteil.

Offensichtlich wird das rund um die Diskussion der Bodenversiegelung, die wir (viel zu spät) bekämpfen müssen. Mittlerweile ist es schick, über die „böse“ Bodenversiegelung zu sprechen. Man zählt zu den Guten, wenn man freihändig über „Flächenfraß“ diskutieren kann und wer Häuslbauer sein möchte, wird schräg angeschaut. Ist der noch dicht? Weiß der nicht…? Hat der noch nie gehört…?

Sonderausstellungen werden kuratiert und endlose Work Shops abgehalten, damit wirklich jeder ein schlechtes Gewissen bekommt, wenn er/sie eine Hundehütte aufstellt und dadurch den Boden versiegelt. „Grundbuch statt Sparbuch“ ist schon fast so wie eine Selbstanzeige. Aber nur für das gemeine Volk. Das Chalet-Dorf in der guten Luft, das Ressort am See, die Autobahn auf den Privatberg und das „Forststraßennetz“ in der Eigenjagd, darüber soll möglichst nicht gesprochen werden. Die Zeitschrift „Furche“ ortet eine „Kampfzone“ in der Raumordnung. Im Detail wird über die Ursachen und Folgen der Versiegelung im „Hoheitsgebiet“ berichtet. Und das ist nur ein Medium von vielen, die auf das Thema aufgesprungen sind.

Die beste Bodenqualität ist dort, wo sie nicht gemessen wird. Quelle: Peter Baumgartner

In Kärnten war das Thema Boden sogar prominenter Wahlkampftaufreger. „Zukunft Lebensraum Kärnten – wie soll unser Land aussehen?“ Diese Frage wurde allen wahlwerbenden Parteien gestellt und wieder referierten alle ausführlich über den Bodenverbrauch. Wie am Jahrmarkt überboten sich die Parteien im Wettlauf mit dem besten Raumordnungskonzept. Die GRÜNEN haben sogar ein eigenes „Boden-Volksbegehren“ gestartet.

Ihr Ziel: Natürlich Flächenfraß und Chalet Dörfer stoppen und Bodenverbrauch rigoros regeln. Häuser sind für die GRÜNEN „dreidimensionale Aktien“ und daher pfui. Alle wollen eine mutige Boden-Politik – reduziert auf den Überbegriff „Landfraß“. Insofern könnte man meinen, alle ziehen am gleichen Strang und in die richtige Richtung. Aber die „Zugvögel“ kommen nicht vom Fleck. Es sind Traumtänzer. Fatal ist, diese Eindimensionalisten und Realitätsverweigerer sind nicht nur regional stark vertreten. Auch wenn man sich die überregionalen und internationalen „Bodenexperten“ anschaut, möchte man sich am liebsten „in der Erde verkriechen“.

Egal ob das „Jahr des Bodens“, die Bodencharta oder der Weltbodentag abgefeiert wird. Die notwendige Gesamtsicht auf das Thema fehlt immer. Dabei reden wir noch gar nicht davon, was die falsche Bodenpolitik für die Segregation und die Schaffung von Parallelgesellschaften mit all ihren traurigen Folgeerscheinungen bedeutet. Wir reden nicht davon, dass bei allen „Bodenthemen“ der Luftraum darüber und selbstverständlich auch der Wasserraum unbeachtet bleibt. Was aber ist ein unversiegelter Boden wert, wenn der Luftraum darüber tödlich ist und der Wasserkörper toxisch?

