Österreichs Medienpolitik fördert mehrheitlich Auslandsmedien
Text: Peter Baumgartner
Die Medien lassen sich instrumentalisieren und verhöhnen, sagt die erfahrene Chefredakteurin Antonia Gössinger. Und sie stellt fest, dass kritische Selbstreflektion für ihre Artgenossen offenbar eine Nullnummer ist.
Die Frage ist, merken die es nicht, machen sie es absichtlich – oder ist es ihnen gar egal? Einer, der solche Medien-Instrumentalisierungen inszeniert und sich selber als Journalist bezeichnen darf, freut sich diebisch über die manipulierbare Buchstabensuppe. Mehr noch, er macht sogar ein Geschäftsmodell daraus und zeigt auf, wie die Medien-Puppen an den Fäden tanzen. In der harschen Kritik an ihrer eigenen Zunft, lässt sich Gössingers tiefe Scham herauslesen. Wie ist es möglich, dass sich ein vermeintlicher Qualitätsjournalismus so vorführen lässt? Der Arbeitgeber der Medien-Instrumentalisierung, Sebastian Kurz, wurde von den Medien sogar mit dem „Freiheitspreis der Medien“ und als „Kommunikator der Freiheit“ ausgezeichnet. Psychologisch kann man das vielleicht noch als eine Art von Stockholm-Syndrom entschuldigen. Florian Klenk, ein medialer Leuchtturm, bezeichnet seine Kollegenschaft gar als „Mikrofonständer“ und Stenografen der Regierung (Dez. 2018). Armin Turnherr, der Falter Gründer, ortet bei vielen Medien in Österreich eine Hofberichterstattung die feudale Züge hat und zutiefst kapitalistisch ist. Sichtbarer Beleg dafür mag die Vernichtung der Qualitätszeitung „Wiener Zeitung“ sein. Es gibt Journalismus zum Genieren – wieder und immer noch, stellt Chefredakteur Walter Hämmerle in seiner Diagnose fest und leider zählt „Lügenpresse“ keineswegs allein zum Vokabular von Verschwörungstheoretikern. Politologe Peter Filzmaier kritisiert, dass Medien, was bei Wahlen natürlich ziemlich fatal ist, zweifelhafte Meinungsumfragen ungeprüft übernehmen und diese selbst dann verbreiten, wenn gegen alle Regeln verstoßen wurde. Verlagschef Horst Pirker plaudert aus dem Nähkästchen und verrät, dass es in Österreich drei Arten von enger Verzahnung zwischen Medien und Politik gibt. Eine Art hat Ähnlichkeit mit einem Schutzgeldsystem. Grande Dame Anneliese Rohrer meint, „Alles, was Journalistinnen brauchen, ist Courage und Rückgrat“. Und „Die Politiker:innen sollten endlich aufhören, die Journalist:innen zu vereinnahmen, und umgekehrt sollten sich die Journalist:innen gegen eine solche Vereinnahmung zur Wehr setzen.“ Sichtbarer Beleg kommt vom Journalistinnen-Barometer: Das Verhältnis von Journalismus zur Politik hat sich für 40 % noch verschlechtert und die Selbsteinschätzung was das Berufsbild betrifft, beurteilen mehr als 71 % als negativ.
