Voodoo-Sozialpartnerschaft

Text: Peter Baumgartner

Der Voodoo-Glaube nach österreichischer Prägung kennt nur einen Gott:
Die Sozialpartnerschaft

2023 sind die Gewerkschaften angetreten, um durch ihre KV-Verhandlungen „Konsumimpulse“ zu setzen und die „Kaufkraft“ der Arbeitnehmer  zu stärken. Man könnte es als politische Anmaßung deuten und hoffen, irgendwer in der Regierung wird ihnen schon auf die Finger klopfen. Aber in Wahrheit ist es wohl eine Hybris und Ausdruck einer Selbstüberschätzung, die flott korrigiert gehört.

Von einer „kreativen“ und tragbaren Lösung, spricht die Industriellenvereinigung nach den KV-Verhandlungen der Metaller. Die Handelsunternehmen freuen sich, weil sie unter der Inflationsrate abschließen konnten. Man gibt sich auf der Wirtschaftsseite zwar „nicht glücklich“, aber man ist mit dem Ergebnis zufrieden. So hat die Industrie zum Beispiel die bis dahin von der Gewerkschaft kategorisch abgelehnte Öffnungsklausel erreicht. Ein wichtiger Erfolg. Zwar heißt es jetzt nicht mehr Öffnungsklausel, sondern „Härtefallregelung“, aber ein Erfolg für die Arbeitgeber ist es dennoch und, der wird die künftige Arbeitswelt gehörig verändern. Es ist damit quasi ein erster Schritt zur Abschaffung des Kollektivvertrages gemacht. Mit der Öffnungsklausel oder „Härtefallregelung“ gilt, „eine abweichende Regelung bleibt unbenommen“ und kann zu lauter Einzelverträgen innerhalb einer Firma führen. Für eine Gewerkschaft ist das ein Selbstmordversuch. Einen ähnlichen Erfolg kann auch der Handel für sich verbuchen. Dort hat man sich darauf verständigt, mit den Unternehmen, „die es sich leisten können“, außerhalb der KV-Verhandlungen „Nachverhandlungen“ führen zu wollen. Ein Köpfler mit Anlauf in die Jauchengrube für Gewerkschafter. Außerdem erwartet sich die Industrie, dass der Staat in Form von Lohnnebenkostensenkung noch etwas zur Lohnrunde beitragen wird. Das ist allerdings nichts, was die Industrie und die Wirtschaft extra verhandeln muss, das braucht sie, wie inzwischen üblich, nur noch jährlich „bestellen“. Aber es klingt natürlich besser, wenn man so tut, als müsste man um eine Lohnnebenkostensenkung bitten. Also ja, die Industrie und die Arbeitgeberseite generell, können mit dem „Erfolg“ der Gewerkschaft zufrieden sein. Und als Sozialpartner wollen sie noch plakativ gemeinsam die Regierung „beauftragen“, besser zu werden. Noch schön Öl ins Feuer schütten, damit der Vertrauensverlust-Flächenbrand nicht erlischt. 

Auch die Gewerkschaften geben sich öffentlich zufrieden – wenn auch nicht alles erreicht werden konnte, wie sie nebenbei anmerken. Die langen Gesichter nach den Abschlussverhandlungen und die Mimik vor den Kameras sprechen jedoch eine andere Sprache. Man muss kein Experte für die Körpersprache sein um zu erkennen, Inhalt und Wahrnehmung passen nicht zusammen. Bei den Metallern gelang in der achten Verhandlungsrunde, mit viel Getöse und Unterstützung durch mehrere Warnstreiks, schließlich eine Einigung, die mit anderen, völlig geräuschlosen Verhandlungen, durchaus vergleichbar ist. So haben beispielsweise die LKW-Fahrer praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit 9,6 % erkämpft. Aber vielleicht hat die Gewerkschaft dort ohnehin auf Stumm geschaltet, weil sich ein Mindestlohn von 2.043.- brutto für einen Kapitän der Autobahn nicht besonders gut verkaufen lässt. Bei den Handelsgewerkschaftern freut man sich, dass die Einmalzahlung „vom Tisch“ ist und gleichzeitig schummeln sie sich darüber hinweg, dass der Abschluss deutlich unter der Inflationsrate liegt. Die Metaller haben wenigsten noch ein paar Hunderter drauf bekommen. Als „Verhandlungserfolg“ verkaufen die Gewerkschafter den Mindestlohn jenseits von „mehr als“ 2000,- Euro (Handel/2124,- und Metaller 2426,-). Also ein Stundenlohn von etwa 12-14 Euro. Brutto wohlgemerkt! Das ist also in etwa das, was Arbeitnehmer in Deutschland ohne gewerkschaftliches Tamtam über das Mindestlohngesetz erhalten.

Das heißt, man könnte sich die alljährliche, unappetitliche Diskutiererei und Beschimpfung ersparen („Voodoo-Mathematik“, „Mit die Einmalzahlungen können‘s scheißen gehen!“) und vielleicht sogar noch ein paar arbeitsfähige Gewerkschafter einer sinnvollen Tätigkeit zuführen. Ersparen könnte man sich auch, dass Arbeitnehmer mobilisiert und für Parteiinteressen instrumentalisiert, auf die Straße geschickt werden, um ihnen danach einen „Verhandlungserfolg“ zu verkaufen, den sie jedes Mal ohnehin bei der Wahlurne einfordern könnten. Mit jeder „gewerkschaftlichen Entscheidung“, mit jedem Verhandlungsergebnis der Sozialpartner, wird die Untätigkeit und Verantwortungslosigkeit der Regierung legitimiert. „Das machen die Sozialpartner“ heißt nichts anderes als, „dafür sind wir nicht verantwortlich“. So schafft man sich Parallelstrukturen, in der jede Seite die Hauptverantwortung der jeweils anderen Seite unterjubeln kann, ohne selber den Kopf hinhalten zu müssen. Deshalb heißt es, „wir werden die Regierung beauftragen“ und umgekehrt „die Sozialpartner werden das schon richten“. Nein! Die Regierung hat die verdammte Pflicht, ihre Gesamtverantwortung wahrzunehmen. Dafür wird sie gewählt und dafür werden die Politiker bezahlt. Delegieren heißt nicht Verantwortung abschieben, sondern Arbeit sinnvoll aufteilen. Es grenzt an Dummheit, wenn die Regierung konsequent die Kaufkraft schwächt und von den Sozialpartnern erwartet, dass sie diese wieder stärkt. „Nebenbei“ bemerkt, vielleicht erklärt jemand der Voodoo-Gemeinde, dass Arbeitnehmer nicht der Bankomat für die Wirtschaft und sinnbefreite Organisationen sind, sondern eigene Ziele verwirklicht sehen wollen. Zum Beispiel, dass es sich am Monatsende noch ausgeht, etwas anzusparen oder den eigenen Kindern unter die Arme zu greifen. Es mag manche Voodoo-Experten zwar überraschen, aber es gibt sogar Hackler, die sich mehr als Buch leisten wollen und durchaus kulturelle Bedürfnisse haben. Wer also glaubt, nur für den Erhalt der Kaufkraft zuständig zu sein und zum Jahresabschluss Konsumimpulse sehen will, dem kann man frei nach gewerkschaftlicher Sprachschöpfung ein herzhaftes „geht’s sch…“ zurufen.

Die Gewerkschaften und die Sozialpartner haben genau zwei Möglichkeiten. Entweder sie nehmen die Chance zur Gestaltung der eigenen Zukunft selber wahr, oder sie warten darauf, bis ihnen die Veränderung aufgezwungen wird. „Nur was sich verändert, hat Bestand“ (Dr. Erich Gumplmaier/ÖGB).