„It’s Not Easy Bein‘ Green“ – Es ist nicht leicht, grün zu sein. Bemitleidenswert dieser arme Frosch. Mit Schweinen hat er letztlich auch kein Glück gefunden. Quelle: Peter Baumgartner

Schlussendlich – und hier liegt wohl der dickste Hund begraben, wird mit Leidenschaft die Frage um die Bodenqualität ausgeklammert oder elegant umschifft. Wenn jedoch ein Boden mit Schwermetallen belastet und niemand bereit ist die Quelle der Belastungen zu beseitigen, wofür sollte man dann dennoch auf eine Versiegelung verzichten. Welchen Sinn hat es, ein „Boden-Volksbegehren“ zu inszenieren, dass sich gegen den Bodenfraß von vergifteten Böden richtet? Warum soll man einen Boden schützen, der ausschließlich die Lebensgrundlage der Pharmaindustrie absichert? Ist es nicht folgerichtig, einen Boden, der nur der Zementindustrie nützt, auch gleich zu überbauen? Selbst wenn die Bodenqualität bereits unter jeder Kritik liegt, sprechen wir von „bio“, nur weil wir keinen Giftdünger verwenden. Aber die Schwermetalle sind da wo sie sind und bleiben wo sie sind. Ohne Quellbeseitigung werden sie nur noch mehr – aber die Landwirtschaft bleibt dennoch „bio“. Ist Traumtänzerei da nicht die falsche Einordnung? Ist vielleicht Schizophrenie die treffendere Diagnose? Kermit, der Frosch aus der „Muppet Show“, würde jedenfalls sagen: „It’s Not Easy Bein‘ Green“. (PB)

Über die „eingeschränkte Denkzuständigkeit“

Bundespräsident Van der Bellen, ein Grüner, meint, es gibt keinen Grund besorgt zu sein. „Die Eleganz, die Schönheit unserer Bundesverfassung“ ist einzigartig. Juristen sehen das etwas differenzierter und Grundrechte hin oder her, die Kunst der Enteignung, oder „forcible acquisition by the Crown“, wie es auf Englisch heißt, hat auch in Österreich lange Tradition.

Der Denker-Club 1820, „Wie lange möchte uns das Denken wohl noch erlaubt sein?“ Anonyme Karikatur auf die Karlsbader Beschlüsse, Gemeinfrei

Die dunklen Flecken der Geschichte sind zwar noch längst nicht aufgearbeitet, aber das hindert den Staat jedoch nicht, sein Gewaltmonopol weiterhin wie eine kostbare Kulturpflanze zu hegen und zu pflegen, um reiche Ernte einfahren zu können. Unabhängig von der gegenwärtigen Geldpolitik, die von nicht wenigen Experten als kalte Enteignung bezeichnet wird, aus der jüngeren Geschichte in Österreich kennt man noch das von der Kreisky-Regierung 1974 erdachte Bodenbeschaffungsgesetz. Ein ehemals „sozialistisches“ Enteignungsgesetz, das gerade jetzt – nunmehr von „Sozialdemokraten“ in Kärnten, zu neuem Leben erweckt wurde. Und dann gibt es da noch das Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz.

Viel geredet wird darüber nicht und die Medien üben vornehme Zurückhaltung. Wenn die Staatsgewalt zuschlägt, dann kommt von den Medien maximal dann eine Meldung, wenn ein allzu eifriger Polizist hart durchgreift. Die subtile staatliche Machtausübung hingegen, ist ein gut geschütztes Recht und ein wohl gehütetes Geheimnis. Über Enteignungen von Grund und Boden gibt es zum Beispiel keine Statistik, obwohl sie täglich mehrfach stattfindet. 2020 hat die Juristin Fiona Aurelia List berichtet, dass allein in ihrer Kanzlei 170 Enteignungsfälle anhängig seien.

„Unzählige Vollmachten“, freute sich die Anwältin über gute Geschäfte, liegen bereits für die Zukunft vor. Wissen tun das allerdings nur die, die davon betroffen sind – und die sind dann meistens schon finanziell, aber sicher psychisch vernichtet. Öffentlich übrig bleibt nur die dümmliche Frage, woher kommt wohl die Politikverdrossenheit? Die staatliche Gewaltausübung bezieht sich jedoch nicht nur auf materielle Güter, sondern auch auf das Denken und Mitbestimmen. Auch hierbei leisten die Medien wirkmächtigen Vorschub. Wie das funktioniert, darüber hat Karl Steinbuch schon 1978 in seinem Buch „Die Enteignung unseres Denkens“ geschrieben.

