Politikerin/Politiker – (Alp)Traumjob

Die Effizienz und Außenwirkung von Gemeinderatssitzungen ist begleitet von andauernder Kritik. Mal ist es eine „gefährliche Mischung aus Ignoranten und Langschläfern, mal eine „Farce der Extraklasse“. Oft ist dieser wichtige demokratische Eckpfeiler nur ein Podium für Geschnatter.  
Bild: Peter Baumgartner

Ein „riesiges Problem“, den Gemeinden fehlt es an politisch interessierten Menschen, wurde realisiert. Der Gemeindebund hat deshalb extra eine Studie mit dem Titel „Partizipation und Nachwuchsförderung in der Politik“ erstellen lassen und sich dabei auch die Frage gestellt, ob Bürgermeister ein „Traumjob“ ist. Vorweg, es kommt darauf an…

Als Auftraggeber wollte der Gemeindebund vordergründig offensichtlich die Bestätigung, dass die Gemeinden mehr (Spiel)Geld brauchen, dann wird sowieso alles gut. Und die Studienautorin sah eine Chance, wieder Frauenthemen in Diskussion zu bringen. Das ist immer legitim. Beide Erwartungshaltungen hat die Studie erfüllt. Doch zum Thema Mitarbeit und kommunale Nachwuchssorgen, hat man wohl die falschen Leute befragt – und/oder die falschen Fragen gestellt. Medial transportiert, hat Bürgermeister Scheider bei der Befragung den Vogel abgeschossen. Die „Politik“ wird in der Öffentlichkeit sehr negativ dargestellt, gab er zu Protokoll. Da verwechselt ausgerechnet Scheider wohl das Amt mit der Person. Außerdem, so der situationselastische Politiker, der bald alle Parteien selber durchwandert hat, braucht man eine „dicke Haut“. Das ist logisch. Wer kein Rückgrat hat… Gut, dass dann wenigstens eine dicke Haut vor kriechender Fortbewegung schützt. Mehrfach kritisiert wird der „zeitintensive Job“, der angeblich deshalb viele Nachwuchspolitiker abschreckt. Da ist tatsächlich Handlungsbedarf. Dahinter steht eine alte Bürgerforderung: 32 Wochenstunden für Politikerinnen sollte genug sein – dann könnten sie weniger anstellen. Das würde auch dem „Ohnmachtsgefühl“ von Olga Voglauer entgegenwirken. Außerdem, verwalten – nicht gestalten, dürfte ohnehin die politische Hauptbeschäftigung sein. Dafür sollten 32 Stunden reichen.

Der Fraktionszwang ist hingegen nur für wenige Spitzenpolitikerinnen ein Problem. Ohne Rückgrat fällt es offensichtlich nicht schwer, auch gleich die eigene Meinung (K-AGO § 28 (3) freies Mandat) beim Portier abzugeben. Geheimverhandlungen im Gemeindevorstand/Stadtrat stören die politische Kultur ebenfalls unwesentlich und sind kein Grund für mangelndes Politikinteresse. Ein desillusionierter Bürger hat das mit den in Unterweltkreisen beliebten Kartenspiel „Färbeln“ verglichen. Ob mit dem neuen Transparenzgesetz 2025 damit Schluss ist, wird sich erst zeigen. Die Erwartungshaltung sollte nicht zu groß sein, denn trotz zahlreicher Negativbeispiele, denkt niemand daran, in die Praxis der ausgegliederten Gemeindeunternehmen einzugreifen. Doch genau da liegt der Hund begraben. Deshalb ist der Föderalismus heiß umworbener „Partner“ der Wirtschaft. Wer wissen will, was im Gemeindebudget abläuft, welche Gehälter gezahlt werden und wer überhaupt tatsächlich die Geschicke einer Gemeinde leitet, der muss sich mit den zahlreich ausgegliederten Gesellschaften beschäftigen. Wer jedoch glaubt, dann endlich den ultimativen Durchblick im Gemeindeleben zu haben, wird enttäuscht. Da gibt es noch ein paar Vorfeldvereine, deren „Selbstständigkeit“ das Gemeindeleben am Gemeinderat vorbei bestimmen.

Mandatsträger geben ihre persönliche Meinung oft an der Gemeindegrenze ab. Das macht sie nicht beliebt, aber dafür genießen sie Artenschutz.
Bild: Peter Baumgartner

Nichts davon stört die befragten Politikerinnen in eingangs genannter Studie. Lästige Medien fallen in den Amtsstuben hingegen schon sehr auf und sie wirken negativ aufs Gemüt der Volksvertreter. Was man durchaus nachvollziehen kann, weil das Bild schief hängt, wenn der Vorletzte im Beliebtheitsranking dem Letzten ständig ausrichtet, was er falsch macht. Fazit? Bei diesem Job-Profil konzentriert sich das Interesse nur bei einer ganz bestimmten Bevölkerungsgruppe und Politikerin/Politiker wird immer weniger ein erstrebenswerter Traumjob. Trotzdem, die mit dem Bürgermeisteramt eng verbundene Unantastbarkeit, dürfte für manche Berufseinsteiger so verlockend sein, dass sie sich sogar nebenbei kommunale Aufgaben „antun“. Im Extremfall reicht nämlich ein „Ich stelle mein Amt ruhend“ oder ein „Ich trete (einen Schritt) zurück“ – bei fortlaufenden Bezügen, versteht sich. Und sollte es wider Erwarten doch zu einer Strafverfolgung kommen, ist „mangels Anfangsverdacht eingestellt“ statt eingesperrt so gut wie sicher. Insgesamt sehen wir die Demokratie in einem sanften Despotismus versinken. Welche selbstbestimmten Menschen können da noch den Wunsch verspüren, Politikerin/Politiker zu werden?

„Ich hab dem Mundl sein Bier gezahlt“

Text. Peter Baumgartner

Folgt man der Einschätzung des NRAbg. Dr. Alexander Van der Bellen aus 2006, dann ist der ORF ein ÖVP-Ministerium und seit 2021 bereits „klinisch tot“. Dann arbeiten am Küniglberg aber die bestbezahlten Totengräber der Welt.
Quelle: Peter Baumgartner

Erinnern Sie sich? So lautete eine der „lustigen“ ORF-Werbungen, mit der einst eine „emotionale Beziehung“ zum „Schwarzseher“ hergestellt werden sollte. Mit „Ich bin`s, dein Fernseher“, der eine „tolle Nachricht“ zu übermitteln hatte, hat man innovativ sogar die Künstliche Intelligenz vorweggenommen. Das war den Werbeexperten aber dann doch zu utopisch. Deshalb ließ man bald wieder „ganz normale Bürger“ erklären, warum sie „sooo gerne“ GIS-Gebühren bezahlen.

Damals war die GIS-Gebühr allerdings noch weitgehend ein Geschäft. Leistung gegen Bezahlung. Seit Jänner 2024 gilt die Zwangsabgabe. Auch die, die keine Leistung haben wollen, müssen zahlen. An sich eine typisch österreichische Spezialität, weil schon bisher fast alle Staatsbürger irgendwo/irgendwie Zwangsbeiträge abliefern müssen. Jetzt ist mit dem neuen ORF-Beitrag die Zwangsbeglückung fast schon flächendeckend eingeführt. Man hätte es auch Steuer oder Sondersteuer nennen können. Aber das passt nicht zum aktuellen Regierungsprogramm. Dort steht, „Mehr Netto vom Brutto“ soll übrigbleiben und das bedeutet übersetzt, jetzt bleibt den Bürgern mehr Geld für „Beiträge“ in der Tasche. Beitrag klingt außerdem viel freundlicher als Steuer und lässt sich leichter „anpassen“. Es riecht förmlich nach Blümchen-Freiwilligkeit. Fast schon wie christliche Nächstenliebe. Alle leisten einen kleinen Beitrag, ohne echte Erwartung auf Gegenleistung. Ein hervorragendes Konzept für künftige Steuereintreibungsprogramme. Man kann alle Steuern abschaffen und durch „nützliche Beiträge“ ersetzen. Fangen wir zum Beispiel mit „Cybercrime-Beitrag“, „Spekulanten-Beitrag“ oder mit einem „Banken-Beitrag“ an. Ziemlich sicher werden bald ein „Katastrophen-Beitrag“ und ein „Armutsbekämpfungs-Beitrag“ kommen. Nur 50 Cent am Tag/Person und wir könnten dem Klimawandel mit gestrecktem Mittelfinger tief in die Augen blicken. Ein gutes Gefühl! Nur Häfenbrüder- und Schwestern haben es noch besser, sie sind von allen Beiträgen befreit. Hypothetisch – käme der Renè B. ins Gefängnis, was nicht der Fall sein wird, könnte er gratis in den Medien seine Aktienkurse verfolgen, während ich für Andreas Gabalier Beiträge zahlen müsste. Der Weg zum ORF-Beitrag für alle ist jedoch – abgesehen von einer digitalen Bankrotterklärung, von gesellschaftspolitischen Leichen gepflastert. Auf der Strecke geblieben ist der Parlamentarismus, ein großes Stück vom Demokratiekuchen, das Vertrauen in die Politik sowieso, der Medienpluralismus und sogar ein Stück Gemeinschaftsrecht. Dafür hat sich Andreas Khols Hoffnung nach mehr als 20 Jahren endlich erfüllt: Es rinnen keine „roten Gfrießer“ mehr aus dem Fernseher, sondern grün/schwarzer Schleim.