Eine Phantomdebatte

Beitrag: Peter Baumgartner

Quelle: Peter Baumgartner

Wissend, dass die aktuell geführte Debatte um den EU-Beitritt der Ukraine in weiter Ferne liegt, wird in den Medien munter drauf los philosophiert und dabei vergessen, dass vor der Haustür ganz reale Sonderbarkeiten ablaufen. Lang war die Erklärung von Präsidentin von der Leyen zum Erweiterungspaket 2023. Tatsächlich ist das Paket prall gefüllt mit Plänen. Nur über den geplanten Deal mit der Schweiz verliert die Präsidentin darin keine Silbe. Vorangegangen sind dem nunmehr fertigen Verhandlungsmandat der Schweiz mit der EU nämlich mehr als zwei Jahre „Geheimgespräche“ unter starker österreichischer Beteiligung. „Mauscheln“ können Österreicher bekanntlich besonders gut. Deshalb hat man ihnen seitens der EU wohl das Mandat übertragen. Was jetzt am Tisch liegt, ist für die beiden EU-Abgeordneten Schieder und Mandl, die mit der Schweiz mehr verbindet, als die Liebe zur Schokolade, ein „gelungener Neustart“ auf dem Weg zum EU-CH-Rahmenabkommen. Ganz anders sieht es die Schweizer Gewerkschaft und die führende SVP. Für sie ist das „Liberalisierungsprogramm“ schlicht inakzeptabel, und würde nach ihrer Meinung dazu führen, was bereits in ganz Europa passiert: Eine zunehmende Verarmung der Bevölkerung und die Aufgabe der direkten Demokratie. Der ÖVP-Chefverhandler Jürgen Mandl meint zwar, dass es bei dem Deal keinen Verlierer geben wird, sondern die Schweiz und die EU gewinnen werden. Das ist aber gar kein Widerspruch, denn schon jetzt gewinnt die Schweiz als Trittbrettfahrer der EU überproportional und einige EU-Steuerflüchtlinge profitieren ebenso – ganz sicher aber nicht die EU-Bürger. Das Alpenland Schweiz hat zum Beispiel die größte Flusskreuzfahrtflotte Europas unter den Fittichen, die in ihren jeweiligen Heimatländern keine Steuern zahlen. Sogar US-Schiffe tragen dankbar das Schweizer Kreuz am Heck. Umgekehrt in den USA völlig undenkbar. „Doch leider geht dieser Boom an den Beschäftigten vorbei“ (Gewerkschaft Nautilus). Zuletzt konnte die Schweizer Bevölkerung 1972 ein EU Beitritt ihrer Regierung verhindern und 2021 den Röstigraben zwischen EU und Schweiz noch vertiefen. Christoph Blocher hat damals das Spiel durchschaut und gesagt, die Schweiz will sich mit der EU verloben, hat gleichzeitig aber nicht die Absicht zu heiraten. Blocher hatte noch Prinzipien. Heutige Politiker gehen aus Kalkül auch Zweckehen ein. Dennoch, für manche Diskutanten ist sogar wieder ein Beitritt der Schweiz zur EU denkbar. Das ist zwar mindestens so nebulos wie die ukrainische Perspektive, aber nicht minder speziell. Ob die EU und die Schweiz 2024 tatsächlich wieder enger zusammenrücken werden, steht noch in den (goldenen) Sternen. Zunächst gibt es ein wasserdichtes Verhandlungsmandat für einen flexiblen „Paketansatz“ und man ist zuversichtlich, dass das Schweizer Volk an der Wahlurne „richtig“ entscheiden wird. Gesichert scheint zu sein – und das ist die Botschaft an das Wahlvolk, die Schweiz bleibt souverän, die Schweizer Interessen bleiben gewahrt und man macht aus dem Trittbrett in der EU einen Tanzboden. Im Gegenzug werden ein paar Franken mehr nach Brüssel rollen – vielleicht. Man legt in der Schweiz zum Beispiel großen Wert darauf, dass es keine Einwanderung in das Sozialsystem geben darf. Also „Ausländer“ zwar unter Schweizer Flagge schuften dürfen, aber schön brav in ihrem (prekären) System verhaftet bleiben sollen. Ob die EU-Mitglieder das alles wollen? Wurscht! Die sollen sich mit der Phantomdebatte über die Mitgliedschaft der Ukraine und Sonstige beschäftigen. Mitbestimmung? Fehlanzeige. Das machen schon die Mauschel-Experten. Hände falten – Klappe halten. (PB)

Wie würde Wilhelm Busch heute dichten?

Text: Peter Baumgartner

Am 12. Dezember 2023 soll der Bericht des Rechnungshofes betreffend Lebensmittel-Versorgungssicherheit-2023 dem Parlament mit der einstimmigen Empfehlung des Rechnungshofausschusses zur Kenntnisnahme vorgelegt werden. Eine Kenntnisnahme des Berichtes ohne konkrete Handlungsaufträge und Terminisierungen durch das Parlament an die zuständigen Gremien ist jedoch nicht vorstellbar, wie die nachfolgende Darstellung zeigt.

Der RH stellte in seinem Bericht fest: Das Landwirtschafsministerium hatte sich nicht optimal auf die Sicherstellung der Lebensmittelversorgung in Österreich – insbesondere in Krisenfällen – vorbereitet und gibt eine Reihe von Empfehlungen ab, die in Summe von einem Multiorganversagen im Zuständigkeitsbereich zeugen.

Ernährungssicherheit liegt gemäß der Ernährungs– und Landwirtschafsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) dann vor, wenn Menschen jederzeit physischen und wirtschaftlichen Zugang zu sicherer, genügender, ihren Essgewohnheiten entsprechender und ausgewogener Ernährung haben, um ein aktives Leben in Gesundheit führen zu können.

Das heißt, wenn die Verfügbarkeit, der Zugang und die Stabilität der Lebensmittel gegeben ist, aber deren Verwendung (Gesundheit) nicht gewährleistet ist, kann nicht von einer Ernährungssicherheit in Bezug auf die Selbstversorgungsrate gesprochen werden. Ungesunder Boden entzieht der landwirtschaftlichen Produktion den Kernbereich der Ernährungssicherheit hinsichtlich pflanzlicher und tierischer Erzeugnisse.

Genau diese Situation haben aber aktuell private Bodenuntersuchungen im Raum St. Veit/Glan sichtbar gemacht. An neun verschiedenen Standorten wurden praktisch alle Stoffe im Boden gefunden, die da nicht hingehören und deren Herkunft bis dato nicht bekannt sind. Einige Stoffe, wie Arsen, Blei, Chrom, Cobalt, Nickel und Zink, wurden vom untersuchenden Labor als hoch bzw. sehr hoch eingestuft und liegen deutlich über den AustroPOPs-Werten. HCB, Dioxine und Furane werden als „auffällig“ dargestellt. Um eine weitere Bodenverschlechterung zu verhindern, empfiehlt das Labor dringend, ein Monitoring durchzuführen.

Maßgeblicher Einflussfaktor für die Ernährungssicherheit in Österreich ist u.a. die Bodenverfügbarkeit und die Bodenfruchtbarkeit. Das wird vom Rechnungshof so auch klar festgestellt. In Österreich liegt der Fokus diesbezüglich aber beim Bodenverbrauch und bei der Wasserverfügbarkeit. Die Bodengesundheit spielt eine untergeordnete Rolle und die Bodenfruchtbarkeit wird ausschließlich über die gute und richtige Düngung definiert. Schädliche Einträge über Luft/Wasser spielen keine Rolle (Hinweis: im Zuge des HCB-Unfalls/Görtschitztal-2014 musste ein Grundwasserbrunnen gesperrt werden. Ein Verzehrverbot von Fischen aus der Gurk ist noch immer aufrecht).