Ein typisches Beispiel dessen, wurde vor wenigen Tagen beim 41. Hofgespräch der Bürgerinitiative „Initiative Zukunft Görtschitztal“ (IZG) thematisiert. Die kämpfen bekanntlich seit Jahren gegen ein „Krebsgeschwür“ im Tal. Jetzt geht es um eine sogenannte „eingeschränkte Denkzuständigkeit“, wie es der Kärntner Psychologe Ewald Krainz wissenschaftlich umschreibt.

Kurze Vorgeschichte: Die Kärntner Landesregierung hat einem Unternehmen per Bescheid umfangreiche Rodungen zum Rohstoffabbau gestattet. Wie üblich, kann man in einem Rechtsstaat gegen solche Bescheide Berufung einlegen und dann müssen Gerichte über die Wertigkeit von Einsprüchen entscheiden. In diesem Fall nahmen die Landesjuristen jedoch einen Trick in Anspruch, um diese lästigen Bürger in ihrem Mitbestimmungsrecht zu beschneiden.

Dieser staatliche Eingriff in das Mitbestimmungsrecht der Bürger lautet: „Die aufschiebende Wirkung einer gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde, ist ausgeschlossen.“ Das heißt, greift der Staat zu diesem Mittel, kann der Bürger sagen was er will, es hat keine Wirkung. Umgangssprachlich würde man sagen, „du kannst dich brausen gehen“. Begründet wird dies wie bei materiellen Enteignungen mit dem „öffentlichen Interesse“, mit „Interessen anderer Parteien“, oder „Gefahr in Verzug“.

In diesem Fall trifft, wie die Bürgerinitiative meint, keine Begründung zu. Durchsetzen kann sie ihre Auffassung jedoch nur noch gerichtlich und das tut sie auch. Am 13. März 2023 wird es beim Bundesverwaltungsgericht in Wien dazu eine (neuerliche) Verhandlung geben. Dem zuständigen Richter Günther Grassl fällt eine unangenehme Aufgabe zu. Ohne jedwede öffentliche Wahrnehmung, hat die noch im Amt befindliche SPÖ/ÖVP Landesregierung in Kärnten, ihre Juristen am 10. Jänner einstimmig ermächtigt, die Staatsgewalt zur Einschränkung der Mitbestimmung durchzusetzen. Das Urteil wird im Görtschitztal mit Spannung erwartet.

Die Medien interessieren sich derweil für den Villacher Fasching. „Es ist in die Luft zu gehen“, sagt die Bürgerinitiative und vergleicht ihre Machtlosigkeit mit einem Nackerten, der sich der Verbrecherbande aus Entenhausen gegenübersieht.

Von den beliebten Panzerknacker Geschichten ist die Comicgeschichte von der „Kohldampf-Insel“ in bleibender Erinnerung – und von aktueller Bedeutung. Darin jubeln die Panzerknacker: „Wir tun was uns gefällt! Heute gehört uns die Kohldampfinsel und morgen die ganze Welt!“ Aber auf der Insel lebt ein verrückter, alter Professor und der hat eine „Kampfmaschine“ entwickelt, weil er der Meinung ist, „es gibt schon so viele Herren der Welt und so wenig demütige Menschen“. Die Geschichte ist letztlich (fast) gut ausgegangen. Die „Kampfmaschine“ konnte Dagobert nichts anhaben, weil sein ganzer Körper von Goldstaub übersäht ist und als Schutzschild funktioniert…

Klima-Wahl versus Bürgerwahl

Text: Peter Baumgartner

„klimaNEUtral2040“, heißt eine neue hochkarätige Expertinnen Plattform in Kärnten. Der Name ist Programm. Die Plattform will die Gunst der Stunde nutzen und den wahlwerbenden Parteien in Kärnten einen Auftrag erteilen. Sie sollen die Landtagswahl in Kärnten am 5. März zur Klima-Wahl erheben. Der Wettlauf in der Klimapolitik ist längst auch ein Wettlauf um die Energiedemokratie. Zwei Konzepte, bei denen offensichtlich ganz unterschiedliche Spielregeln herrschen.

