Kinder an die Macht!

Text: Peter Baumgartner

257. Sitzung des Nationalrates in der XXVII. Gesetzesperiode am 21.3.2024/Screenshot live

„Gebt den Kindern das Kommando“, hat Herbert Grönemeyer schon 1986 getextet. Doch der Musiker wollte das Lied als Hymne an die Unvoreingenommenheit von Kindern verstanden wissen. Nicht als Aufforderung für Ignoranz, Gleichgültigkeit, Pflichtvergessenheit, Nachlässigkeit und Tagträumerei.

Man kann die Arbeitsbedingungen für unsere Volksvertreterinnen im Parlament durchaus als luxuriös bezeichnen. Insbesondere seit dem Umbau ist das Parlament unbestritten der prunkvollste Arbeitsplatz, den man sich vorstellen kann. Dort arbeiten zu dürfen, ist an sich schon ein Privileg der Sonderklasse. Wahrscheinlich ist das den Menschen im Haus am Ring, die hinter den Kulissen arbeiten und danach trachten, dass die Demokratie funktioniert, durchaus bewusst. Jene 183 Abgeordnete, deren Job im Nationalrat es ist, die Regeln für eine funktionierende Demokratie zu machen, finden es offensichtlich mehrheitlich langweilig und als Bürde, die man halt auf sich nimmt, weil es gut bezahlt wird.

Wie für alle Arbeitnehmer, gibt es natürlich auch für Parlamentarierinnen Regeln und Vorschriften, deren Einhaltung Teil des Arbeitsvertrages sind. Dazu zählt zum Beispiel selbstverständlich Anwesenheitspflicht. Viele Mandatare nehmen das jedoch wörtlich und meinen, die physische Anwesenheit reicht vollkommen aus. Auch ein schlafender Mandatar ist demnach „anwesend“. Dafür gibt es rund 10.000 Euro aufs Konto. Neben der Anwesenheit sind Abgeordnete auch verpflichtet, die Bedeutung der Parlamentsdebatten zu respektieren und mit gebotener Aufmerksamkeit zu verfolgen. Immerhin, das Parlament steht als gesetzgebende Kraft im Zentrum der Demokratie. Die Abgeordneten des Nationalrates und die Mitglieder des Bundesrates haben bei der Ausübung ihres Mandats eine hohe Verantwortung und Vorbildfunktion. Doch, ist der Ruf erst mal ruiniert, lebt es sich ungeniert. Was da vor den Augen des Volkes abläuft ist Fassade, wird halt gemacht, weil man es so tut.

257. Sitzung des Nationalrates in der XXVII. Gesetzesperiode am 21.3.2024/Screenshot live

„Während der Sitzungen ist in den Sitzungssälen der Bundesversammlung, des Nationalrates, des Bundesrates oder von deren Ausschüssen, Unterausschüssen, Untersuchungsausschüssen sowie in Enqueten und Enquete-Kommissionen das Telefonieren mit Mobiltelefonen nicht gestattet“, heißt es in den verbindlichen Arbeitsregeln. „Es ist insbesondere alles zu vermeiden, wodurch die Arbeiten in den Parlamentsgebäuden gestört werden könnten.“ Logisch, wo nicht gearbeitet wird kann Arbeit durch nichts gestört werden. So oder ähnlich dürften die Mandatare die Regeln wohl auslegen. Da wird auch gar nicht telefoniert, aber alle anderen Mobilfunkmöglichkeiten werden ausgiebig ausgenutzt. Dazu gehört auch, dass man lustige Fotos vom Baby am Nationalratssitz macht – nur zur Erinnerung, oder um vermeintliche Sympathie für Grönemeyer zu demonstrieren? „Sie lieben das Chaos und räumen ab, kennen keine Rechte, keine Pflichten…“

Natürlich, man könnte auch froh sein über diese Zustände im Parlament. Andernorts liefern sich die Delegierten Boxkämpfe, kratzen und beißen. Oder sie applaudieren auf Kommando mit voller Hose. Da ist es allemal besser, wenn sich die volle Hose auf vereinzelt mitgeschleppte Babys im Plenum bezieht. „Wir werden in Grund und Boden gelacht, Kinder an die Macht“.