Das heißt: In Österreich sagt fruchtbarer Boden (und ausreichend Wasser) noch nichts über die Lebensmittelqualität und damit über die Versorgungssicherheit aus. Gesunder Boden, frei von Schwermetallen und Chemikalien, muss daher in der Risikomatrix für die Ernährungsvorsorge dringend als „hoch“ eingestuft werden. Das ist derzeit nicht der Fall.

In der gegenwärtigen Situation scheint dem Lenkungsausschuss für die Lebensmittel-Versorgungssicherheit der richtige Zugang für maßgebliche Entscheidungen zu fehlen und es scheint geboten, dessen Expertise durch Hereinnahme zusätzlicher Fachrichtungen (Medizin, Chemie, Konsument) zu verbessern.

Das Gute, dichtet Wilhelm Busch, -dieser Satz steht fest- Ist stets das Böse, was man läßt! (PB)

Boden-Offensive in St. Veit

Text: Peter Baumgartner

„Grundsätzlich gilt ein Boden als kontaminiert, wenn sich Schadstoffe/Schwermetalle anreichern und im Boden mobil sind“. Damit beschreibt BIO AUSTRIA umfassend die Bedeutung eines gesunden Bodens und dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Tatsächlich ist „der Boden“ meist nur sprichwörtlich in aller Munde – wenn er nicht generell als „Dreck“ behandelt wird. Wir reden ehrfürchtig von „Mutter Erde“ und mit Stolz vom Handwerk, das einen „goldenen Boden“ hat. Nach einem Bauchfleck wollen wir wieder „Boden gutmachen“ und danach trachten, „Grund und Boden nicht zu verlieren“. Über manches, dass dem „Fass den Boden ausschlägt“ regen wir uns auf und könnten vor Scham „im Boden versinken“. Stolz sind wir auf den „geschichtsträchtigen Boden“ und froh, wieder „festen Boden unter den Füßen“ zu haben.

Seit geraumer Zeit ist der Boden unter der schönen Überschrift „Bodenschutz“ in aller Munde. Bodenschutz meint hier jedoch ausnahmslos den Schutz vor Bodenverbrauch und Bodenversiegelung. Das ist eine öffentliche Scheindebatte. Dabei bleibt nämlich völlig ungeklärt, wofür man einen Boden schützen soll, wenn man seine Qualität und seine Nutzbarkeit gar nicht kennt. Selbst unsere Grünen wollen den Boden nur vor Versiegelung schützen. Die Bodengesundheit ist ihnen egal. Immerhin hat die Europäische Union ein wachsendes Problem erkannt und schätzt, dass 60 bis 70 Prozent der Böden „nicht gesund“ sind. Deshalb wurde bereits Ende 2021 eine breit angelegte „EU-Bodenstrategie für 2030“ „auf den Boden gebracht“ und schließlich im Juli dieses Jahres ein Bodenüberwachungsgesetz vorgeschlagen. Aber das Thema ist heikel und hoch sensibel. Warum seit Jahren um den Bodenschutz eine Scheindebatte geführt wird, zeigt zum Beispiel der massive Widerstand gegen EU-Bodenschutzbestimmungen aus den Reihen der Land & Forstbetriebe Österreichs: Frei zugängliche Informationen über Bodeneigenschaften und Belastungen durch Schadstoffe für Jedermann sind aus Sicht des Datenschutzes höchst bedenklich und abzulehnen (10-2022). Ebenso findet die Wirtschaftskammer keine Notwendigkeit, den Bodenschutz durch ein neues Gesetz zu regeln, sondern fordert vielmehr ein, dass die diesbezügliche Kompetenz bei den Ländern bleiben muss (10-2022). Und die Industrie ist überhaupt der Meinung, dass dem Bodenschutz schon ausreichend Rechnung getragen wird.

Für über vierzig „bodenständige“ Familien aus St. Veit, Längsee und die Gemeinde Maria Saal, war dieser Zugang zum Thema Boden jedoch immer zu wenig. Sie wollten genau wissen, was sich unter ihren Füßen abspielt. Pro aktiv wurde deshalb das Bodenlabor envirolab Scheidl & Partner GmbH. aus Mattersburg im Burgenland zur Durchführung der Probenahme auf eigenem Grund und eine analytische Untersuchung beauftragt. An insgesamt acht Standorten, räumlich auf das gesamte Stadtgebiet St. Veit verteilt, wurden fachgerecht Bodenproben gezogen und im Labor ausgewertet. Eine Probeentnahme lag auf dem Gemeindegebiet St. Georgen am Längsee. Zusammenfassend kommt das Labor zum Ergebnis: Die Grünflächen im Raum St. Veit an der Glan weisen bei den einzelnen Standorten im Vergleich zu Hintergrundbelastungen bei den Elementen Arsen, Blei, Chrom, Nickel und Zink Konzentrationen auf, die als hoch einzustufen sind. 2021 hat das BM für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus in Zusammenarbeit mit den Ländern ein „Forschungsprojekt AustroPOPs“ veröffentlicht. Inhaltlich ging es dabei um ein Monitoring von organischen Schadstoffen in Böden Österreichs. Der Bericht hat in Kärnten etliche (anonyme) Grünland- und Ackerstandorte registriert, an denen mehrfach „auffällige Konzentrationen an Schadstoffen“ gefunden wurden. Jedoch, kam der Bericht zum Schluss, die gemessenen Konzentrationen übersteigen keine gesetzlich festgelegten Grenzwerte (weil es vielfach gar keine GW gibt). Für fünf konkrete Standorte empfahl der Bericht allerdings, der Herkunft der jeweiligen Schadstoffe bzw. Schadstoffgruppen nachzugehen. Im direkten Vergleich stellte envirolab in St. Veit fest, dass die polyzyklisch aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK), Hexachlorbenzol (HCB) und polychlorierte Dibenzodioxine/Dibenzofurane (PCDD/PCDF) bei den Probenergebnissen durchwegs höher liegen, als in den AustroPOPs-Ergebnissen. Der erfahrene Bodenexperte Dipl. Ing. Kurt Scheidl fasst in seinem Abschlussbericht zusammen, dass St. Veit schlechtere Werte hat, als beispielsweise Wien oder Salzburg. Für Scheidl ist klar, es muss in St. Veit einen deutlichen Eintrag von Umweltschadstoffen in den Boden geben bzw. gegeben haben.

Das ernüchternde Ergebnis der St. Veiter Bodenuntersuchung war Anlass, diese beim St. Veiter Bodentag am 27. Oktober im Hotel Fuchspalast öffentlich zu diskutieren. Die Resonanz aus dem dreistündigen Vortrag ist – ein großes Fragezeichen? Woher kommt diese Bodenbelastung und was kann man dagegen machen? Kann man den eigenen Gemüsegarten noch benützen? Mit diesen und weiteren Fragenstellungen werden nun seitens der St. Veiter Initiatoren die Entscheidungsträger auf Gemeinde- Landes- und Bundesebene konfrontiert werden. Die überwiegende Mehrheit derer, die an den Bodenproben beteiligt waren, ist bereit, ihre persönlichen Daten öffentlich zu machen. Aus den Ergebnissen der Bodenproben ergeben sich aber nicht nur viele Fragen, sondern auch ganz konkrete Forderungen, die demnächst bei den zuständigen Stellen – in der Hoffnung, dass sie auf „fruchtbaren Boden fallen“, deponiert werden.