Vertreterinnen der Plattform „klimaNEUtral“, v.l.n.r.: Bernhard Reinitzhuber/S4F Kärnten, Erwin Mayer/Umweltökonom und Sprecher der Plattform, Viktoria Auer/Global2000, Lara Abyareh/FFF Kärnten, Jacqueline Jerney/ATTAC Kärnten, Martin Sattlegger/ÖBB-Bauingenieur u. Vizepräs. KAVÖ., Stefan Moidl/GF IG Windkraft. Foto: Peter Baumgartner

Die Ausgangslage ist bekannt: Das Klimaproblem ist angekommen und wächst täglich weiter. Die Heimaufgabe ist ebenfalls unumstritten: Wir alle müssen einen Beitrag leisten, um der Selbstzerstörung entgegenzuwirken und die Klimapolitik ist angehalten, die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Die To-do-Liste ist ebenfalls weitgehend unumstritten: Energie sparen und den Umstieg auf erneuerbare Energie vorantreiben. Auch die möglichen Schritte sind formuliert und auf ihre Wirksamkeit erforscht: Ausbau der Photovoltaik, der Windenergie, Optimierung der Wasserkraft, Geothermie, Fernwärme und natürlich die Errichtung der notwendigen Infrastruktur. Soweit ist also alles besprochen. Wozu braucht es dann eine neue Plattform, die die ganze Geschichte nochmals erzählt? Die Antwort ist wohl, weil die Experten der Meinung sind, es geht zu langsam, an wichtigen Schrauben wird gar nicht gedreht, die Reihenfolge stimmt nicht und manche Menschen brauchen tatsächlich noch etwas Nachhilfe, um den Handlungsbedarf zu erkennen. Insofern hat die konzentrierte Kompetenz der neuen Plattform „klimaNEUtral“ durchaus eine Berechtigung. Und ja, die Ziele, die von der neuen Landesregierung verfolgt werden sollen, finden bei der Wahl ihren Nährboden und können immer eine Feinabstimmung vertragen.

Bei all den guten und richtigen Zielsetzungen, die formuliert sind und getan werden müssen, damit wir – keinen Krieg vorausgesetzt, auch in Zukunft diesen Planeten halbwegs sicher bewohnen können, gerät allerdings die richtige Reihenfolge gelegentlich durcheinander. Einerseits mag das den persönlichen Prioritäten geschuldet sein, anderseits vergisst man im Trubel der Zwänge vielleicht auf die Besinnung und manche mögen u.U. lieber alles gleichzeitig erledigen. Tatsächlich scheint das auch durchaus das Gebot der Stunde zu sein, denn nicht wenige Experten sind der Meinung, wir haben keine Zeit mehr für bedächtiges Abarbeiten. Multitasking ist gefordert. Aber macht das Sinn? Angenommen wir erfüllen alle Aufgaben bis 2040, sind wir dann aus dem Schneider? Ein paar Beispiele:

Wenn es uns gelingt, alle fossilen Energieträger zu ersetzen und in absehbarer Zeit nur noch erneuerbare Energie einzusetzen, dann ist das super – aber nur dann, wenn sich dennoch jeder Bürger die Energie die er braucht, auch leisten kann. Wird das neoliberale System in der Energiepolitik (und Lohnpolitik) so fortgesetzt, wie wir es derzeit kennen, brauchen wir keine „saubere Energie“. Dann machen wir einfach weiter wie bisher, damit schneller Schluss ist. Lieber ein Ende mit Schrecken, als…

Ein anderes Beispiel: Gelingt es uns, den gesamten Güterverkehr auf die Bahn zu verlagern, ohne gleichzeitig alle Maßnahmen zu nutzen, um unnötigen Transport (Glumpert aus China) und insbesondere Leerfahrten zu vermeiden, dann können wir nach 2040 zusätzlich zu neuen Autobahnen acht-spurige Bahntrassen durch Kärnten und durch die EU bauen. Abgesehen davon, dass ohnehin jeder „Experte“ auf die Binnenschifffahrt vergisst und die Bahn als Allheilmittel betrachtet – ohne intelligente Nutzung aller Verkehrsträger, wird selbst das sauberste Verkehrsmittel zur Plage. „Künstliche Intelligenz“ ist zwar auch in der Transportwirtschaft angekommen, aber hauptsächlich um Fahrer und Fahrerinnen zu ersetzen. Und um LKW-Fahrer in die Irre zu führen.