Das ORF-Entlohnungssystem baut auf die Philosophie von Karl Marx auf: Arbeitskraft ist die Fähigkeit und Fertigkeit zu einer Arbeit, nicht die Arbeitsleistung bzw. die Arbeit selbst.
Foto: Friedrich Karl Wunder (1867), gemeinfrei

Diese grün/schwarze Schleimspur hat bei den Gagen-Kaisern am Künigelberg ein sagenhaftes Selbstbewusstsein hervorgerufen. Das nimmt schon Formen einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung an. „Sie werden zahlen, wenn auch mit Murren“, verspricht ORF-General Roland Weissmann gegenüber der Kleinen Zeitung, wo er bei der Gelegenheit auch gleich sein fürstliches Gehalt rechtfertigt und die Diskussion über „Neiddebatten“ abdreht. Tatsächlich ist die dem ORF auferlegte Verpflichtung, Spitzengehälter offen zu legen nur ein gut funktionierendes Ablenkungsmanöver. Was ändert sich durch die Offenlegung? Man muss kein Prophet sein um zu wissen, die neuen Regeln ändern Null. 832.353 Unterschriften 1964 geleistet, haben die grundsätzliche Diskussion bis heute nicht verändert. Außerdem geht es gar nicht um normale Gehälter, die da offengelegt werden müssen. Der ORF orientiert sich an die Auslegung von Karl Marx über die Arbeitskraft. Demnach richtet sich dessen Wert nach der „gewohnheitsmäßigen“ Lebensart. ORF Mitarbeiter bekommen demnach so etwas wie eine „Aufwandsentschädigung“. Im Gegensatz dazu, setzt Gehalt in der Regel eine mehr oder weniger persönliche Leistung voraus. Die nun von der Veröffentlichung betroffenen Personen müssen also keine Angst haben. Es wird keine Neiddebatte geben. Abscheu, Verachtung ja und vielleicht sogar Mitleid.

Die Kriegskassa wird sich jetzt durch die flächendeckende Beitragszahlung rasch füllen und dann kommt es auf ein paar exzessive Lebenskünstler, die durchgefüttert werden müssen, nicht an. Die (OBS)Gesellschaft hat ihre Betriebsführung zwar an den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit auszurichten und ist nicht auf Gewinn orientiert, wer das im weit verzweigten Firmengeflecht kontrollieren will, muss aber erst geboren werden. Wie beim österreichischen „Vorbild“ für Großpleiten, ist auch die ORF-Beitrags Service GmbH. ein kleines Rädchen im 12-Zylinder-Motor. Unzählige Verflechtungen und Verschachtelungen sorgen dafür, dass allfällige Kontrolleure schnell die Beißlust verlieren. Natürlich gibt es Aufsichtsräte und Geschäftsführer. Ziemlich viele sogar. Was ihre „Leistung“ ist, wird erst später zu beurteilen sein. Vorschusslorbeeren gilt es nicht zu verteilen, weil der erfahrene Geschäftsmann Hans-Peter Haselsteiner das Wirken von Aufsichtsräten und Geschäftsführern schon generell mit „Papiertigern“ verglichen hat, die nach dem Prinzip Hoffnung arbeiten. Die Erwartungshaltung ist also gering.

Quelle: Peter Baumgartner

Der ORF muss auch nichts und niemand fürchten. Er hat schon seit Jahrzehnten alle Kriegserklärungen abgewehrt. Volksbefragungen, Volksabstimmungen, Beschwerden, Petitionen, Initiativen. Egal von wem, von wo und in welcher Stärke. „Rotseher“ blieben immer auf der Strecke und räumten das Feld für einen siegreichen ORF. Warum das so ist und immer war, zeigt die jüngste Debatte um die Änderung des ORF-Gesetzes. Jede Partei wollte einen anderen ORF, aber niemand wollte auf den Zugriff der Medienmacht verzichten. Selbst die FPÖ, die sich als einzige Partei gegen eine personifizierte Zwangsgebühr ausgesprochen hat, will stattdessen eine Finanzierung über das Budget, was unter dem Strich gleichbedeutend mit Zwangsfinanzierung ist. Unter dem Strich bleibt so oder so „murren und (dem Mundl sein Bier) zahlen“. Genau wie es Weissmann angekündigt hat – „sie werden zahlen“. Der mit Riesenschritten voranschreitenden Künstlichen Intelligenz zum Trotz, wir bleiben konsequent bei der analogen „Kollektivschuld“. Zumindest was das Fußvolk anbelangt. Jemand, der auf seiner Adria-Yacht eine Entertainment Anlage installiert hat, um seine Gäste standesgemäß zu beglücken, muss natürlich keinen GIS-Beitrag zahlen. Die Oma in ihrer Einzimmerwohnung jedoch schon. „Die schweigende Mehrheit ist zufrieden“, meint der ÖVP-Mediensprecher und die paar Unzufriedenen sind nur ein „Grundrauschen“. Damit hat der gute Mann sogar Recht – wer schweigt, stimmt zu. Der Mediensprecher hat aber auch eindrucksvoll bestätigt: Als Nationalrat muss man nicht zwingend hören und sehen können. Es reicht blöd reden zu können.

Im wichtigsten Kampf aller Zeiten, wirft der ORF nochmals alles in die Schlacht. Sogar Daniela Kraus, die Generalsekretärin des Presseclubs Concordia, ist zur Verteidigung des ORF ausgerückt. Was oberflächlich betrachtet verwundert. Bei genauerem Hinsehen kann man aber die enge Verflechtung des ORF mit den Printmedien erkennen. Daher will Kraus eine „Schutzmauer“ für den ORF vor politischer Einflussnahme. Dabei gibt es doch gar keine politische Einflussnahme, wie von allen Seiten beteuert wird. Medienexperte Plaikner wiederum behauptet, die realen Köpfe des ORF heißen Medienministerin Susanne Raab und Kanzler Karl Nehammer. Wo liegt der Hund begraben? Egal. Lasst uns die Fakten anschauen: Der ORF ist das Leitmedium im Alpenland und er ist sehr wichtig für die Meinungsbildung, – sagt man. Außerdem ist er mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag eine tragende Säule der Demokratie. Darüber dürfte wohl einigermaßen Konsens herrschen. Doch wenn das so ist, dann hat der ORF auf allen Linien kläglich versagt. Die Gesellschaft ist gespalten, verunsichert, desinformiert und desillusioniert wie nie zuvor. Die Meinungsbildung hat man US-Konzernen überlassen und die Demokratie ist im Arsch. Man kann es leider nicht anders sagen. Die Erwartungshaltung an den ORF und an dessen selbst gesteckte Ziele, wurden nicht annähernd erreicht. Der „öffentliche Auftrag“ hat einen Scherbenhaufen produziert. Dafür gebührt kein Gehalt. Höchstens eine Aufwandsentschädigung – oder Schweigegeld.

PDF DRINGLICHER ANTRAG 29.6.2006, NRAbg. Dr. Alexander Van der Bellen, Sicherstellung der Unabhängigkeit und Objektivität des ORF

Kinder an die Macht!

Text: Peter Baumgartner

257. Sitzung des Nationalrates in der XXVII. Gesetzesperiode am 21.3.2024/Screenshot live

„Gebt den Kindern das Kommando“, hat Herbert Grönemeyer schon 1986 getextet. Doch der Musiker wollte das Lied als Hymne an die Unvoreingenommenheit von Kindern verstanden wissen. Nicht als Aufforderung für Ignoranz, Gleichgültigkeit, Pflichtvergessenheit, Nachlässigkeit und Tagträumerei.

Man kann die Arbeitsbedingungen für unsere Volksvertreterinnen im Parlament durchaus als luxuriös bezeichnen. Insbesondere seit dem Umbau ist das Parlament unbestritten der prunkvollste Arbeitsplatz, den man sich vorstellen kann. Dort arbeiten zu dürfen, ist an sich schon ein Privileg der Sonderklasse. Wahrscheinlich ist das den Menschen im Haus am Ring, die hinter den Kulissen arbeiten und danach trachten, dass die Demokratie funktioniert, durchaus bewusst. Jene 183 Abgeordnete, deren Job im Nationalrat es ist, die Regeln für eine funktionierende Demokratie zu machen, finden es offensichtlich mehrheitlich langweilig und als Bürde, die man halt auf sich nimmt, weil es gut bezahlt wird.