Quelle: EU-Abgeordnete Frida Nilsson

Wir befinden uns an einem kritischen Punkt was die Bodengesundheit betrifft, sagt die EU-Abgeordnete Frida Nilsson (European Committee oft he Regions-CoR) und begründet dies mit wissenschaftlichen Daten. Am 5. Dezember 2023 findet der alljährliche Weltbodentag (World Soil Day) statt. Mit diesem Aktionstag soll weltweit aktiv für den Bodenschutz geworben werden. Um jährlich einen Schwerpunkt zu setzen, wird jeweils ein Boden besonders hervorgehoben und als „Boden des Jahres“ bezeichnet. 2023 ist das der Ackerboden. Weil wir ihn für unser tägliches Brot benötigen, verdient er tatsächlich die größte Aufmerksamkeit. Am 5. Dezember, am Weltbodentag, wird entschieden, welchen Boden wir 2024 auf das Stockerl stellen sollen. Notwendig wäre offensichtlich der „St. Veiter Boden“. Man wird sich ja noch etwas wünschen dürfen. Von den zuständigen Bodenschützern in Kärnten und im Bund wird in Kenntnis der schlechten Ergebnisse von St. Veit jedenfalls erwartet, dass sie ein deutliches Zeichen für die Zukunft der Bodenqualität im Bezirk St. Veit setzen. Immerhin, die Kärntner Landesverfassung stellt im Artikel 7a bezüglich Boden klare Ansprüche: Das Land und die Gemeinden haben im Rahmen ihres Wirkungsbereiches die natürliche Lebensgrundlage Boden zu schützen, sparsam und schonend zu nutzen und jeglichen Gefährdungen entgegenzuwirken. Ein klarer und zweifelsfreier Auftrag, dessen Erfüllung die Bürger jetzt umgehend einfordern. Untermauert werden die Bürgerinteressen auch durch den aktuellen Umweltkontrollbericht des Umweltbundesamtes (UBA). Dort steht unmissverständlich: „Es gibt Hinweise auf eine mögliche Belastung des Bodens mit einer Reihe organischer Schadstoffe. Untersuchungen zur Herkunft dieser Schadstoffe und mögliche Auswirkungen sind zu empfehlen. Österreichweite, verpflichtende Grenzwerte für diese Stoffe gibt es derzeit nicht.“  Überhaupt liegen für viele Chemikalien, die die Bodenqualität gefährden, europaweit noch keine Bewertungen und entsprechende Risikomanagementmaßnahmen vor. Im Fokus stehen international besonders gefährliche per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) und Quecksilber. (PB)

Eskalation im Nahostkonflikt

Text: Peter Baumgartner

Auch das noch! Schon 91 Länder sind heute irgendwie in externen Konflikten verwickelt. 2008 waren es noch 58 und 2023 stieg die Zahl der Opfer um 96 Prozent.

Man muss sich das völlig unvoreingenommen und frei von jeder Parteinahme vor Augen führen: Wir befinden uns im 21. Jahrhundert. Wissenschaft und Forschung haben gigantische Entwicklungen gebracht, die Künstliche Intelligenz kann erstmals unsere Denkleistung unterstützen, dank Robotik können Lahme wieder gehen und ja, wer möchte, kann am Lenkrad sogar schlafen. Und tatsächlich könnten wir unsere kaputte Umwelt wieder hinkriegen. All das und noch viel mehr hält uns dennoch nicht davon ab, Kriege wie im Mittelalter zu führen. Abschlachten, ausbrennen, belagern, schänden und vertreiben sind unsere sozialen „Fähigkeiten“, die wir selbst auf dem Weg zum Mars nicht ablegen wollen. Es sind tief verinnerlichte, lieb gewordene Gewohnheiten, die darauf abzielen, den jeweils anderen der eigenen Spezies ermorden zu wollen. „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“(Bush) und wird im Zweifelsfall mit einem „Präventivschlag“ ausgelöscht. „Auslöscher“ (m/w) beschreibt in diesem Fall eine hauptberufliche Tätigkeit, die von immer mehr SchulabgängerInnen angestrebt wird.

Wie für alles, gibt es auch eine Ranking-Liste für friedliche Länder. Die wird allerdings immer kürzer und droht obsolet zu werden.

Der Anteil der USA an den weltweiten Waffenexporten stieg 2023 von 33 auf 40 Prozent und Frankreich darf sich mit 11 Prozent Anteil schon als europäischer Spitzenreiter bezeichnen. Unter den Top-10-Importeuren befinden sich die Staaten im Nahen Osten wie Saudi-Arabien, Katar und Ägypten. Dies spiegelt besonders deutlich die schizophrene Lage im aktuellen Konflikt Israel-Palästina. Mit dem Höhenflug der europäischen NATO-Staaten, die ihre Waffenimporte um 65 (!) Prozent erhöht haben, schwimmt auch das „neutrale“ Österreich mit und erhöht das Verteidigungsbudget aktuell um 790 Mio. Euro. In Summe wird das Verteidigungsbudget in der nächsten Regierungsperiode verdoppelt und auf „NATO-Niveau“ gebracht. Allerdings heißt diese „militärische Operation“ auf österreichisch „Neutralitätsfonds“ und nicht Verteidigungsbudget. Wir haben schließlich einen Ruf zu verteidigen (Schönreden, Schönschreiben). Es reicht vollkommen, wenn nur die (Neutralitäts)Ministerin ordentlich wehrhaft und rambotisch wirkt („Airbus wird mich noch kennenlernen“). Angesichts dieses globalen „Aufbauplanes“ wird es für die National Rifle Association (NRA) echt schwer, aus dem Heer der AnwärterInnen für den höchsten Award die richtige Auswahl zu treffen.

SIPRI führt penibel die Statistik der weltweiten Gräuel, damit wir nicht den Überblick verlieren.

Kaum eine Fehlinterpretation hält sich hartnäckiger, als die biblische Rechtsnorm über „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Zugegeben, dieser Weisheit zu folgen, ist nicht immer leicht. Einmal gesagt, entwickelte sich die Aussage zum nützlichen Kampfgeschrei vom Pausenhof bis hin zum internationalen Schlachtfeld. Da hilft auch die biblische Nachschärfung von höchster Stelle von wegen Hinhalten der linken Backe und so, auch nichts mehr. Vergeltung! Rache! Wie Du mir, so ich Dir! Sind wir wirklich so primitive Wesen? Ist die Dummheit angeboren? Oder werden zentrale Gesellschaftsnormen absichtlich – quasi aus Kalkül, immer wieder falsch interpretiert? Liegt darin die Erklärung der Geschichte, wonach sich diese ständig wiederholt, begründet? Fragen über Fragen – keine Antworten. Derweil schwillt das Kriegsgeheul weiter an und übertönt – wie immer – die Stimmen, die nach Frieden rufen. „Auge um Auge – und die ganze Welt wird blind sein“ (Ghandi). (PB)

Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald

Text: Peter Baumgartner

Bild: Stefan Baumgartner

Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald, nachdem sie von ihren armen Eltern vor die Tür gesetzt wurden. In die Gegenwart übersetzt würde man heute sage, das sind zwei von diesen 353.000 Kindern, die in Österreich von Armut betroffen sind und jetzt irgendwo in den Wäldern herumirren. Wahnsinn! Die Wälder in Österreich könnten tatsächlich voll von vertriebenen Kindern sein. Aber nein, für eine warme Mahlzeit müssen die österreichischen Kinder heute nicht zur Hexe in den Wald. Fortgehen müssen dennoch viele. Anders als im Knusperhäuschen, gibt es für sie dann auswärts zunächst zwar keinen Job oder eine Mast, dafür aber eine warme Mahlzeit und sie können jeden Tag wieder zu Hause schlafen – sofern sie nicht von Angstträumen wachgehalten werden. Das ist doch 200 Jahre nach der überlieferten Geschichte von Hänsel und Gretel ein gesellschaftlicher Fortschritt – oder nicht? Was sind schon 200 Jahre in der Menschheitsgeschichte? Ein Wimpernschlag. Heute wird Kindern sogar schon eine „Perspektive gegeben“ und selbst das Parlament mit allen „Stakeholdern“ beschäftigt sich extra mit dem Kindeswohl. Fast hat man den Eindruck, ein regelrechter Wettstreit um das beste Wohlfühlpaket für Kinder ist ausgebrochen. „Initiativen“ auf die man stolz ist, rauschen durch den Blätterwald. Ein „Nationaler Aktionsplan“ (NAP) ist schon längst auf Schiene und der „European Child Guarantee“-Bericht hat schon Buchformat. Allein, nicht alle wollen den versprochenen „Chancen“ für Kinder Glauben schenken. Barbara Blaha ortet zum Beispiel einen Systemfehler in Österreich und unterstellt gar Absicht, weil Armut ein praktisches Disziplinierungsinstrument sein könnte. Da ist was dran. Warum sonst gibt es so etwas wie eine manifestierte Armutsschicht im reichen Österreich? Aber vielleicht gibt die politische Eitelkeit und der unbändige Drang nach Selbstdarstellung der Sache einen neuen Schub. Gut wär`s, denn vermutlich hat das Knusperhäuschen mittlerweile auch schon eine PV-Anlage und man kann die Hexe nicht mal mehr in den Ofen schupfen…

In der EU insgesamt war 2022 das Risiko von Armut oder sozialer Ausgrenzung für Haushalte mit unterhaltsberechtigten Kindern etwas höher als für Haushalte ohne Kinder.