Ein weiteres Beispiel, das auch von der neuen Plattform „klimaNEUtral“ unreflektiert transportiert wird, ist die „sinnvolle Fernwärme“. Eine segensreiche Energieform, die vermeintlich sowieso da ist und fast wie die Sonne, nur entsprechend genutzt werden muss. Ja – aber! In dieser Erzählung wird schlicht darauf vergessen, dass man das Land inzwischen mit unzähligen „Mitverbrennungsanlagen“ übersäht hat, wo nicht nur der „heimische Müll“ kostenpflichtig verwertet, sondern auch der importierte Müll, den Gott und die Welt verboten hat, verbrannt wird. Denn genau damit verdienen sich die „Mitverbrenner“ eine goldene Nase. Nicht mit ihrem angestammten Produkt (Zement, Faserplatten etc.). Müll ist das neue Gold. Die vordringliche Forderung an die wahlwerbenden Parteien müsste daher lauten, kein Importmüll und jede Verbrennung unter strengsten Auflagen (BAT/beste verfügbare Technik). Passiert das nicht und vielleicht gelingt es den Mitverbrennern sogar CO2 zu reduzieren, dann bleiben uns dennoch alle mit Schwermetallen verbundenen Probleme, die selbstverständlich „immer unter dem Grenzwert“ durch den Kamin gejagt, „unser schönes Land“ versauen (siehe HCB-Desaster Görtschitztal). Objektiv betrachtet sollte sich der Tourismus langsam die Frage stellen, ob man da oder dort anstatt Wandertourismus, nicht g‘scheiter Dark Tourism anbieten soll.

Jacqueline Jerney von attac Kärnten sagt, Energiedemokratie bedeutet eine demokratisch, ökologisch und sozial gestaltete Transformation unserer Energieversorgung. Gemeinnützigkeit vor Profit und Energie ist kein Spekulationsobjekt. Bild: Peter Baumgartner

Generell ist die unmissverständliche Information an die wahlwerbenden Parteien zu richten, wer nicht mit der impertinenten Praxis aufhört, Übergewinne zu fördern und sie dann teilweise gnädig wieder zu verteilen, hat sich selber disqualifiziert. Schlussendlich stellt sich die Frage, warum keine Expertin/Experte vor der Wahl zur Diskussion stellt, wieweit die Energiegrundversorgung überhaupt privatisiert werden soll. Wir meinen (noch), dass der ÖPV nicht (gänzlich) privat sein soll. Wir wollen das Trinkwasser als öffentliches Gut bewahren. Sicherheit, Bildung, ja selbst die Müllentsorgung soll dem Gemeinwohl dienen. Nur die Energieversorgung, namentlich die Grundversorgung für Wärme und Strom, wird zunehmend privatisiert. Selbstverständlich so, dass die Gewinne privat und Kosten beim Staat verbleiben. Spätesten seit der britischen „Erfahrung“ sollten wir aber wachsam genug sein und gerade vor Wahlen auf Phantomdebatten achten. Außer von ATTAC/Frau Jerney, gedenkt die hochrangige Expertenrunde „klimaNEUtral“ diesbezüglich eher wenig Forderungen an die Politik zu richten. Das ist schade, denn die Uhr tickt – auch für die demokratiepolitische Entwicklung. Daher sollten wir die Landtagswahl dabei belassen was sie ist – eine Bürgerwahl für Menschen, die genau darauf schauen, was die Kandidaten für die Umwelt und die Demokratie zu tun gedenken. (PB)

Es bewegt sich etwas auf dem Balkan

Text: Peter Baumgartner.