Wie für alle Arbeitnehmer, gibt es natürlich auch für Parlamentarierinnen Regeln und Vorschriften, deren Einhaltung Teil des Arbeitsvertrages sind. Dazu zählt zum Beispiel selbstverständlich Anwesenheitspflicht. Viele Mandatare nehmen das jedoch wörtlich und meinen, die physische Anwesenheit reicht vollkommen aus. Auch ein schlafender Mandatar ist demnach „anwesend“. Dafür gibt es rund 10.000 Euro aufs Konto. Neben der Anwesenheit sind Abgeordnete auch verpflichtet, die Bedeutung der Parlamentsdebatten zu respektieren und mit gebotener Aufmerksamkeit zu verfolgen. Immerhin, das Parlament steht als gesetzgebende Kraft im Zentrum der Demokratie. Die Abgeordneten des Nationalrates und die Mitglieder des Bundesrates haben bei der Ausübung ihres Mandats eine hohe Verantwortung und Vorbildfunktion. Doch, ist der Ruf erst mal ruiniert, lebt es sich ungeniert. Was da vor den Augen des Volkes abläuft ist Fassade, wird halt gemacht, weil man es so tut.

257. Sitzung des Nationalrates in der XXVII. Gesetzesperiode am 21.3.2024/Screenshot live

„Während der Sitzungen ist in den Sitzungssälen der Bundesversammlung, des Nationalrates, des Bundesrates oder von deren Ausschüssen, Unterausschüssen, Untersuchungsausschüssen sowie in Enqueten und Enquete-Kommissionen das Telefonieren mit Mobiltelefonen nicht gestattet“, heißt es in den verbindlichen Arbeitsregeln. „Es ist insbesondere alles zu vermeiden, wodurch die Arbeiten in den Parlamentsgebäuden gestört werden könnten.“ Logisch, wo nicht gearbeitet wird kann Arbeit durch nichts gestört werden. So oder ähnlich dürften die Mandatare die Regeln wohl auslegen. Da wird auch gar nicht telefoniert, aber alle anderen Mobilfunkmöglichkeiten werden ausgiebig ausgenutzt. Dazu gehört auch, dass man lustige Fotos vom Baby am Nationalratssitz macht – nur zur Erinnerung, oder um vermeintliche Sympathie für Grönemeyer zu demonstrieren? „Sie lieben das Chaos und räumen ab, kennen keine Rechte, keine Pflichten…“

Natürlich, man könnte auch froh sein über diese Zustände im Parlament. Andernorts liefern sich die Delegierten Boxkämpfe, kratzen und beißen. Oder sie applaudieren auf Kommando mit voller Hose. Da ist es allemal besser, wenn sich die volle Hose auf vereinzelt mitgeschleppte Babys im Plenum bezieht. „Wir werden in Grund und Boden gelacht, Kinder an die Macht“.

WELTWASSERTAG 2024, 22. März

Text: Peter Baumgartner

Wir „feiern“ wieder den WELTWASSERTAG – und machen am gleichen Tag weiter wie bisher.
Quelle: UN-Water

2030 ist für Österreich im globalen Einklang ein besonderes Datum. Bis dahin müssen teils existentielle Ziele erreicht werden. Hinsichtlich Weltklima und anderen „Baustellen“, drängt die Zeit und vielfacht wird schon eingestanden, wir werden die selbst gesteckten Ziele nicht erreichen. Aber, wir kommen „Soylent Green“ garantiert wieder ein Stück näher.

Es ist wie mit den Neujahrsvorsätzen. Man nimmt sich etwas vor und weiß gleichzeitig, eigentlich will man das Ziel gar nicht erreichen. Aber, man verspricht – wem immer auch, gute Absichten. Die allerersten Versprechungen waren wahrscheinlich die Einhaltung der 10 Gebote. Wir wissen, das funktioniert schon seit Jahrtausenden nicht und wird bis 2030 auch nicht annähernd erreicht werden. Aber, darauf kommt es wohl auch nicht an. Politische Vorsätze haben eher den Zweck der Selbstoptimierung, damit die Ausgangsposition für die nächste Wahl verbessert wird. Man kann und soll sich den idealen Zielen wenigstens verbal annähern. Anders als einfache Neujahrsvorsatz-Streber wissen Politiker natürlich genau, welche konträren Voraussetzungen ihren Vorsätzen entgegen stehen. Man lässt sich dennoch nicht beirren und um die Erwartungshaltung am Ende nicht erfüllen zu müssen, kann man sich später immer noch Ausreden einfallen lassen. Entscheidend ist also nicht, ob ein Ziel – zum Beispiel 2030, erreicht wird, sondern ob man es erreichen will.

Genau das ist in Kärnten nicht der Fall. Hier übt man sich mit gekreuzten Fingern am Rücken im Paarlauf mit GONGOs. Wohl wissend, dass man eh nicht in der Hölle, sondern höchstens am nächsten Parteitag landet. 2023, am SDG Dialogforum 3.0, wurde Kärnten als Leuchtturm in der bösen Welt zum Sieger ernannt, weil sich die neu gewählte Regierung ein Programm mit Fokus auf die Agenda 2030 und im Einklang mit den 17 Nachhaltigkeitszielen gegeben hat. Die plakative Absicht des Landeshauptmannes Dr. Peter Kaiser, wurde als „Signal“ für eine nachhaltige Entwicklung in Kärnten bewertet. Wohl gemerkt, nicht was die Landesregierung gemacht/nicht gemacht hat, sondern die Signalisierung was man zu tun gedenkt, wurde zum Sieger gekürt. Das ist so, wie wenn ein Formel-1 Rennfahrer bekundet Sieger werden zu wollen und dafür schon aufs Stockerl darf. Die eigens eingerichtete „Nachhaltigkeits Koordinatorinnen Konferenz“ (NHKK), ist zur Selbstbeweihräucherung ausgeschwärmt und verkündet bei jeder Gelegenheit ihre guten Vorsätze. Kärnten „wird seinen Beitrag zur nachhaltigen Welt leisten“ – so Kaisers vollmundiges Versprechen vor einem andächtig lauschenden Publikum. Der Festredner des Tages, Cornelius Obonya, brachte es schließlich trocken auf den Punkt: „Die politischen Aussagen stimmen mit den Handlungen nicht überein.“ Immer diese linken Künstler! Oder war es eine bestellte Kritik?

Quelle: UN-Water

Nun haben wir am 22. März wieder den „Weltwassertag“, der schon seit über zehn Jahren auf unterschiedliche Art die Bedeutung des Wassers für uns thematisiert. 2018, am Beginn der UN-Wasserdekade (2018-2028) hat Österreich amtlich erklärt, sich verstärkt um die Verringerung der Wasserverschmutzung durch Pharmazeutika und Mikroplastik kümmern zu wollen. Gleichzeitig hat Österreich versprochen, tatkräftig am Erreichen des SDG 6 mitzuwirken, weil sauberes Wasser nicht nur eine Frage von Leben und Tod ist, sondern auch ein Menschenrecht.