Mehr als ein Fünftel (22,4 %) der Menschen, die in Haushalten mit unterhaltsberechtigten Kindern in der EU lebten, waren von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, was etwas höher war als der entsprechende Anteil bei Haushalten ohne unterhaltsberechtigte Kinder (20,8 %). Diese Quoten waren jedoch in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich. Bei Personen, die in Haushalten mit unterhaltsberechtigten Kindern leben, reichte die Quote von Spitzenwerten von 36,0 % in Rumänien, 30,7 % in Bulgarien und 29,2 % in Spanien bis hin zu 11,7 % in Dänemark, 11,3 % in Tschechien und 8,9 % in Slowenien. Bei den Haushalten ohne unterhaltsberechtigte Kinder schwankten die Quoten zwischen 34,5 % in Estland, 33,8 % in Bulgarien und 33,4 % in Lettland bis zu 14,5 % in Luxemburg, 12,3 % in Tschechien und 11,4 % in der Slowakei. In Österreich, wo sich die Medien über Orbans Selbstbeweihräucherung lustig machen, geht es Haushalten mit Kindern anscheinend schlechter als in Ungarn. Aber vielleicht liegt das daran, dass bei uns Kinder als „wertvollstes Gut“ (LH Peter Kaiser) gesehen werden. „Investitionen“ in Kindern bringen „Nutzen“. Kinder sind quasi gut verzinste Aktien, sagt Kaiser. Nur, Aktien können an Wert verlieren. Man kann sie „abstoßen“ oder einfach im Depot liegen lassen. Und man kann damit handeln – sogar mit Teilen davon. Damit schließt sich der Kreis und manche gesellschaftliche Realität wird erklärbarer: Alles wird teurer, textet Georg Kreisler 1968, nur der Mensch ist nach wie vor nichts wert. 40 Schilling – samt den Knochen – chemisch gesprochen. (PB)

Klimaneutral.abnormal.egal.

Text & Bilder: Peter Baumgartner

Bürgerbeteiligung bei der Diskussion zur Klimaneutralität ist ein wenig wie humaner Strafvollzug. Man darf sich die Strafe selber aussuchen.

Der Versuch einer Komparation zum Begriff Klimaneutralität zeigt, man kann die Steigerungsform nach Belieben anwenden, weil noch niemand den Beweis antreten musste, tatsächlich klimaneutral zu sein. Das haben wir schon als Schulkinder gehört: „Mein Papa ist viel stärker als deiner“. Sind jemals zwei Väter in den Ring gestiegen, um den Beweis für die Behauptung ihrer Sprösslinge anzutreten? Ich glaube nicht. Mit der Klimaneutralität ist es ähnlich. Man erweckt den Eindruck klimaneutral zu sein (oder zu werden), aber mit den Beweisen ist es dann so eine Sache…

Seit 2007 unterstützt der Klima- und Energiefonds den Aufbau von Klima- und Energie-Modellregionen in Österreich. Derzeit gibt es 124 Modellregionen in 1134 Gemeinden und es werden laufend mehr. Die Ziele sind neben einer Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit, Maßnahmen im Bereich Energie und Mobilität zu setzen. Übergeordnetes Ziel für Österreich, ist die Klimaneutralität-2040. Seit der Gründung hat der Klima-und Energiefonds mit 2,4 Mrd. Euro Steuergeld mehr als 300.000 Projekte auf dem Weg zum Ziel in Österreich gefördert. 433 Mio. Euro betrug das Förderbudget 2022. Auch St. Veit ist nach beträchtlichen Vorleistungen bereits seit 2015 eine Klima- und Energie Modellregion (KEM) und Nutznießer des Fördertopfs. Unter der Überschrift „Sonnenstadt St. Veit“ wurde schon in den 1990er Jahren kräftig in die Klimaneutralität der Stadt investiert. E-Carsharing („Twicy“), e-bikes, PV-Anlagen, Ausstellung „Erlebnis Energie“ und LED Umrüstung der Straßenbeleuchtung etc., gingen einher mit einer einschlägigen Industrieansiedlung, die zu den PV-Pionieren in Österreich zählt. Für sie wurde die Glan über Nacht zum Klondike River. Ende 2014 konnten 900 durchschnittliche Haushalte mit Strom aus erneuerbarer Energie versorgt werden. St. Veit rühmte sich stolz, Österreichs größter Produzent von Photovoltaik-Strom zu sein. Außerdem waren schon 70 Prozent der Häuser an das örtliche Fernwärme-Netz angeschlossen. Damals hatte St. Veit 5.813 Haushalte mit 12.524 Einwohnern und Bürgermeister Gerhard Mock verkündete seine Vision von einer energieautarken Stadt im Jahre 2020. Im Jahre 2022, da war schon Martin Kulmer Bürgermeister, verfügten 1500 von 6400 Haushalten über Sonnenstrom und 60 Prozent wurden mit Fernwärme versorgt. Qualmende Schlote gibt es in St. Veit dennoch mehr als genug. Manche Fördernehmer scheinen auf Nummer Sicher gehen zu wollen und trennen sich trotz PV-Anlage am Dach nicht von ihrem alten Verbrenner im Keller.

Frage an Radio Jerewan: Ist es sinnvoll, wenn ich auf erneuerbare Energie umsteige? Antwort: Im Prinzip ja – wenn die Sonne der Kelag keine Rechnung schickt.

Am 13. September 2023 lud St. Veit zur Auftakt- und Informationsveranstaltung zum Klimaneutralitätsfahrplan. Auch dieses Projekt („Leuchttürme für resiliente Städte 2040“) wurde vom Klimafonds gefördert (79.990 Euro). Damit sollte neuer Schwung in die 2040-Vision gebracht werden. Diesmal waren die Bürgerinnen der Stadt eingeladen, ihre Ideen einzubringen und am Gelingen beizutragen. Nach offiziellen Angaben sind mehr als 100 Personen der Einladung gefolgt. Mit „Die Stadt St. Veit an der Glan hat viel Verkehr“, eröffnete Bürgermeister Martin Kulmer die Veranstaltung. Besonders der Durchzugs- und Schwerverkehr beschäftigt das Stadtoberhaupt über Gebühr.  Deshalb möchte St. Veit/Glan mit gutem Beispiel vorangehen und ein Leuchtturm für andere Städte und Gemeinden sein. Ein ambitioniertes Ziel, wenn man bedenkt, welche Zielsetzungen bereits versäumt wurden oder schon lange in der Warteschleife hängen.