Die Liste der Medienfachleute, die wenig Schmeichelhaftes über ihre Kolleginnen zu berichten haben, ist lang. Meist sind es Experten, die sich ihre Unabhängigkeit erarbeitet haben und deren Meinung, wenigstens zeitweise, öffentliche Anerkennung findet. Im Gegensatz zu den Schwaflern und Jammerern, haben sie sehr wohl gezeigt, dass man im Dickicht der Politik und Wirtschaft unabhängig bleiben und überleben kann. Für den Qualitätsjournalismus heißt das, ja es gibt ihn – aber man muss ihn suchen. Er ist jedenfalls nicht leicht zu finden und schon gar nicht da, wo man es erwarten würde. Es gibt aber auch Medienarbeiter, die offensichtlich mit ihrer Rolle aus unterschiedlichen Gründen unzufrieden sind und versuchen, selber Politik zu machen. Sie versuchen, wie es beispielsweise Richard David Precht und Harald Welzer in ihrem Buch beschreiben, Politiker vor sich her zu treiben. Heraus kommen Medien, die immer mächtiger werden und Medienkonsumenten wissen, wenn diese Zeitung eine Kampagne startet, rollen im Parlament die Köpfe. Das nennt sich dann „Mediokratie“ und trägt nicht etwa zur Demokratisierung bei, sondern zerstört das letzte Vertrauen in die Politik. Die Putsch-„Regierung“ und die Ministerinnen dieser Mediokratie sind namentlich bekannt und sie lebt nicht etwa von den glücklichen Abonnenten die sie so generieren, sondern fürstlich auf Kosten der Steuerzahler. Zu allem Überdruss gibt es noch eine Mischung aus allen unsäglichen Medienexperten, die man aber, um das vorwegzunehmen, nicht über einen Kamm scheren darf. Es sind jene Experten, wie eingangs erwähnt, die den Drehtür-Effekt nützen und dann ihre Kolleginnen vorführen, weil sie es können und weil sie in der komfortablen Position sind, Macht über ihre ex-Kolleginnen auszuüben. Meistens sind diese Typen, von Helmut Zilk einmal abgesehen, in ihrer neuen Rolle nicht sehr erfolgreich und auch sie tragen durch ihre „linke Tour“ nicht zu Demokratiesierung bei.
Vor wenigen Wochen wurde das neue Gesetz zur Förderung des „Qualitätsjournalismus“ beschlossen. Ob mehr Geld instrumentalisierte Medien verhindern und besseren Journalismus fördern kann? Es darf gezweifelt werden. Sonst hätte wenigsten bereits der Presserat, selber üppig gefördert, mit seiner Selbstreinigungskraft, längst regulierend eingreifen müssen. Aber ein falsches System mit noch mehr Geld zu füttern, ändert nichts am System. Das Problem liegt in der grundsätzlichen Förderpolitik. In Österreich werden falsche Entwicklungen nicht bestraft, sondern grundsätzlich selbstverständliches Verhalten belohnt. „Gibst du mir kein Geld, bin ich eben ein Lump und hau dir in die Fresse“. Das klingt – siehe Horst Pirker, nach Schutzgelderpressung. „Es geht bei der Medienförderung nicht um die Subvention einer notleidenden Branche, sondern um die Infrastruktur der Demokratie“, hat Prof. Karmasin gelehrt. Förderungen in Mikrophonständer oder in instrumentalisierte Medien, sind unter diesem Gesichtspunkt das genaue Gegenteil von Infrastrukturförderung. Einen unabhängigen Journalismus, Meinungs- und Pressefreiheit zu fordern, weil es die Verfassung so vorschreibt, macht nur dann Sinn, wenn man willens ist, diese Freiheiten auch zu leben. Die Medienförderung in Österreich erfüllt einen einzigen Zweck: Sie treibt ihre mündigen Kunden förmlich mit Gewalt in die Arme ausländischer Anbieter. Wer Pluralität und Meinungsvielfalt sucht, wird im österreichischen Medienmarkt nur bedingt fündig. Aber selbst die Suche nach ausländischen Zeitungen gestaltet sich in Österreich außerhalb vom Zentralbahnhof als schwierig. Schon in mittelgroßen Städten wird man maximal an einer Verkaufsstelle fündig. In kleinen Städten oder gar in Ortschaften, muss man mit dem regionalen Angebot das Auslangen finden. Grob geschätzt, müssen zwei Drittel der Österreicherinnen mit dem Einheitsbrei das Auslangen finden. Vielleicht ist diese Art der „Zensur“ Ausdruck einer Branchenangst die weiß, dass das Angebot die Nachfrage bestimmt.