Abgesehen vom desaströsen globalen Zustand der Wasserfrage, was macht Österreich, was macht Kärnten und „stimmen die politischen Aussagen mit den Handlungen überein?“ Zunächst wird SDG 14 als „nicht relevant“ erachtet. Dabei geht es „nur“ um das Leben in Ozeanen und Meeren. Die haben wir nicht. Aber, obwohl der Einfluss der Binnenländer auf die Meeresumwelt unbestritten ist, wird das in Österreich trotzdem als „nicht relevant“ eingeordnet. Ungeachtet dessen, „Österreich setzt ein ambitioniertes Maßnahmenpaket zum Ausstieg aus Mikroplastik in Produkten um“ (FNU Freiwilliger Nationaler Bericht zur Umsetzung der Nachhaltigen Ent­wicklungsziele / SDGs-2020), wird behauptet. Eine absolut notwendige Maßnahme, die für SDG 6 und 14 gleichermaßen von Bedeutung ist. Nur die Realität schaut ganz anders aus. Der jüngste Gewässerbericht der Kärntner Landesregierung hat es bestätigt: Mikroplastik ist überall. Was macht die „ausgezeichnete“ Landesregierung? Sie nimmt den Bericht zur Kenntnis und ignoriert eine „Mikroplastikfabrik“ im Wasserschongebiet (Bild). Seit Jahren gibt es zudem ein Verzehrverbot für Fische, weil man der chemischen Wasserbelastung nicht Herr wird. Das mörderische PFAS-Problem ist noch nicht mal angekratzt. Molybdän zählt zum Hauptbestandteil der Erde. Nach dem Motto, was nicht gemessen wird, ist nicht da, ignoriert man seit Jahren die im Zusammenhang mit dem Grundwasser stehende Luft- und Bodenverschmutzung. Stattdessen sorgt die „Nachhaltigkeitsregierung“ im Verein mit „Schwachverständigen“ und im Interesse des „Standortes“ per Bescheid dafür, dass die Luft- und Bodenverschmutzung sogar noch beschleunigt wird (Speed-kills). Die immer wiederkehrenden Totschlagargumente gegen jeden Handlungsbedarf – keine Gefahr für Gesundheit und Umwelt, Grenzwerte werden nicht überschritten. Und sollten diese Standardformeln nicht mehr ausreichen, werden Fakten einfach in Zweifel gezogen und/oder Bürgern „kein Anrainerrecht“ attestiert. Selbst die Zivilgesellschaft, die der rettende Strohhalm sein sollte, ist längst nicht mehr auf zahlende und empathische Mitglieder angewiesen und handelt nicht mehr selbstermächtigt oder selbstorganisiert, sondern im Sinne hoheitlicher „Wünsche“. Dafür hängen sie an den stets prall gefüllten Zitzen der Fördertöpfe und können sich unbeschwert auf den Selbstzweck konzentrieren. Manche dürfen sogar ein Zipfelchen der politischen Macht nützen und ein „Mandat“ ausüben. Tatsächlich sehen wir mehrheitlich NGOs, die sich von GONGOs nicht mehr unterscheiden lassen.

Die „Mikroplastifabrik“ im Wasserschongebiet findet in Kärnten niemand bedenklich.
„Das ist Bioabfall“, meint ÖVP-Umweltstadtrat Walter Brunner.
Quelle: Peter Baumgartner/4.2.24

2020 hat Österreich seinen ersten FNU (Freiwilligen Nationalen Bericht zur Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele/SDGs) mit den schon bekannten Ergebnissen präsentiert: „Die politischen Aussagen stimmen nicht mit den Handlungen überein“. Beispiele:  Armut, Treibhausgase, Bildung, Versiegelung, Lebensmittelgesundheit usw., usw. Die Statistik ist gar nicht in der Lage, flächendeckend belastbare Aussagen zu treffen, weil es schlicht große Datenlücken gibt. Dennoch wurde der Bericht 2021 im Nationalrat einstimmig zur Kenntnis genommen und durch gewunken. Man sollte sich daher vom nächsten Bericht, der im Sommer dieses Jahres zu erwarten ist, nicht allzu viel versprechen. Sogar der Leiter des SDG-Österreich Büros, Thomas Alge, gibt zu Protokoll: „Wir sind noch weit von den Zielen entfernt“. Was aber schon sehr gut funktioniert und flächendeckend, bis hinunter in die Dorfjugend ausgerollt ist, ist die Instrumentalisierung der Jugend. Sediert von vermeintlichen Mitspracherechten und „Sponsorengeldern“, die unter dem Deckmantel der Gemeinschaft, jedes eigenständige Denken unterbinden, wird der Generationenauftrag konsequent fortgesetzt: „Macht euch die Erde untertan.“  Sollte sich doch eine jugendliche Selbstwahrnehmung bemerkbar machen wollen, wird sofort die „Klimaterroristen-Debatte“ durch die Medien getrieben. Sicher ist, wir sind „Soylent Green“ am Weltwassertag-2024 wieder ein gutes Stück näher gekommen.

Lupenreine Demokraten

Text: Peter Baumgartner

Nach dem Tod ihres Ehemannes durfte Julia Nawalnaja vor dem Europäischen Parlament sprechen und ihre Botschaft der Welt vortragen. Die Uhr im Saal zeigt 5 Minuten vor 12 für die Demokratie.  Screenshot/28.2.2024 Straßburg

Der Tod des russischen Regimekritikers Alexej Nawalny, veranlasst das Europäische Parlament zu einer eigens einberufenen Aussprache mit persönlicher Beteiligung der Ehefrau Julia Nawalnaja.

Große Bühne für Julia Nawalnaja im Europäischen Parlament. Empfangen von Präsidentin Roberta Metsola, durfte sie vor nahezu vollständig versammelter Mannschaft, ausführlich über den Kampf ihres Mannes, des verstorbenen Korruptionsbekämpfers Alexej Nawalny, berichten und ihrerseits Forderungen an die westliche Staatengemeinschaft stellen. Die Präsidentin und die Abgeordneten überboten sich förmlich in ihrer Beteuerung, jederzeit gegen Korruption eintreten zu wollen und die Demokratie zu verteidigen. „Wir alle sind Demokraten“ und auch der österreichische ÖVP-Abgeordnete Lukas Mandl verurteilte Putin scharf und honorierte überschwänglich Julia Nawalnajas Engagement. Es war eine machtvolle Demonstration und ein uneingeschränktes Bekenntnis zum europäischen Demokratieverständnis.

Thierry Breton, der Vater des seit 13 Jahren strafrechtlich verfolgten Journalisten Julian Assange, durfte schweigend in der letzten Reihe sitzen und der Aussprache eines stark ausgedünnten Plenums folgen. Screenshot/28.2.2024 Straßburg

Unmittelbar darauf folgte bei der Aussprache zur möglichen Auslieferung von Julian Assange aus GB in die USA genau das Gegenteil. Der Vater von Assange musste stillschweigend in den hinteren Rängen dem demokratiepolitischen Trauerspiel folgen – und er tat dies mit großer Geduld. Zwar gab es auch ein paar Rednerinnen die daran erinnerten, dass Assange genau wie Nawalny, gegen Korruption und für Demokratie gekämpft hat. Vor leeren Rängen und in Abwesenheit Österreichs, blieb am Ende allerdings nur die Feststellung des Kommissars Thierry Breton übrig: Der Fall Assange ist Sache der Gerichte, die EU wird sich da nicht einmischen. Nur der deutsche Abgeordnete Martin Sonneborn brachte das demokratiepolitische Trauerspiel auf den Punkt: „In Wahrheit geht gerade die Freiheit der EU in einer britischen 6 m2-Zelle zugrunde“. Europas Demokratieverständnis zeichnet sich durch eine „Geopolitische Demokratie“ aus. Insbesondere in Österreich entscheidet die europäische „Wertegemeinschaft“ situationselastisch, wo und wann Demokratie, Menschenrechte und Pressefreiheit erlaubt werden. Die EU und Österreich entscheiden individuell, wer in den Genuss demokratischer Rechte kommen darf. Das zeigt sich im Vergleich Nawalny/Assange ganz deutlich.

European Child Guarantee (ECG)

Text: Peter Baumgartner

Als orchestraler Ausdruck unserer „Wertegemeinschaft“, erklingt in der Europäischen Union „Alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt…“. Eine Feststellung? Ein Versprechen? Bestenfalls ist es eine Zielvorstellung. Eine Zielvorstellung, die Triebfeder der Gründungsverträge war – und wovon wir noch Lichtjahre entfernt sind.

Unionsweit sind fast 18 Millionen Kinder armutsgefährdet oder von sozialer Ausgrenzung bedroht. 2022 waren 24,7 % der Kinder in Europa von Armut bedroht. Mehr als ein Jahr zuvor (EU-SILC). Neu sind diese Zahlen nicht und wir reden noch gar nicht von den Gesamtzahlen. Doch 2021 gab es in der EU so etwas wie ein Aha-Erlebnis. Angesichts der steigenden Zahlen sah sich die Union genötigt, endlich die „sanften Flügel“ zu schwingen. Erstmals sollte eine Trendumkehr durchgesetzt und durch neue Impulse 5 Mio. Kinder aus der Armut geführt werden. Nicht sofort, bis 2030 – für den Anfang reichts. Österreich steht da natürlich nicht im Abseits. Immerhin spielt „eines der reichsten Länder“ im europäischen Armutsranking kräftig mit. 353.000 armutsgefährdete Kinder in Österreich sind „eine Schande“, sagt Landeshauptmann Peter Kaiser von Kärnten. Und seine Stellvertreterin Schaunig-Kandut, zuständig für Armutsbekämpfung, assistiert nach 10 Jahren Regierungsverantwortung: „Zwischen Kärnten und Wien stehen auf jedem Kilometer 1.100 Kinder, die armutsgefährdet sind.“ An den Kopfbahnhöfen dieser „Poverty line Austria“ steuert jeweils eine sozialdemokratische Regierung den Fahrplan. Unter deren lahmen Flügeln sitzen allein in Kärnten 17.000 arme Kinder. Jedes 5. Kind in Kärnten weiß, was „Toastbrot-Zeit“ bedeutet. Und damit ist Landeshauptmann Kaiser mit seiner politischen Verantwortung, die er nun auch schon seit mehr als 10 Jahren innehat, durchaus kein Musterschüler in Österreich. Im Gegenteil! Dennoch wurde Kaiser gerade zum Berichterstatter in der SEDEC-Arbeitsgruppe (Commission for Social Policy, Education, Employment, Research and Culture) für den EU-Kinderschutz gewählt. Ein Papiertiger, der nach 3-jähriger Startphase nun langsam in die Gänge kommt. Obwohl, die konkreten Grundlagen zur Armutsbekämpfung sind ohnehin hauptsächlich in den Nationalstaaten verankert. Kaisers Nominierung klingt zunächst überraschend, ist auf dem zweiten Blick aber logisch. Jemand mit so großer Armutserfahrung und Mitverantwortung, weiß jedenfalls wie Armut ausschaut. Anderseits besteht aber die große Gefahr, dass man den Bock zum Gärtner macht und dann wird schnell auch der Nachbargarten zur Armutswüste.

