„Ich hab dem Mundl sein Bier gezahlt“

Text. Peter Baumgartner

Folgt man der Einschätzung des NRAbg. Dr. Alexander Van der Bellen aus 2006, dann ist der ORF ein ÖVP-Ministerium und seit 2021 bereits „klinisch tot“. Dann arbeiten am Küniglberg aber die bestbezahlten Totengräber der Welt.
Quelle: Peter Baumgartner

Erinnern Sie sich? So lautete eine der „lustigen“ ORF-Werbungen, mit der einst eine „emotionale Beziehung“ zum „Schwarzseher“ hergestellt werden sollte. Mit „Ich bin`s, dein Fernseher“, der eine „tolle Nachricht“ zu übermitteln hatte, hat man innovativ sogar die Künstliche Intelligenz vorweggenommen. Das war den Werbeexperten aber dann doch zu utopisch. Deshalb ließ man bald wieder „ganz normale Bürger“ erklären, warum sie „sooo gerne“ GIS-Gebühren bezahlen.

Damals war die GIS-Gebühr allerdings noch weitgehend ein Geschäft. Leistung gegen Bezahlung. Seit Jänner 2024 gilt die Zwangsabgabe. Auch die, die keine Leistung haben wollen, müssen zahlen. An sich eine typisch österreichische Spezialität, weil schon bisher fast alle Staatsbürger irgendwo/irgendwie Zwangsbeiträge abliefern müssen. Jetzt ist mit dem neuen ORF-Beitrag die Zwangsbeglückung fast schon flächendeckend eingeführt. Man hätte es auch Steuer oder Sondersteuer nennen können. Aber das passt nicht zum aktuellen Regierungsprogramm. Dort steht, „Mehr Netto vom Brutto“ soll übrigbleiben und das bedeutet übersetzt, jetzt bleibt den Bürgern mehr Geld für „Beiträge“ in der Tasche. Beitrag klingt außerdem viel freundlicher als Steuer und lässt sich leichter „anpassen“. Es riecht förmlich nach Blümchen-Freiwilligkeit. Fast schon wie christliche Nächstenliebe. Alle leisten einen kleinen Beitrag, ohne echte Erwartung auf Gegenleistung. Ein hervorragendes Konzept für künftige Steuereintreibungsprogramme. Man kann alle Steuern abschaffen und durch „nützliche Beiträge“ ersetzen. Fangen wir zum Beispiel mit „Cybercrime-Beitrag“, „Spekulanten-Beitrag“ oder mit einem „Banken-Beitrag“ an. Ziemlich sicher werden bald ein „Katastrophen-Beitrag“ und ein „Armutsbekämpfungs-Beitrag“ kommen. Nur 50 Cent am Tag/Person und wir könnten dem Klimawandel mit gestrecktem Mittelfinger tief in die Augen blicken. Ein gutes Gefühl! Nur Häfenbrüder- und Schwestern haben es noch besser, sie sind von allen Beiträgen befreit. Hypothetisch – käme der Renè B. ins Gefängnis, was nicht der Fall sein wird, könnte er gratis in den Medien seine Aktienkurse verfolgen, während ich für Andreas Gabalier Beiträge zahlen müsste. Der Weg zum ORF-Beitrag für alle ist jedoch – abgesehen von einer digitalen Bankrotterklärung, von gesellschaftspolitischen Leichen gepflastert. Auf der Strecke geblieben ist der Parlamentarismus, ein großes Stück vom Demokratiekuchen, das Vertrauen in die Politik sowieso, der Medienpluralismus und sogar ein Stück Gemeinschaftsrecht. Dafür hat sich Andreas Khols Hoffnung nach mehr als 20 Jahren endlich erfüllt: Es rinnen keine „roten Gfrießer“ mehr aus dem Fernseher, sondern grün/schwarzer Schleim.

Das ORF-Entlohnungssystem baut auf die Philosophie von Karl Marx auf: Arbeitskraft ist die Fähigkeit und Fertigkeit zu einer Arbeit, nicht die Arbeitsleistung bzw. die Arbeit selbst.
Foto: Friedrich Karl Wunder (1867), gemeinfrei

Diese grün/schwarze Schleimspur hat bei den Gagen-Kaisern am Künigelberg ein sagenhaftes Selbstbewusstsein hervorgerufen. Das nimmt schon Formen einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung an. „Sie werden zahlen, wenn auch mit Murren“, verspricht ORF-General Roland Weissmann gegenüber der Kleinen Zeitung, wo er bei der Gelegenheit auch gleich sein fürstliches Gehalt rechtfertigt und die Diskussion über „Neiddebatten“ abdreht. Tatsächlich ist die dem ORF auferlegte Verpflichtung, Spitzengehälter offen zu legen nur ein gut funktionierendes Ablenkungsmanöver. Was ändert sich durch die Offenlegung? Man muss kein Prophet sein um zu wissen, die neuen Regeln ändern Null. 832.353 Unterschriften 1964 geleistet, haben die grundsätzliche Diskussion bis heute nicht verändert. Außerdem geht es gar nicht um normale Gehälter, die da offengelegt werden müssen. Der ORF orientiert sich an die Auslegung von Karl Marx über die Arbeitskraft. Demnach richtet sich dessen Wert nach der „gewohnheitsmäßigen“ Lebensart. ORF Mitarbeiter bekommen demnach so etwas wie eine „Aufwandsentschädigung“. Im Gegensatz dazu, setzt Gehalt in der Regel eine mehr oder weniger persönliche Leistung voraus. Die nun von der Veröffentlichung betroffenen Personen müssen also keine Angst haben. Es wird keine Neiddebatte geben. Abscheu, Verachtung ja und vielleicht sogar Mitleid.