Hinsichtlich der Mobilität gibt es schon über viele Jahre „Vorarbeit“ durch die Stadtregierung. Der Verkehrspapst Hermann Knoflacher höchstpersönlich hat sich mehrfach um den Verkehr in St. Veit gekümmert. Erstmals hat er 1971 und später 1989 entsprechende Vorschläge gemacht, was sich in der Stadt ändern muss. 2019 waren die TU-Wien-Mobilitätsexperten wieder vor Ort und verschriftlichten den, ihrer Meinung nach, notwendigen Handlungsbedarf. Kulmer, damals noch Vizebürgermeister, meinte, „Die Ergebnisse sind gut und wichtig. Sie werden uns die nächsten Jahre und Jahrzehnte beschäftigen.“ Seither pulsiert und brummt der Verkehr in der Stadt mehr denn je. Inzwischen hat die KEM-Nachbargemeinde Liebenfels – interkommunaler Zusammenarbeit zum Trotz, die Ansiedlung von „Europas größtem PV-Anlagen-Werk“ im Dorf angekündigt. St. Veit würde davon auch profitieren – vom Durchzugsverkehr. Zum Glück ist diese Vision in Konkurs gegangen, aber die Entwicklung ist dadurch wahrscheinlich nur verzögert. Dennoch wächst der Stau vor den Bahnübergängen. Wobei es nur eine Frage der Zeit ist, wann beim unbeschrankten Bahnübergang wieder eine Tragödie passiert. Die Feinstaubmessung in der „Sonnenstadt St. Veit“ hat man angesichts der Verkehrsbelastung vorsorglich gleich verräumt. Nach dem Motto, was ich nicht weiß… Kleinkinder werfen bekanntlich die Hände schützend vor die Augen, weil sie glauben, dass sie das Böse dann nicht sehen kann.

Bürgermeister Martin Kulmer hat die Staffel vom Vorgänger Gerhard Mock übernommen – mit zeitlich angepasster Zielsetzung. 2040 statt 2020.

Wie bereits festgestellt, verfügt St. Veit schon seit vielen Jahren über ein Fernwärmenetz. Angeblich soll es sogar das dichteste Fernwärmenetz in Europa sein. Anfänglich galt es auch als besonders fortschrittlich und umweltfreundlich. Doch inzwischen ist die Fernwärmeerzeugung ein Produkt der Müllverbrennung. Die Anlage ist im allgemeinen Sprachgebrauch noch immer „nur“ eine sogenannte „Mitverbrennungsanlage“ die keinen Müll, sondern „Ersatzbrennstoffe“ (EBS) verheizt. Und was oben am Kamin herauskommt, belastet die Stadt eh nur gering, weil der Kamin so hoch ist, dass die Randgemeinden auch etwas davon haben. Inzwischen geht das Spiel so weit, dass der ursprüngliche Zweck der Energiegewinnung zur Nebensache und das Müllgeschäft zur Hauptsache wird. Und dann sind da noch die Heizkosten für die „umweltfreundliche“ Wärme. Wir erzeugen sie vor der Haustür, liefern den Brennstoff, schlucken den Dreck – und bezahlen dennoch den Welthandelspreis.

Der Stau vor den geschlossenen Bahnübergängen wächst. Wahrscheinlich ist der Klimawandel schuld…

Ob Kulmers 2040-Vision so endet wie Mocks 2020-Vision, wird man sehen. Die großen Fragen sind allerdings: Wollen wir diese Klimaneutralität überhaupt? Sollten wir es wollen und sind wir uns der Folgen bewusst? Wie es scheint, werden die Fragen zunehmend enthusiastisch mit Ja beantwortet. Damit ist gar nicht so sehr der Zustand freudiger Erregung der Grünen gemeint, die ihrer Klimagöttin Eleonore bedingungslos nacheifern. Vielmehr trägt der mediale Hype Früchte und vernebelt den Blick auf das Ganze. Es könnte aber auch sein, dass der normale Bürger gar keine Wahlfreiheit (mehr) hat. Zahlen oder mit den Folgen des Klimawandels leben. Ist das die Zukunftsperspektive der Normalbürger? Was hilft nachhaltiger – Resilienz oder Geld? Oder wird gar nur beides im Übermaß ein halbwegs erträgliches Leben ermöglichen? Das würde zumindest erklären warum die, die es können, sich dreist die Taschen anfüllen. Immer mehr Bürger kommen sich jedoch vor wie der blutüberströmte Boxer in der Ringecke, dem sein Trainer eintrichtert, dass er den aussichtslosen Kampf auf jeden Fall gewinnen wird. Von wegen, die Sonne schickt keine Rechnung!

PV am Dach, Kohle im Keller. Der kluge Bürger baut vor.

An dieser Stelle beginnt die allseits bekannte Diskussion darüber, dass zwei Experten drei Meinungen vertreten. Dieser Diskussion wollen wir uns nicht anschließen und stattdessen lieber etwas auf das Bauchgefühl hören: Zwischen Wollen und Tun liegt offensichtlich ein tiefer Graben. Die zahlreich anwesenden Teilnehmer bei der Auftaktveranstaltung zur Klimaneutralität-2040 zum Beispiel, haben überzeugend für die 2040-Vision gestimmt und sind dennoch mehrheitlich mit dem PKW angereist. Wobei der E-PKW Anteil bekanntlich noch sehr gering ist. Wichtig ist, wird bei den „Projekten“ immer gesagt, dass alles zielgerichtet, faktenbasiert und messbar abläuft. Dennoch ist die 2020-Vision im Sande verlaufen. TINA! (there is no alternative), ruft die Klimagenossenschaft. Setzt Duftnoten – und macht weiter wie bisher.

Gemessen wird der Feinstaub in St. Veit schon lange nicht mehr. Man weiß eh, was da ist.

Das örtliche Entwicklungskonzept, bekanntlich das wichtigste Planungsdokument einer Gemeinde, stammt in St. Veit aus dem Jahre 2014. Es wurde also in einer Zeit verfasst, als die Vision-2020 noch Dogma war. Dementsprechend ambitioniert waren teilweise die verschriftlichten Pläne der Stadt. Verkehrsreduktion war zum Beispiel schon damals ein wichtiges Thema. Beinahe 10 Jahre nach der Veröffentlichung des ÖEK ist die Bilanz überschaubar. Aber vielleicht kommt man ob der vielen „Projekte“, bei denen schöne Bilder im Vordergrund stehen, nicht zum Abarbeiten der To-do-Liste. Vor dem Hintergrund der Bodenversiegelung-ist-pfui Debatte, wird die Nutzung von sogenannten Brachflächen in der Raumordnung und Betriebsansiedlungspolitik zunehmend wichtiger. Nicht (mehr) genutzte Industrieflächen sollen vorrangig einer neuen Nutzung zugeführt werden, bevor wieder auf der grünen Wiese gebaut wird. Was auf den ersten Blick eine durchaus sinnvolle Maßnahme ist, entpuppt sich auf dem zweiten Blick als „Verewigung von Altlasten“ mit allen Konsequenzen und öffnen Tür und Tor für Grundstücksspekulationen. Kontaminierte Böden sollten nämlich vordringlich so saniert werden, dass sie danach wieder vielfältig genutzt werden können. Dafür gibt es ein Altlastensanierungsgesetz. Wenn man Altlasten stattdessen „überbaut“ und das dann als Beitrag zur CO2-Kompensation verkauft, ist es Rosstäuscherei.

Ungeachtet des fortgeschrittenen Ausbaus von erneuerbarer Energie in St. Veit.
Es gibt noch viel zu tun.

Optimistisch könnte man am Ende der Betrachtung anmerken, dass es viele engagierte Entscheidungsträger und Mitstreiter gibt, die ehrliches Bemühen nicht nur zum Spaß vor sich hertragen. Vielleicht nicht genug, aber viele Leute, auch in St. Veit, wollen Teil der Lösung und nicht bloß Meckerer auf dem Balkon sein, die alles besser wissen. Ihnen gilt es Vertrauen zu schenken und dort wo es möglich ist, unterstützend zu wirken. Leider zählt das persönliche Engagement der Bevölkerung nicht gerade zu deren Stärke. Deshalb kann man die Bürgerbeteiligung bei der vergangenen Veranstaltung nicht hoch genug einschätzen. In diesem Fall war sogar das Steuergeld gut investiert. 