Vizepräsidentin der Europäischen Kommission für Demokratie und Demografie, Kommissarin Dubravka Suica bedankt sich bei Peter Kaiser „für unseren Austausch über die Bedeutung der lokalen und regionalen Behörden bei der Stärkung des Kinderschutzes.
Bild: Illias Teirlink

Aber „Rapporteuer of Commission SEDEC“ Peter Kaiser hat jetzt einen Plan. Flugs hat er sein Wüstengebiet zur Pilotregion erklärt, an jeder Ortstafel eine Zusatztafel mit „Gesunde Gemeinde“ angeschraubt und eigene Kinderschutzbeauftrage ausgebildet. Nach 10 Jahren „Regierungsarbeit“ kann Kaiser schon zweifelsfrei feststellen, „Kinder sind unsere Zukunft“ und die sollen nicht arm aufwachsen. Wer dafür sorgen soll, weiß Kaiser auch schon. Die EU soll zahlen und die Regionen mit den örtlichen sozialen Einrichtungen sorgen für die Zielsetzung – minus 5 Mio. arme Kinder bis 2030. Viel Vertrauen, was er da mit seiner bisherigen Performance einfordert. Zumal sich das Werkzeug nicht geändert hat. Gebt mir Geld, dann werde ich die Armut wie bisher bestmöglich verwalten, ist das unveränderte Angebot. Das ist auch die langjährige politische Strategie: Man muss die Menschen arm und bedürftig halten, damit sie strukturell für Wahlgeschenke, Förderungen, Beihilfen etc. dankbar sind und nicht verlernen, die Hand, die einen füttert, darf man nicht beißen. LAbg. Gerhard Köfer kritisierte 2023 anlässlich der Europapolitische Stunde zum Thema „Beste Chancen für alle Kinder in einem geeinten Europa“, den unüberschaubaren Förderdschungel bei gleichzeitig steigender Kinderarmut. Wie kann man etwas kritisieren, was genau so erfolgreiche Strategie ist?

Rapporteuer Peter Kaiser warb in Ancona für „frühe Hilfen“ in der Kinder Armutsbekämpfung.
v.li.: Marie-Cécile Rouillon, EU-Commission Coordinator for the rights of the child, Martina Rattinger, Leiterin VBB Kärnten in Brüssel, Landeshauptmann Peter Kaiser und FK-Sedec-Vorsitzende Tanya Hristova
Bild: Büro LH Kaiser

Unter diesen Umständen würde normalerweise niemand auf die Idee kommen, gescheiterte Lösungsansätze weiter zu fördern und freiwillig den Bock zum Gärtner zu machen. In der Politik passiert genau das tagtäglich. Warum das überhaupt möglich ist? Ganz einfach! Die Böcke machen die Böcke. Sie reproduzieren sich quasi fortlaufend. Inzwischen sind nur noch Böcke aktiv und Null-Bock-Wählerinnen haben nur die Wahl, entweder einen hohen Zaun um den eigenen Garten zu machen, oder selber zum Bock zu werden. Das Böckenförde-Diktum, quasi tägliches Brot jeder Politikerin und jedes Politikers, erklärt, warum es ohne Kinder keinen freiheitlichen Staat gibt. Aber genau diese „Grundlage“ lassen die Staatenlenker verkommen, verhungern, vergiften – oder gar auf dem Schlachtfeld erschießen. Bleibt am Ende die Frage: Warum schweigen die Lämmer?

Österreichs Medienpolitik fördert mehrheitlich Auslandsmedien

Text: Peter Baumgartner

Die Medien lassen sich instrumentalisieren und verhöhnen, sagt die erfahrene Chefredakteurin Antonia Gössinger. Und sie stellt fest, dass kritische Selbstreflektion für ihre Artgenossen offenbar eine Nullnummer ist.

Die Frage ist, merken die es nicht, machen sie es absichtlich – oder ist es ihnen gar egal? Einer, der solche Medien-Instrumentalisierungen inszeniert und sich selber als Journalist bezeichnen darf, freut sich diebisch über die manipulierbare Buchstabensuppe. Mehr noch, er macht sogar ein Geschäftsmodell daraus und zeigt auf, wie die Medien-Puppen an den Fäden tanzen. In der harschen Kritik an ihrer eigenen Zunft, lässt sich Gössingers tiefe Scham herauslesen. Wie ist es möglich, dass sich ein vermeintlicher Qualitätsjournalismus so vorführen lässt? Der Arbeitgeber der Medien-Instrumentalisierung, Sebastian Kurz, wurde von den Medien sogar mit dem „Freiheitspreis der Medien“ und als „Kommunikator der Freiheit“ ausgezeichnet. Psychologisch kann man das vielleicht noch als eine Art von Stockholm-Syndrom entschuldigen. Florian Klenk, ein medialer Leuchtturm, bezeichnet seine Kollegenschaft gar als „Mikrofonständer“ und Stenografen der Regierung (Dez. 2018). Armin Turnherr, der Falter Gründer, ortet bei vielen Medien in Österreich eine Hofberichterstattung die feudale Züge hat und zutiefst kapitalistisch ist. Sichtbarer Beleg dafür mag die Vernichtung der Qualitätszeitung „Wiener Zeitung“ sein. Es gibt Journalismus zum Genieren – wieder und immer noch, stellt Chefredakteur Walter Hämmerle in seiner Diagnose fest und leider zählt „Lügenpresse“ keineswegs allein zum Vokabular von Verschwörungstheoretikern. Politologe Peter Filzmaier kritisiert, dass Medien, was bei Wahlen natürlich ziemlich fatal ist, zweifelhafte Meinungsumfragen ungeprüft übernehmen und diese selbst dann verbreiten, wenn gegen alle Regeln verstoßen wurde. Verlagschef Horst Pirker plaudert aus dem Nähkästchen und verrät, dass es in Österreich drei Arten von enger Verzahnung zwischen Medien und Politik gibt. Eine Art hat Ähnlichkeit mit einem Schutzgeldsystem. Grande Dame Anneliese Rohrer meint, „Alles, was Journalistinnen brauchen, ist Courage und Rückgrat“. Und „Die Politiker sollten endlich aufhören, die Journalisten zu vereinnahmen, und umgekehrt sollten sich die Journalisten gegen eine solche Vereinnahmung zur Wehr setzen.“ Sichtbarer Beleg kommt vom Journalistinnen-Barometer: Das Verhältnis von Journalismus zur Politik hat sich für 40 % noch verschlechtert und die Selbsteinschätzung was das Berufsbild betrifft, beurteilen mehr als 71 % als negativ.