Die Kriegskassa wird sich jetzt durch die flächendeckende Beitragszahlung rasch füllen und dann kommt es auf ein paar exzessive Lebenskünstler, die durchgefüttert werden müssen, nicht an. Die (OBS)Gesellschaft hat ihre Betriebsführung zwar an den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit auszurichten und ist nicht auf Gewinn orientiert, wer das im weit verzweigten Firmengeflecht kontrollieren will, muss aber erst geboren werden. Wie beim österreichischen „Vorbild“ für Großpleiten, ist auch die ORF-Beitrags Service GmbH. ein kleines Rädchen im 12-Zylinder-Motor. Unzählige Verflechtungen und Verschachtelungen sorgen dafür, dass allfällige Kontrolleure schnell die Beißlust verlieren. Natürlich gibt es Aufsichtsräte und Geschäftsführer. Ziemlich viele sogar. Was ihre „Leistung“ ist, wird erst später zu beurteilen sein. Vorschusslorbeeren gilt es nicht zu verteilen, weil der erfahrene Geschäftsmann Hans-Peter Haselsteiner das Wirken von Aufsichtsräten und Geschäftsführern schon generell mit „Papiertigern“ verglichen hat, die nach dem Prinzip Hoffnung arbeiten. Die Erwartungshaltung ist also gering.

Quelle: Peter Baumgartner

Der ORF muss auch nichts und niemand fürchten. Er hat schon seit Jahrzehnten alle Kriegserklärungen abgewehrt. Volksbefragungen, Volksabstimmungen, Beschwerden, Petitionen, Initiativen. Egal von wem, von wo und in welcher Stärke. „Rotseher“ blieben immer auf der Strecke und räumten das Feld für einen siegreichen ORF. Warum das so ist und immer war, zeigt die jüngste Debatte um die Änderung des ORF-Gesetzes. Jede Partei wollte einen anderen ORF, aber niemand wollte auf den Zugriff der Medienmacht verzichten. Selbst die FPÖ, die sich als einzige Partei gegen eine personifizierte Zwangsgebühr ausgesprochen hat, will stattdessen eine Finanzierung über das Budget, was unter dem Strich gleichbedeutend mit Zwangsfinanzierung ist. Unter dem Strich bleibt so oder so „murren und (dem Mundl sein Bier) zahlen“. Genau wie es Weissmann angekündigt hat – „sie werden zahlen“. Der mit Riesenschritten voranschreitenden Künstlichen Intelligenz zum Trotz, wir bleiben konsequent bei der analogen „Kollektivschuld“. Zumindest was das Fußvolk anbelangt. Jemand, der auf seiner Adria-Yacht eine Entertainment Anlage installiert hat, um seine Gäste standesgemäß zu beglücken, muss natürlich keinen GIS-Beitrag zahlen. Die Oma in ihrer Einzimmerwohnung jedoch schon. „Die schweigende Mehrheit ist zufrieden“, meint der ÖVP-Mediensprecher und die paar Unzufriedenen sind nur ein „Grundrauschen“. Damit hat der gute Mann sogar Recht – wer schweigt, stimmt zu. Der Mediensprecher hat aber auch eindrucksvoll bestätigt: Als Nationalrat muss man nicht zwingend hören und sehen können. Es reicht blöd reden zu können.

Im wichtigsten Kampf aller Zeiten, wirft der ORF nochmals alles in die Schlacht. Sogar Daniela Kraus, die Generalsekretärin des Presseclubs Concordia, ist zur Verteidigung des ORF ausgerückt. Was oberflächlich betrachtet verwundert. Bei genauerem Hinsehen kann man aber die enge Verflechtung des ORF mit den Printmedien erkennen. Daher will Kraus eine „Schutzmauer“ für den ORF vor politischer Einflussnahme. Dabei gibt es doch gar keine politische Einflussnahme, wie von allen Seiten beteuert wird. Medienexperte Plaikner wiederum behauptet, die realen Köpfe des ORF heißen Medienministerin Susanne Raab und Kanzler Karl Nehammer. Wo liegt der Hund begraben? Egal. Lasst uns die Fakten anschauen: Der ORF ist das Leitmedium im Alpenland und er ist sehr wichtig für die Meinungsbildung, – sagt man. Außerdem ist er mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag eine tragende Säule der Demokratie. Darüber dürfte wohl einigermaßen Konsens herrschen. Doch wenn das so ist, dann hat der ORF auf allen Linien kläglich versagt. Die Gesellschaft ist gespalten, verunsichert, desinformiert und desillusioniert wie nie zuvor. Die Meinungsbildung hat man US-Konzernen überlassen und die Demokratie ist im Arsch. Man kann es leider nicht anders sagen. Die Erwartungshaltung an den ORF und an dessen selbst gesteckte Ziele, wurden nicht annähernd erreicht. Der „öffentliche Auftrag“ hat einen Scherbenhaufen produziert. Dafür gebührt kein Gehalt. Höchstens eine Aufwandsentschädigung – oder Schweigegeld.

PDF DRINGLICHER ANTRAG 29.6.2006, NRAbg. Dr. Alexander Van der Bellen, Sicherstellung der Unabhängigkeit und Objektivität des ORF