Problem versus Möglichkeit

Text: Peter Baumgartner.

Sebastian Kurz 2018 in Kärnten. Mit einem „neuen Stil“ will er die Probleme angehen, versprach er seinen 1300 begeisterten Parteifunktionären in Kärnten – mit dem mittlerweile bekannten Ergebnis. Quelle: Peter Baumgartner

Die Strategie muss im Silicon Valley entstanden sein. Es geht um das Problembewusstsein. Viele Menschen glauben, Probleme gibt es nicht. Es gibt nur Möglichkeiten und Chancen. Das Umweltproblem wird so zur Möglichkeit der Veränderung. Ein Eheproblem kann man auch als Chance zur Bewusstseinserweiterung wahrnehmen. Man kann überhaupt alle Probleme ablehnen und nicht anerkennen. Ich habe die Erfahrung bei einem hoffnungslos verschuldeten Menschen gemacht. Er hat einfach alle Rechnungen „stillgelegt“. Logischerweise müsste dann der nächste Schritt folgen und „Möglichkeiten“ genutzt werden. „Wenn wir verstehen, dass die Zukunft gestaltbar ist, verliert sie von ihrer Bedrohlichkeit“, sagt ein Klugscheißer aus der Finanzindustrie, der wohl auch von Silicon Valley geprägt ist. Günther Nenning würde wahrscheinlich entgegenhalten, ein Problem ist ein Problem, ist ein Problem. Aber Nenning ist schon gestorben und seine Lösungskompetenz hat sich nicht durchgesetzt. Durchgesetzt hat sie (anscheinend) der Möglichkeitsglaube. Auch Angela Merkel dachte „Wir schaffen das“. Das Ergebnis wird auch tatsächlich vielfach als Erfolg betrachtet – was natürlich Blödsinn ist. Meine Theorie ist ja, wenn sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass man ein Problem nicht (mehr) lösen kann, tauft man es einfach in Möglichkeit um. Natürlich könnte man auch auf den Mond oder den Mars auswandern, wenn einem die Probleme auf der Erde über den Kopf wachsen. Aber das ist halt (noch) nicht für alle Problemträger möglich. Und Teleportation hat sich in der problembehafteten Welt auch noch nicht durchgesetzt. Außerdem, ich befürchte, die Erdprobleme werden immer im Handgepäck mitfliegen. Also wandeln wir die Probleme als Sprachschöpfung in Möglichkeiten um, dann haben nachfolgende Generationen auch etwas davon. Damit kommen wir vielleicht noch ein paar Generationen durch – mit etwas Glück. Dummerweise gibt es zunehmend Menschen, die Probleme nicht nur als solche ablehnen, sie suchen sie geradezu aktiv und in vollem Bewusstsein der Folgen. Man kennt das Phänomen aus der Juristerei. Aber da wandert höchsten eine schutzlose Person unschuldig hinter Gitter. Typisches Beispiel einer unlösbaren Problemgeschichte ist die „Künstliche Intelligenz“. Der niederschwellige Zugang zur KI und die flächendeckende Verbreitung schaffen endlos neue Probleme die es vorher nicht gab. Dennoch machen wir daraus Möglichkeiten. Blöd wird es, wenn zum Beispiel ein ganzes Tal durch einen Mix aus Gier und Dummheit den Görtschitzbach hinunter schwimmt. Wenn man dann nicht auf den Mond verschwinden kann, hat man nicht mehr viele Möglichkeiten. (PB)

Wo ein Wille, da ein Uferweg

Text: Peter Baumgartner

Der freie Seezugang beschäftigt weiterhin das gemeine Volk. Alljährlich zur warmen Jahreszeit, begibt sich die Journalisten Zunft auf Feldforschung. Ein Journalist in Badehose ist neu.

Abgesehen davon, dass die Recherche des Journalisten Thomas Martinz für den Bericht „Große Seen-Sucht“ in der Kleinen Zeitung für ihn wahrscheinlich eine willkommene Gelegenheit war, bei Sonnenschein das muffige Büro ganz legal in Richtung Strand verlassen zu dürfen, wiederspiegelt die Arbeit jedoch ein typisches Beispiel von „verspielter Journalismus“. In positivem Sinn natürlich – davon gehe ich mal aus. Verspielt könnte ja auch geistesabwesend bedeuten. Nein, ich meine eher, der Redakteur wollte im Bewusstsein seiner Machtlosigkeit spielerisch wirken und war dabei höchstens etwas abgelenkt. Wie ein Delphin. Er macht lustige Figuren, schwimmt zwischendurch aber immer wieder.

Was war passiert? Nach der mühsamen Sedierung der „Mutbürger“ durch die Polit-Anästhesisten, die mit ihrem Seen-Volksbegehren für einigen Wirbel gesorgt hatten, wurde es langsam wieder „still um den See“. Bis ORF-Eco Spezial vor ein paar Tagen der Frage nachging, wem die Seeufer eigentlich gehören. Dabei stolperte die Redaktion über den Begriff „Gemeingebrauch“, der im Wasserrechtsgesetz eigentlich eindeutig geregelt und Grundlage jeder vertraglichen Transaktion von Seegrundstücken ist. Dennoch zeigte man sich vom Ergebnis der Feldforschung „überrascht“ und provozierte mit dem TV-Beitrag den Martinz-Selbstversuch, der prompt in Badehose die Strände der Promi-Villen abklapperte. Ein neues Medienformat war geboren – Floating Journalism.

Eröffnung „Freier Seezugang Rauschelesee“/2019; Wenn Gesichter Worte sprechen.
Quelle: LPD/Szalay

Gegenstand der Begierde ist der, vom Wasserstand abhängige und begehbare Uferstreifen, der naturgemäß nicht immer gleich ist. Die Grund- oder Pachtgrenze eines Ufergrundstückes endet, bzw. beginnt auch seeseitig natürlich immer am gleichen Punkt. Und der ist vertraglich an Gewässern mit schwankenden Pegelständen durch den „regelmäßig wiederkehrenden, ordentlich höchsten Wasserstand“ definiert. Klingt logisch und ist es auch. Nur ergibt sich daraus folgerichtig ein temporärer Uferstreifen – mal mehr oder weniger. Bei normalen Pegelständen ist der Uferstreifen kaum oder gar nicht sichtbar. Wenn der Wasserstand zum Beispiel bei längerer Trockenheit sinkt, „wächst“ das Ufer.  Dieser „neue“ Grund gehört natürlich nicht dem angrenzenden Grundstückseigner/Pächter, sondern ist bei öffentlichen Gewässern eben „Gemeingut“. Mit zunehmender Verbauung der Seeufer, wächst allerdings die sich aus dem „Gemeingut“ ergebende Problematik. Das haben die gescheiten Herrn und Damen in den Amtsstuben nicht bedacht. Plötzlich plantschen Hinz und Kunz vor der privaten See-Villa auf einem 1-Meter breiten, öffentlichen Uferstreifen. „Dank“ Klimawandel könnten sich vielleicht räumlich sogar bald Sonnenliege und Strandgriller ausgehen – vorausgesetzt, man kann wasserseitig anlanden. Uferseitig wird man das begehrte Land eher selten erreichen, denn einen Zugang an privaten Grundstücken vorbei, wird man meist vergeblich suchen. Es könnte aber auch der umgekehrte Fall eintreten und große Teile des privaten Ufergrundstückes dauerhaft überschwemmt werden. Das liebevoll gepflegte Rosenbeet und der Marmorbrunnen würden dann in den Fluten versinken. Die aufgeflammte Diskussion um den „Gemeingebrauch“ wird den Regelungsdruck jedenfalls erhöhen. In welche Richtung es gehen wird, kann man sich vorstellen. Ufer-Grundstücksbesitzer werden sich vorsehen müssen. Man muss kein Wahrsager sein um zu erahnen, dass der Wasserstand bald im Sinne der Pächter/Eigner „geregelt“ wird. Das war nicht immer so. 1857 zum Beispiel, befanden die Vorfahren der heutigen Beamten, man kann armen Keuschlern auch die Aufschüttung der Seeuferflächen erlauben, weil sie bei mehr Ertrag auch mehr Steuern zahlen werden. Weitsicht zählte damals noch zum Qualifikationsprofil eines Beamten.