Was in Österreich um Medienförderung anstehen darf und tatsächlich üppig gefördert wird, ist reine Ressourcen Verschwendung. Schade um jeden Baum, der dafür gefällt werden musste. Quelle: Peter Baumgartner

Die Liste der Medienfachleute, die wenig Schmeichelhaftes über ihre Kolleginnen zu berichten haben, ist lang. Meist sind es Experten, die sich ihre Unabhängigkeit erarbeitet haben und deren Meinung, wenigstens zeitweise, öffentliche Anerkennung findet. Im Gegensatz zu den Schwaflern und Jammerern, haben sie sehr wohl gezeigt, dass man im Dickicht der Politik und Wirtschaft unabhängig bleiben und überleben kann. Für den Qualitätsjournalismus heißt das, ja es gibt ihn – aber man muss ihn suchen. Er ist jedenfalls nicht leicht zu finden und schon gar nicht da, wo man es erwarten würde. Es gibt aber auch Medienarbeiter, die offensichtlich mit ihrer Rolle aus unterschiedlichen Gründen unzufrieden sind und versuchen, selber Politik zu machen. Sie versuchen, wie es beispielsweise Richard David Precht und Harald Welzer in ihrem Buch beschreiben, Politiker vor sich her zu treiben. Heraus kommen Medien, die immer mächtiger werden und Medienkonsumenten wissen, wenn diese Zeitung eine Kampagne startet, rollen im Parlament die Köpfe. Das nennt sich dann „Mediokratie“ und trägt nicht etwa zur Demokratisierung bei, sondern zerstört das letzte Vertrauen in die Politik. Die Putsch-„Regierung“ und die Ministerinnen dieser Mediokratie sind namentlich bekannt und sie lebt nicht etwa von den glücklichen Abonnenten die sie so generieren, sondern fürstlich auf Kosten der Steuerzahler. Zu allem Überdruss gibt es noch eine Mischung aus allen unsäglichen Medienexperten, die man aber, um das vorwegzunehmen, nicht über einen Kamm scheren darf. Es sind jene Experten, wie eingangs erwähnt, die den Drehtür-Effekt nützen und dann ihre Kolleginnen vorführen, weil sie es können und weil sie in der komfortablen Position sind, Macht über ihre ex-Kolleginnen auszuüben. Meistens sind diese Typen, von Helmut Zilk einmal abgesehen, in ihrer neuen Rolle nicht sehr erfolgreich und auch sie tragen durch ihre „linke Tour“ nicht zu Demokratiesierung bei.

Der Kurt-Vorhofer-Preis und der Robert-Hochner-Preis soll die kritische Haltung gegenüber Machthabern auszeichnen – und wird vom VERBUND-Konzern finanziert. Ungeniert werden von den Medienvertretern große Namen ihrer Zunft vereinnahmt, der Industrie als Plattform zur Verfügung gestellt, damit diese einen medienwirksamen Auftritt bekommt. So werden verstorbene Vorbilder zum Zwecke der Selbstdarstellung „prostituiert“.
Foto: Peter Lechner/HBF

Vor wenigen Wochen wurde das neue Gesetz zur Förderung des „Qualitätsjournalismus“ beschlossen. Ob mehr Geld instrumentalisierte Medien verhindern und besseren Journalismus fördern kann? Es darf gezweifelt werden. Sonst hätte wenigsten bereits der Presserat, selber üppig gefördert, mit seiner Selbstreinigungskraft, längst regulierend eingreifen müssen. Aber ein falsches System mit noch mehr Geld zu füttern, ändert nichts am System. Das Problem liegt in der grundsätzlichen Förderpolitik. In Österreich werden falsche Entwicklungen nicht bestraft, sondern grundsätzlich selbstverständliches Verhalten belohnt. „Gibst du mir kein Geld, bin ich eben ein Lump und hau dir in die Fresse“. Das klingt – siehe Horst Pirker, nach Schutzgelderpressung. „Es geht bei der Medienförderung nicht um die Subvention einer notleidenden Branche, sondern um die Infrastruktur der Demokratie“, hat Prof. Karmasin gelehrt. Förderungen in Mikrophonständer oder in instrumentalisierte Medien, sind unter diesem Gesichtspunkt das genaue Gegenteil von Infrastrukturförderung. Einen unabhängigen Journalismus, Meinungs- und Pressefreiheit zu fordern, weil es die Verfassung so vorschreibt, macht nur dann Sinn, wenn man willens ist, diese Freiheiten auch zu leben. Die Medienförderung in Österreich erfüllt einen einzigen Zweck: Sie treibt ihre mündigen Kunden förmlich mit Gewalt in die Arme ausländischer Anbieter. Wer Pluralität und Meinungsvielfalt sucht, wird im österreichischen Medienmarkt nur bedingt fündig. Aber selbst die Suche nach ausländischen Zeitungen gestaltet sich in Österreich außerhalb vom Zentralbahnhof als schwierig. Schon in mittelgroßen Städten wird man maximal an einer Verkaufsstelle fündig. In kleinen Städten oder gar in Ortschaften, muss man mit dem regionalen Angebot das Auslangen finden. Grob geschätzt, müssen zwei Drittel der Österreicherinnen mit dem Einheitsbrei das Auslangen finden. Vielleicht ist diese Art der „Zensur“ Ausdruck einer Branchenangst die weiß, dass das Angebot die Nachfrage bestimmt.

Vom Hof auf den Tisch

Text: Peter Baumgartner

Zum Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Schnittlauchabkommen) reiste EU-Präsidentin Ursula von der Leyen im Dezember 2023 höchstpersönlich mit einer große Delegation nach Kenia, um mit Präsident William Ruto über den grünen Rasen zu schlendern.
Bild: Dati Bendo

„Farm to Fork“(F2F) lautet eine EU-Strategie, durch die Lebensmittel in Europa gesünder, als das jetzt der Fall ist, werden sollen. Das ist auch dringend notwendig, denn momentan lautet die Devise eher „Vom Hof ab ins Labor“(F2lab). Und das hat seine guten Gründe.

Die F2F-Strategie könnte derzeit lebensgefährlich sein. 60 – 70 Prozent der Böden in der EU sind nicht gesund, lautet die offizielle Diagnose. Deshalb will die EU bis 2050 wieder eine vollständige Bodengesundheit herbeiführen. Etwa durch die Halbierung des Pestizid Einsatzes schon bis 2030. Aber das ist noch eine Vision, die schon an der Sensibilisierung für das Thema scheitert und ein längst überfälliges Bodenüberwachungsgesetz verhindert. Europa ist nicht auf dem Weg, seine Bodenressourcen zu schützen (SOER 2020). Im Gegenteil. Die selbst gesteckten Verpflichtungen werden nicht eingehalten. „Das Fehlen einer geeigneten EU-Bodengesetzgebung trägt zur Bodenverschlechterung in Europa bei.“ Die Versäumnisse sind allerdings elefantös und schier unlösbar. Schätzungen zufolge sind in der EU fast 3 Mio. Flächen potenziell kontaminiert und davon müssen beinahe 390.000 saniert werden. Einige Flächen können wir auch in Kärnten dazu „beitragen“.

Es sind viele Chemikalien auf dem Markt, von denen nur ein kleiner Teil ausführlich auf Risiken untersucht wird.

Die „visionäre“ EU-Umweltpolitik hat zumindest gezeigt, dass sich die Gemeinschaft, anders als die Nationalstaaten, Gedanken über die gesunde Lebensmittelversorgung macht. Vielleicht mit ein Grund dafür, warum die EU-Präsidentin zum Beispiel sogar mit Kenia Handelsverträge abschließt. Von dort bekommen wir jetzt massenhaft Schnittlauch, den die Österreicherinnen so lieben. Ob der gesund ist, wissen wir natürlich nicht. Vergleich haben wir auch keinen, weil es kaum österreichischen Schnittlauch gibt. Die AGES, in Österreich zuständig für die Lebensmittelsicherheit, gibt auf Anfrage bekannt, man könne keine Details nennen. Aber man schaut eh gerade bei Importen aus Drittstaaten genau hin, um die Lebensmittelsicherheit bestmöglich garantieren zu können. Aber Rückstände aus Pflanzenschutzmitteln sind aus unterschiedlichen Gründen „häufig unvermeidlich“. Tatsächlich wurden beispielsweise 2023 bei einer Pestizid-Schwerpunktaktion 30 von 826 untersuchten Proben beanstandet. Schnittlauch war nicht im Untersuchungsprogramm. Im Nationalen Pestizide Kontrollbericht für 2021 wurde insgesamt eine deutliche Steigerung der Beanstandungen festgestellt und verschiedene Produkte als gesundheitsschädlich eingestuft. Ob Schnittlauch getestet wurde, lässt sich im Bericht nicht feststellen. Die europäische Lebensmittelbehörde EFSA verfasst zusammenfassende Berichte, die kleine Einblicke auf die Unionsebene bei den Lebensmitteluntersuchungen erlaubt. So wurden beispielsweise 2021 87.863 Lebensmittelproben auf Pestizidrückstände untersucht. Schnittlauch war nicht dabei. Und wenig beruhigend – wirklich „sauber“ waren nur 58,1 % der Proben.