Die USA mit ihren Juroren aus der EU, veranstalten am Balkan eine Dancing Show mit einem „Friedenslimbo“. Dabei wird versucht, die Latte jeweils so hoch zu legen, dass jeder Tänzer möglichst leicht darunter durchkommt. Als Preisgeld winkt eine Clubkarte mit Bankomatfunktion.

 V.l.r.: Francesco Maria Talò, Emissär der italienischen Ministerpräsidentin; Emmanuel Bonne, diplomatischer Berater des franz. Präsidenten; Miroslav Lajčák, EU-Sonderbeauftragter für den Dialog zwischen Belgrad und Pristina und andere regionale Fragen des westlichen Balkans; Aleksandar Vučić, Präsident der Republik Serbien Gabriel Escobar, US-stellvertretender Staatssekretär für die Politik gegenüber den Ländern des westlichen Balkans; Jens Plötner, außen- und sicherheitspolitischer Berater des deutschen Bundeskanzlers. Bild: Gen. Sek. Predsednika Republike

„Unter Druck“, schreiben die Medien, bewegt sich etwas im Konflikt zwischen Serbien und Kosovo/Metochien. Tatsächlich setzen die US/EU-Unterhändler den Streitparteien „das Messer an den Kragen“. Die „Big Five“ in Brüssel, berichtet Vucic Ende Jänner nach dem Canossagang, hätten ihn vor die Wahl gestellt: Entweder er akzeptiert den vorgelegten Plan zur Konfliktbereinigung zwischen Belgrad und Pristina, oder er muss die Konsequenzen tragen. Was die freundlichen Juroren aus den USA, EU, Frankreich, Italien und Deutschland unter Konsequenzen verstehen, habe sie unmissverständlich erklärt, sagte Vucic. Wer nicht spurt, fliegt raus. Keine EU-Beitrittsperspektive mehr, Visumpflicht und ein Ende der Auslandsinvestitionen. Vucic hat die Sprache verstanden und ist Realist genug um zu begreifen, wer die Spielregeln bestimmt („ohne Europa sind wir aufgeschmissen“). Vucic, aber auch der Kosovare Kurti und alle anderen, die sich am EU-Bankomat mit Geld versorgen (wollen), stehen vor der Kommunaktionsaufgabe, wie man seinen Bürgern die „richtigen“ Werte verklickert. Mehr als 60 Prozent der ausländischen Investitionen am Balkan, landen in Serbien. Existenzbedrohung schaffte also die „Bewegung“, die angeblich von den Medien wahrgenommen wird. Das würde bedeuten, „willst du nicht mein Bruder sein, schlag ich dir den Schädel ein“. Ist das die sogenannte „Wertegemeinschaft“, auf der die EU aufgebaut ist? Nicht Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte, wie es vordergründig heißt, bilden sichtbar die Werte der EU ab, sondern Geld und die Drohung auf Isolation. Und diese „Sprache“ verstehen alle Länder in der EU.

Das Damoklesschwert schwebt über den geblendeten EU-Bürgern. Gemälde von Richard Westall (1765-1836), gemeinfrei