Freier Seezugang Wörthersee. „Genießen Sie Kärnten“ Wir schützen freie Seezugänge für alle. In diesem Fall muss man schon auch klettern können. Quelle: Peter Baumgartner

Anderswo hat man von „Gemeingebrauch“ längst eine andere Vorstellung als bei uns. In Italien beispielsweise, haben sich an den Stränden unzählige kleine Herrschaftsgebiete gebildet. Jedes stabilimento balneare, jedes Strandbad, ist ein eigenes Königreich und der „Bagnino“ hebt die Strandsteuer ein. Wenn sich die EU nicht einmischt, wird es auch so bleiben. In Griechenland werden ähnliche Verhältnisse unfreundlich als mafiös bezeichnet. Dabei verdienen die Kommunen – im Gegensatz zu uns, wenigstens ein wenig mit. Einen ganz anderen Weg geht Monaco mit dem in Bau befindlichen neuen Stadtteil „Mareterra“, der buchstäblich Neuland schafft und das Land einfach um 3 Prozent vergrößern wird. Von wegen, Land kann man nicht vermehren! Nix für Flip Flop -Touristen natürlich. Der Anspruch lautet: Die teuerste Immobilie der Welt. Listig gingen und gehen die Schweizer vor, wenn sie den Anspruch haben, ihre schönen Gewässer auch öffentlich nutzen zu wollen. Als Roger Federer ein Seegrundstück kaufte, erwog man etwas humorvoll, dieses wasserseitig mit einer Brücke für ausgesperrte Uferwanderer zu überbauen. Das Haus, besser gesagt Federers-Stadtviertel, ist zwar bald fertig, aber öffentlichen Uferweg gibt es noch nicht. Tatsächlich umgesetzt hat man beispielsweise einen 841 Meter langen Holzsteg am Zürichsee (Beitragsbild) als Umgehung für einen nicht nutzbaren Uferbereich. Man stelle sich vor, das Glock-Anwesen am Wörthersee kann man einfach auf einem Ufersteg umgehen. Vermutlich würde die Artillerie vorrücken und den Steg in Stücke schießen. Wenig zimperlich, bayrisch eben, gehen unsere Nachbarn mit dem Thema freier Seezugang um. Wenn es darum geht, für die verfassungsrechtliche Durchsetzung der Bürgerrechte zu kämpfen, fährt gleich der Bagger auf. Bereits 1969 sorgte ein Bürgermeister durch eine Geröll- und Kies Schüttaktion vor einer Promivilla am Tegernsee für ein öffentliches Ufer. Viele Kollegen folgten seinem Beispiel und jetzt vor den Wahlen „kümmert“ sich die Bayernpartei wieder aktiv um das Thema Artikel 141 der Verfassung: „Staat und Gemeinde sind berechtigt und verpflichtet, der Allgemeinheit die Zugänge zu Bergen, Seen, Flüssen und sonstigen landschaftlichen Schönheiten freizuhalten und allenfalls durch Einschränkungen des Eigentumsrechtes freizumachen sowie Wanderwege und Erholungsparks anzulegen.“

Abkühlung für alle, fordern die GRÜNEN in Kärnten. Zu mehr reichen die Lücken im Schilf auch nicht und für einen Privatisierungsstopp ist es längst zu spät.

2017 forderte der Kärntner Schriftsteller Egyd Gstättner die „Rückeroberung“ des Wörthersees. In seiner Wahrnehmung steht der See in Geiselhaft der Reichen und Schönen. Ich war damals durchaus kampfbereit und hatte flugs eine Strategie erarbeitet. Leider wurde der Plan nicht umgesetzt. Vielmehr scheint zumindest in Kärnten ohnehin politischer Konsens in der Frage Uferverbauung zu bestehen. Quer durch alle Parteien, versichert immer der jeweilig zuständige Bürgermeister oder Bürgermeisterin, dass alle Bauprojekte rechtmäßig abgewickelt wurden. Die SPÖ Landesrätin Dörflinger versichert, „Wir haben alle gesetzlichen Möglichkeiten ausgereizt, um dem Seenvolksbegehren weitestmöglich zu entsprechen“. Sogar der grüne Parteichef darf – dank der frühen Geburt, im Naturschutzgebiet am See leben und kann die Motorsägen in der Nachbarschaft einfach nicht hören. Und der Bürgerprotest ist enden wollend. Falls Einheimische überraschend doch aufbegehren, werden sie konsequent von den Medien totgeschrieben. Der Schweizer Galionsfigur für den öffentlichen Uferweg, Victor von Wartburg, könnte das nicht passieren. Er sagt kämpferisch: „Wo ein Wille, da ein Uferweg“.

Leserbrief 22.7.2017

Man wird sich mit der Situation jetzt wohl auch arrangieren müssen, denn der Flaschengeist wurde spätestens mit der Privatisierung der Bundesforste freigelassen. Der „schönste Finanzminister aller Zeiten“, selber ein Kind vom Wörthersee, hat allen gezeigt, wie der Hase läuft. „Das einzige was passiert ist, dass wir die Verwaltung an die Bundesforste übertragen“, erklärte Karl-Heinz Grasser 2001 zum Taschenspielertrick mit den Seen. „Wir wollen es nur effizienter und billiger machen. Die Bundesforste sind nur eine Verwaltungsgesellschaft“ – so Grasser. Und alle Schafe machten „bäh“. Seit 2001, beziehungsweise seit der Ausgliederung der „Verwaltungsgesellschaft“ im Jahre 1997, warten die Steuerzahler darauf, dass sich nichts ändert und dass es billiger wird. Tatsächlich wurde es für die Immobiliendeals billiger und vor allem einfacher, weil man nur noch einen Ansprechpartner aus den eigenen Reihen hat. Das Risiko übereifriger Beamten ist erledigt. Für das „Volk“ werden ein paar steile Treppen zum Wasser neben einer öffentlichen Legebatterie wohl ausreichen. Hat eh keiner eine Boesch Yacht, die Infrastruktur braucht.

Mehr freie Strände und weniger Konzessionen, fordern die Bürger an den Italienischen Stränden. In kleinen Grüppchen kämpfen sie gegen übermächtige Strandkaiser.
Quelle: Coordinamento Nazionale Mare Libero

Was die jetzige Diskussion um den Uferstreifen auslösen wird, ist vergleichbar mit 2001. Wer wollte, konnte damals die „Anlandungen“ kaufen – oder pachten. Die Bevölkerung „durfte“ Grasser und Molterer via Kleine Zeitung die Meinung sagen. Ja, und da war vor 10 Jahren noch etwas mit einem See-Untersuchungsausschuss. Eine Gewerkschaftsbank saß auch im Boot. Und ebenfalls vor 10 Jahren mutierte der Wörthersee offiziell zur „Schlafstätte“ (Christian Kresse/2013). „Der See wird immer privater“, befand der verzweifelte, inzwischen vertriebene Tourismusmanager und stellte die rhetorische Frage: „Was wollen wir den Gästen noch anbieten?“. Glücklich ist, wer vergisst. Vergesslichkeit dürfte eine dominante Eigenschaft der Ureinwohner sein. (PB)