Nicht nur die eigenwillige Preisgestaltung, auch die flächendeckende Invasion von exotischem Schnittlauch, ist ein österreichisches Spezifikum.
Bild: Peter Baumgartner

Schnittlauch könnte man zwar auch in Österreich massenhaft produzieren, weil es hier sehr namhafte Betriebe gibt, aber die „Gemüsehändler“ beschränken sich anscheinend bei manchen Produkten lieber auf den lukrativeren Handel. Dafür findet man ganzjährig beispielsweise Hanfprodukte aus heimischem Anbau im Handel (146.000 m2 Glashaus), aber fast nur exotischen Schnittlauch. Nicht nur aus Kenia, sondern auch aus Marokko, Israel und sogar aus Indien, landet Schnittlauch bei Spar und Co. Obwohl, es gibt auch einen „Kärntner Schnittlauch“. Aber da ist auch Vorsicht geboten, weil anscheinend Molybdän und Vanadium in Lebens- und Futtermitteln hierzulande ein unlösbares Problem sind. „Die Belastung in den Lebensmitteln aus dem Krappfeld sind trotz umfangreicher Maßnahmen (nach Jahren) nicht gesunken“, berichtet LAbg. Michael Maier/ÖVP (1.2.2024). LAbg. Erwin Baumann/FPÖ beruhigt, die Belastungen sind zwar vorhanden – aber alle unter dem Grenzwert. Der SPÖ Abgeordnete Ervin Hukarevic kann der skurrilen Situation sogar etwas Positives abgewinnen: Die verursachende Privatwirtschaft hilft mit und zahlt einen (kleinen) Teil des 2 Mio. Euro teuren Monitoring Programms. Wirklich großzügig! Ziel der (von der LRG eingesetzten) Forschungsgruppe ist es, Maßnahmen zu identifizieren, welche die Emissionen noch weiter verringern könnten (LPD 28.1.2023). Leider glänzt die Opposition wie die AGES in diesem Fall mit vornehmer Zurückhaltung und so ist es vielleicht besser, doch wieder auf Schnittlauch aus Kenia zurückzugreifen.

„Kärntner Schnittlauch“ ist zwar nur ein Minderheitsangebot, aber auch da ist Vorsicht geboten. Bild: Peter Baumgartner

Anderseits plagt einen angesichts der klaglosen Lieferung aus Kenia auch ein wenig das schlechte Gewissen, weil die Caritas dort Lebensmittelgutscheine verteilen muss, damit die Menschen nicht verhungern und die IPC-Klassifikation hat Millionen Afrikaner, auch aus Kenia, in der Ernährungsunsicherheit als gestresst eingestuft haben. Gut, nicht jeder wird in Österreich beim g‘schmackigen Schnittlauchbrot zum Frühstück gleich die konträren Bilder im Kopf haben. Es gibt ja auch fruchtbare Plantagen in Kenia. Dort werden die Einheimischen allerdings von modernen Kolonialisten ausbeutet und sogar erschossen, wenn sie ein paar Teeblätter klauen. An all das – und auch an den kenianischen Präsidenten, der bereits in Den Haag vor den Richtern stand, denkt man hierzulande beim Schnittlauchbrot am Frühstückstisch oder beim Heurigen nicht.

Vergleicht man das Bild mit dem Beitragsbild, muss man extra erläutern, dass sie im gleichen Land, zur gleichen Zeit die Realität beschreiben. Bild: Caritas-International

Was man sich aber schon fragt ist, warum eine heimische Genossenschaft mit 133 Gärtnern und 40.000 Tonnen Produktionsvolumen, mit Schnittlauch aus Indien handelt und sich trotzdem Regionalität auf die Fahnen schreibt. Mit ziemlicher Verwunderung nimmt man auch zur Kenntnis, dass ein landwirtschaftlicher Verein – eigentlich ein Konzern, mit 1000 Landwirtinnen und besten Anbaugebieten „leider nur getrockneten Schnittlauch“ verkauft. Und dann ist da noch das Kompetenzzentrum für Gemüse in Österreich schlechthin. Mit 3 Mio. Kunden täglich, ist sich der Betrieb nicht zu schade, nur Verpackungsstation für Schnittlauch aus Kenia zu spielen.

Derzeit wird wieder viel über die Lebensmittelkennzeichnung diskutiert und eine Ampel, der „Nutri-Score“, soll die Konsumentinnen bei der Kaufentscheidung unterstützen. Vielleicht sollte man darüber nachdenken, ob so eine „Ampel“ auch für Lebensmittelproduzenten Sinn machen würde…

Österreichs Medienpolitik fördert mehrheitlich Auslandsmedien

Text: Peter Baumgartner

Wer nicht „dumm sterben“ will, hat es in Österreich schwer zu einer Meinungsvielfalt zu kommen.
Quelle: Peter Baumgartner

Die Medien lassen sich instrumentalisieren und verhöhnen, sagt die erfahrene Chefredakteurin Antonia Gössinger. Und sie stellt fest, dass kritische Selbstreflektion für ihre Artgenossen offenbar eine Nullnummer ist.

Die Frage ist, merken die es nicht, machen sie es absichtlich – oder ist es ihnen gar egal? Einer, der solche Medien-Instrumentalisierungen inszeniert und sich selber als Journalist bezeichnen darf, freut sich diebisch über die manipulierbare Buchstabensuppe. Mehr noch, er macht sogar ein Geschäftsmodell daraus und zeigt auf, wie die Medien-Puppen an den Fäden tanzen. In der harschen Kritik an ihrer eigenen Zunft, lässt sich Gössingers tiefe Scham herauslesen. Wie ist es möglich, dass sich ein vermeintlicher Qualitätsjournalismus so vorführen lässt? Der Arbeitgeber der Medien-Instrumentalisierung, Sebastian Kurz, wurde von den Medien sogar mit dem „Freiheitspreis der Medien“ und als „Kommunikator der Freiheit“ ausgezeichnet. Psychologisch kann man das vielleicht noch als eine Art von Stockholm-Syndrom entschuldigen. Florian Klenk, ein medialer Leuchtturm, bezeichnet seine Kollegenschaft gar als „Mikrofonständer“ und Stenografen der Regierung (Dez. 2018). Armin Turnherr, der Falter Gründer, ortet bei vielen Medien in Österreich eine Hofberichterstattung die feudale Züge hat und zutiefst kapitalistisch ist. Sichtbarer Beleg dafür mag die Vernichtung der Qualitätszeitung „Wiener Zeitung“ sein. Es gibt Journalismus zum Genieren – wieder und immer noch, stellt Chefredakteur Walter Hämmerle in seiner Diagnose fest und leider zählt „Lügenpresse“ keineswegs allein zum Vokabular von Verschwörungstheoretikern. Politologe Peter Filzmaier kritisiert, dass Medien, was bei Wahlen natürlich ziemlich fatal ist, zweifelhafte Meinungsumfragen ungeprüft übernehmen und diese selbst dann verbreiten, wenn gegen alle Regeln verstoßen wurde. Verlagschef Horst Pirker plaudert aus dem Nähkästchen und verrät, dass es in Österreich drei Arten von enger Verzahnung zwischen Medien und Politik gibt. Eine Art hat Ähnlichkeit mit einem Schutzgeldsystem. Grande Dame Anneliese Rohrer meint, „Alles, was Journalistinnen brauchen, ist Courage und Rückgrat“. Und „Die Politiker:innen sollten endlich aufhören, die Journalist:innen zu vereinnahmen, und umgekehrt sollten sich die Journalist:innen gegen eine solche Vereinnahmung zur Wehr setzen.“ Sichtbarer Beleg kommt vom Journalistinnen-Barometer: Das Verhältnis von Journalismus zur Politik hat sich für 40 % noch verschlechtert und die Selbsteinschätzung was das Berufsbild betrifft, beurteilen mehr als 71 % als negativ.

Was in Österreich um Medienförderung anstehen darf und tatsächlich üppig gefördert wird, ist reine Ressourcen Verschwendung. Schade um jeden Baum, der dafür gefällt werden musste. Quelle: Peter Baumgartner

Die Liste der Medienfachleute, die wenig Schmeichelhaftes über ihre Kolleginnen zu berichten haben, ist lang. Meist sind es Experten, die sich ihre Unabhängigkeit erarbeitet haben und deren Meinung, wenigstens zeitweise, öffentliche Anerkennung findet. Im Gegensatz zu den Schwaflern und Jammerern, haben sie sehr wohl gezeigt, dass man im Dickicht der Politik und Wirtschaft unabhängig bleiben und überleben kann. Für den Qualitätsjournalismus heißt das, ja es gibt ihn – aber man muss ihn suchen. Er ist jedenfalls nicht leicht zu finden und schon gar nicht da, wo man es erwarten würde. Es gibt aber auch Medienarbeiter, die offensichtlich mit ihrer Rolle aus unterschiedlichen Gründen unzufrieden sind und versuchen, selber Politik zu machen. Sie versuchen, wie es beispielsweise Richard David Precht und Harald Welzer in ihrem Buch beschreiben, Politiker vor sich her zu treiben. Heraus kommen Medien, die immer mächtiger werden und Medienkonsumenten wissen, wenn diese Zeitung eine Kampagne startet, rollen im Parlament die Köpfe. Das nennt sich dann „Mediokratie“ und trägt nicht etwa zur Demokratisierung bei, sondern zerstört das letzte Vertrauen in die Politik. Die Putsch-„Regierung“ und die Ministerinnen dieser Mediokratie sind namentlich bekannt und sie lebt nicht etwa von den glücklichen Abonnenten die sie so generieren, sondern fürstlich auf Kosten der Steuerzahler. Zu allem Überdruss gibt es noch eine Mischung aus allen unsäglichen Medienexperten, die man aber, um das vorwegzunehmen, nicht über einen Kamm scheren darf. Es sind jene Experten, wie eingangs erwähnt, die den Drehtür-Effekt nützen und dann ihre Kolleginnen vorführen, weil sie es können und weil sie in der komfortablen Position sind, Macht über ihre ex-Kolleginnen auszuüben. Meistens sind diese Typen, von Helmut Zilk einmal abgesehen, in ihrer neuen Rolle nicht sehr erfolgreich und auch sie tragen durch ihre „linke Tour“ nicht zu Demokratiesierung bei.