Die EU ist eine Art „Schutzgeldorganisation“, mit vertauschten Rollen. Man bekommt Geld aus Brüssel, wenn man den Hinterhof sauber (störungsfrei) hält. Abgesehen von der zweifelhaften „Verhandlungstaktik“ stellt sich noch die Frage, ob sich die westliche „Wertegemeinschaft“ überhaupt Gedanken über den nächsten Schachzug gemacht hat. Will man Serbien und/oder Kosovo bei Nichtannahme der Forderungen tatsächlich an China und Russland ausliefern? Kann man wirklich so blöd sein zu glauben, dass man mit Gewalt und Drohungen dauerhafte Lösungen erzwingen kann? Wie lange hat der „Frieden“ durch die völkerrechtlich zweifelhafte Bombardierung in Jugoslawien gedauert? Es hat eher den Anschein, dass ohnehin niemand irgendwo einen dauerhaften Frieden erwartet. Vielmehr werden immer nur einseitige Machtverhältnisse für einen mehr oder weniger langen Waffenstillstand durchgesetzt. Die Machtverhältnisse ändern sich aber so rasch, wie das Wetter am Balkan. Vielleicht hat aber auch jede Streitpartei eine andere Vorstellung von Frieden und es gibt dazu noch gar keine allgemein gültige Begriffserklärung. Außerdem schwebt über einer EU mit einer derart fragilen Wertevorstellung ein Damoklesschwert. Was, wenn die Bürger draufkommen, dass geliehene Macht und Reichtum vergängliche Werte sind, die nicht auf Dauer befriedigen, sondern Unterdrückung befördern? Was, wenn das Volk realisiert, dass der goldene Käfig eben auch nur ein Käfig ist, der die Freiheit und Unabhängigkeit des Individuums beschneidet und Despoten schützt? Vielleicht werden die solcherart geblendeten Bürger wie Damokles schnell genug die Kurve kratzen. Danach sieht es derzeit aber nicht aus. Noch sind die Verlockungen, Schmeicheleien und Versprechungen der EU zu mächtig, um den Günstlingen die Augen zu öffnen. Vielleicht werden sich aber ganz trivial – wie die Briten, „Mitglieder“ einfach davonstehlen, wenn sie sich die Taschen am europäischen Bankomaten gefüllt haben. (PB)

Aus Erfahrung nichts gelernt

Text: Peter Baumgartner

Sechzig Jahre und kein bisschen weise,
Aus gehabtem Schaden nichts gelernt.
Sechzig Jahre auf dem Weg zum Greise
Und doch sechzig Jahr‘ davon entfernt.  (Curd Jürgens)

Erste Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft, die weltweit größte Flussreederei wurde von einer sozialistischen Regierung in Österreich versenkt. Bild: IBBS

Als in den 1990er Jahren die 1829 gegründete Erste Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft (DDSG) am Altar der aufsteigenden Marktwirtschaft geopfert wurde, war es die vormals Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ), die ihre wirtschaftliche „Kompetenz“ unter Beweis stellen wollte. Seither kann man die rote Gesinnungsgenossenschaft als federführende Privatisierungsorganisation bezeichnet, deren Spuren sich tief bis in die untersten Gemeindestrukturen eingegraben haben.

Die damals noch verstaatlichte DDSG in „sozialistischer“ Hand, galt nicht wegen der SPÖ, sondern trotz SPÖ, als größte Flussreederei der Welt. Sie beschäftige 1000 Mitarbeiter, war zentrale Verkehrsinfrastruktur der österreichischen Stahlindustrie und stand touristisch auf einer Ebene mit den Salzburger Festspielen. Nebenbei war die DDSG schon immer das, was man heute als multikultureller, international tätiger Konzern von systemimmanenter Bedeutung bezeichnet würde. Aber das reichte den Sozialisten nicht, denn sie sahen hauptsächlich die jährlichen Subventionen, die in den parteipolitisch organisierten Strukturen der Reederei versickerten. Auch wenn der Subventionsbedarf der DDSG im Vergleich zu den heutigen „Förderungen“, die jede x-beliebige Gaunerfirma einsackt, nur Trinkgeld war, es passte nicht in das neue SPÖ Verständnis von Marktwirtschaft. „Mit einer rot-weiß-roten Flagge kann man kein Geld verdienen“, lautete die politische Devise. Also musste die DDSG unter tatkräftiger Mithilfe der Gewerkschaft und der Medien „versenkt“ werden. Ein gewisser Franz Vranitzky, heute noch SPÖ-Berater, war damals Kanzler. Für seinen „Parteifreund“ Hannes Androsch galt er als „entbehrlich“ und seine DDSG-Politik verglich Androsch mit dem Verschrotten des Riesenrades oder mit Leberkäs aus Lipizzanern machen. Assistiert wurde Vranitzky von seinem Parteikollegen und Finanzminister Ferdinand Lacina, dem wir auch die Abschaffung der Vermögenssteuer zu verdanken haben und der heute emsig für „Verteilungsgerechtigkeit“ wirbt.