Der Kurt-Vorhofer-Preis und der Robert-Hochner-Preis soll die kritische Haltung gegenüber Machthabern auszeichnen – und wird vom VERBUND-Konzern finanziert. Ungeniert werden von den Medienvertretern große Namen ihrer Zunft vereinnahmt, der Industrie als Plattform zur Verfügung gestellt, damit diese einen medienwirksamen Auftritt bekommt. So werden verstorbene Vorbilder zum Zwecke der Selbstdarstellung „prostituiert“.
Foto: Peter Lechner/HBF

Vor wenigen Wochen wurde das neue Gesetz zur Förderung des „Qualitätsjournalismus“ beschlossen. Ob mehr Geld instrumentalisierte Medien verhindern und besseren Journalismus fördern kann? Es darf gezweifelt werden. Sonst hätte wenigsten bereits der Presserat, selber üppig gefördert, mit seiner Selbstreinigungskraft, längst regulierend eingreifen müssen. Aber ein falsches System mit noch mehr Geld zu füttern, ändert nichts am System. Das Problem liegt in der grundsätzlichen Förderpolitik. In Österreich werden falsche Entwicklungen nicht bestraft, sondern grundsätzlich selbstverständliches Verhalten belohnt. „Gibst du mir kein Geld, bin ich eben ein Lump und hau dir in die Fresse“. Das klingt – siehe Horst Pirker, nach Schutzgelderpressung. „Es geht bei der Medienförderung nicht um die Subvention einer notleidenden Branche, sondern um die Infrastruktur der Demokratie“, hat Prof. Karmasin gelehrt. Förderungen in Mikrophonständer oder in instrumentalisierte Medien, sind unter diesem Gesichtspunkt das genaue Gegenteil von Infrastrukturförderung. Einen unabhängigen Journalismus, Meinungs- und Pressefreiheit zu fordern, weil es die Verfassung so vorschreibt, macht nur dann Sinn, wenn man willens ist, diese Freiheiten auch zu leben. Die Medienförderung in Österreich erfüllt einen einzigen Zweck: Sie treibt ihre mündigen Kunden förmlich mit Gewalt in die Arme ausländischer Anbieter. Wer Pluralität und Meinungsvielfalt sucht, wird im österreichischen Medienmarkt nur bedingt fündig. Aber selbst die Suche nach ausländischen Zeitungen gestaltet sich in Österreich außerhalb vom Zentralbahnhof als schwierig. Schon in mittelgroßen Städten wird man maximal an einer Verkaufsstelle fündig. In kleinen Städten oder gar in Ortschaften, muss man mit dem regionalen Angebot das Auslangen finden. Grob geschätzt, müssen zwei Drittel der Österreicherinnen mit dem Einheitsbrei das Auslangen finden. Vielleicht ist diese Art der „Zensur“ Ausdruck einer Branchenangst die weiß, dass das Angebot die Nachfrage bestimmt.

„Fat Cat Day“

Text: Peter Baumgartner

Ranking-Listen lesen ist ein beliebter Volkssport. Das wissen auch die, die diese Listen schreiben. Der Vergleich, wer die fetteste Katze im Land ist, ist zwar nicht sehr geschmackvoll, aber den Medien scheint das Spiel Spaß zu machen. Übrigens, von 2007-2017 wurde Österreich sozialdemokratisch regiert. 2016 waren die Katzen schon genau so fett wie 2024. Und davor – mit 7-jähriger Unterbrechung, fütterte die SPÖ die Katzen sogar 30 Jahre lang. Schon vergessen?

„Wir haben in den letzten Jahren gesehen, wie Reiche mit ihrem Zugang zu den höchsten Zirkeln der Macht Medien und Politik für persönliche, materielle Vorteile beeinflussen.“ Wir haben gesehen, sagt AK Präsidentin Renate Anderl in einer Presseaussendung am 9. Jänner. Was genau Anderl unter „beeinflussen“ versteht, hat sie nicht erklärt. Materielle Vorteilnahme, wenn sie das gemeint hat, könnte tatsächlich ein Tatbestand sein. Sollte Anderl das „gesehen“ haben, stellt sich die Frage, warum sie das nicht zur Anzeige bringt und stattdessen Spekulationen in der Öffentlichkeit schürt. Einflussnahme alleine ist wohl ein legitimes Mittel der Wahl und wird von jedem Lobbyisten, auch von der AK versucht. Sollte das pfui sein, muss man den Lobbyismus verbieten. Ein entsprechender Wunsch zur Gesetzesänderung seitens der AK ist jedoch nicht bekannt.

„Den Erb:innen fallen jährlich durchschnittlich 15 Milliarden Euro ohne eigene Anstrengung zu, ohne dass sie dabei zur Finanzierung des Gemeinwohls beitragen“, kritisiert die AK Präsidentin ebenfalls in Ihrer Aussendung. Der Begriff „Familienvermögen -Besitz“ dürfte in den Augen der Präsidentin in diesem Zusammenhang keine Bedeutung haben. Geht man aber davon aus, dass Eigentum, wenn es rechtmäßig erworben wurde, in der Regel keine Sololeistung ist, sondern die Zusammenarbeit der ganzen Familie-Verwandtschaft braucht und überdies mehrfach versteuert wurde, dann muss man wohl hinterfragen, welche „Anstrengungen“ genau für Frau Anderl wohl akzeptabel wären, um erbberechtigt zu sein. Muss vielleicht die Tochter notariell nachweisen, dass sie sich um die kranke Mutter gekümmert hat, damit der Herr Papa ein Vermögen verdienen kann? Sollte die AK jedoch unrechtmäßig erworbenen Besitz orten können, dann wäre auch hier der richtige Weg die juristische Aufklärung, zu der sie beitragen sollte. Es ist allerdings auch bekannt, dass „Reiche“, wenn sie ein „offenes Herz“ haben (Peter Kaiser über Glock) sogar hoch dekoriert werden. Aus der Sicht der Parteikollegin müsste das dann wohl „Ablasshandel“ oder „Schweigegeld“ sein. Oder rechtfertigt Mäzenatentum „unanständigen“ Reichtum?

„Millionenerbin Marlene Engelhorn repräsentiert eine Bewegung von Wohlhabenden, die mit Erbschafts- und Vermögenssteuern, über deren Verwendung demokratisch entschieden wird, zum Wohl der Allgemeinheit beitragen wollen.“ Anderl, die darin einen Erbschaftsverzicht erkennen will, der gut für die Demokratie (?) sein soll, zollt Engelhorn großen Respekt und sieht sich in Sachen Millionärssteuer bestätigt. Jedoch, wenn Frau Engelhorn rechtmäßig erworbenes Vermögen geerbt hat, ist es ihr Privatvergnügen was sie damit macht. Wenn sie es verschenkt, ist das schön. Sie kann es aber auch versaufen und niemand könnte das beanstanden. Mit der EU-Bürgerinitiative „Taxt the Rich“, will Frau Engelhorn jedoch aktuell nicht nur ihr Geld unter das Volk bringen, sondern „große Reichtümer“ generell „zur Finanzierung des ökologischen und sozialen Wandels“ verwenden. Frau Engelhorn verfolgt also eine Mission – mit dem Geld anderer. Der Wunsch sei ihr unbenommen. Aktuell hat sie dafür 600 Unterstützer (in Österreich) gesammelt. Die Begründung dafür ist allerdings nicht schlüssig. Sie stellt nämlich fest, dass die vielfachen Notlagen in der Gesellschaft auf „das Versagen der Wirtschafts- Steuer- und Sozialpolitik der nationalen Regierungen und der Europäischen Union“ zurückzuführen sind. Das mag schon richtig sein. Aber dann stellt sich die Frage, warum mehr Geld eine falsche Politik verbessern oder gar beseitigen soll. Die richtige Therapie auf die gesellschaftliche Diagnose von Frau Engelhorn kann nicht mehr Geld für die falschen Politiker sein. Da müssen Chirurgen ran.