Wiener Zeitung und Amtsblatt – Flaggschiff der österreichischen Medienlandschaft   Bild: Baumgartner

Einsager und medialer Einpeitscher war schon weiland bei der DDSG-Versenkung ein gewisser Herr Georg Wailand. Heute noch allwissender „Wirtschaftsexperte“ der Kronen Zeitung. Jener Kronen Zeitung, die sich jetzt vehement gegen die Versenkung der traditionellen Wiener Zeitung stemmt. Auch das Wirtschaftsblatt Die Presse fand, „der Staat kann sich die DDSG nicht leisten“ und Staatsbetriebe müssen endlich betriebswirtschaftlich geführt werden. Andere Medien witzelten vermeintlich intellektuell „Verluste ahoi!“, oder orteten gar eine „Schwimmende Kapuzinergruft“. Heute kämpfen sie alle Seite an Seite mit den Fördernehmern und verteilen harsche Schelte an den Staat, wenn „die Kohle“ des Steuerzahlers nicht rasch genug am Konto der (Sau)Wirtschaft ankommt. Selbstredend sind sie heute überdies allesamt der Meinung, die staatliche Medienförderung ist viel zu gering.

Vor diesem Hintergrund könnte man sich schadensfroh ins Fäustchen lachen, wenn es jetzt der 1703 gegründete Wiener Zeitung an den Kragen geht. Aber in Wahrheit geht es gar nicht um die älteste Zeitung. Im Gegenteil. Sie und ihre neuen Machthaber bekommen mehr Geld als je zuvor. Aber es werden halt die Machtverhältnisse neu verteilt und vor allem werden wesentliche Zugeständnisse und Einsparungen für die Wirtschaft durchgesetzt. Anders als bei der DDSG flattert aber die versammelte Intelligenzia des Staates wie aufgescheuchte Hühner durch die Medienlandschaft. Angeführt vom „erfahrenen“ SPÖ Urgestein Heinz Fischer, bricht regelrecht ein Donnerwetter über die ÖVP/GRÜNE „Totengräber“-Regierung hernieder, weil sich diese erlaubt das zu tun, was sie von der SPÖ gelernt hat. Aber genau wie bei der DDSG geht es wieder schlicht und ergreifend um die Verteilung des Familiensilbers unter Erhalt einer wertvollen, gewinnbringenden „Marke“, die erst vom Steuerzahler zu dem Wert gemacht wurde, den sie repräsentiert. Nutznießer werden wieder ein paar „Visionäre“ sein, die schamlos beim Steuerzahler in die Taschen greifen, weil sie ihrer eigenen Geschäftsfähigkeit nicht über den Weg trauen.

DDSG 1829  Bild: IBBS

Die „Marke“ DDSG gibt es heute in unterschiedlichen Prägungen noch immer. Ein Teil davon gehört (noch) einem ukrainischen Oligarchen, der in London seine Finanzgeschäfte betreibt. Für Österreich bleibt aktuell zu hoffen, dass die Ukraine den Krieg gewinnt, denn sonst weht womöglich bald die russische Fahne auf der Donau unter der Reichsbrücke. Betuchte Amerikaner, die einst auf dem Kreuzfahrtschiff THEODOR KÖRNER – „Stolz der DDSG“, reisten, fahren heute mit eigen Schiffen unter der Steueroasen-Flagge Schweiz durch Österreich und lassen großzügig ein paar Euro im Souvenirladen liegen. Aber die illustre Runde um den roten Heinzi will „jeden Zentimeter Boden verteidigen“, um die Wiener Zeitung zu retten. Dabei ist die Rettung der Wiener Zeitung im Gegensatz zur DDSG einfach. Es müssten nur alle Wiener Zeitung-Fans ein Abo abschließen – und lesen könnte auch nicht schaden.