Problem versus Möglichkeit

Text: Peter Baumgartner.

Sebastian Kurz 2018 in Kärnten. Mit einem „neuen Stil“ will er die Probleme angehen, versprach er seinen 1300 begeisterten Parteifunktionären in Kärnten – mit dem mittlerweile bekannten Ergebnis. Quelle: Peter Baumgartner

Die Strategie muss im Silicon Valley entstanden sein. Es geht um das Problembewusstsein. Viele Menschen glauben, Probleme gibt es nicht. Es gibt nur Möglichkeiten und Chancen. Das Umweltproblem wird so zur Möglichkeit der Veränderung. Ein Eheproblem kann man auch als Chance zur Bewusstseinserweiterung wahrnehmen. Man kann überhaupt alle Probleme ablehnen und nicht anerkennen. Ich habe die Erfahrung bei einem hoffnungslos verschuldeten Menschen gemacht. Er hat einfach alle Rechnungen „stillgelegt“. Logischerweise müsste dann der nächste Schritt folgen und „Möglichkeiten“ genutzt werden. „Wenn wir verstehen, dass die Zukunft gestaltbar ist, verliert sie von ihrer Bedrohlichkeit“, sagt ein Klugscheißer aus der Finanzindustrie, der wohl auch von Silicon Valley geprägt ist. Günther Nenning würde wahrscheinlich entgegenhalten, ein Problem ist ein Problem, ist ein Problem. Aber Nenning ist schon gestorben und seine Lösungskompetenz hat sich nicht durchgesetzt. Durchgesetzt hat sie (anscheinend) der Möglichkeitsglaube. Auch Angela Merkel dachte „Wir schaffen das“. Das Ergebnis wird auch tatsächlich vielfach als Erfolg betrachtet – was natürlich Blödsinn ist. Meine Theorie ist ja, wenn sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass man ein Problem nicht (mehr) lösen kann, tauft man es einfach in Möglichkeit um. Natürlich könnte man auch auf den Mond oder den Mars auswandern, wenn einem die Probleme auf der Erde über den Kopf wachsen. Aber das ist halt (noch) nicht für alle Problemträger möglich. Und Teleportation hat sich in der problembehafteten Welt auch noch nicht durchgesetzt. Außerdem, ich befürchte, die Erdprobleme werden immer im Handgepäck mitfliegen. Also wandeln wir die Probleme als Sprachschöpfung in Möglichkeiten um, dann haben nachfolgende Generationen auch etwas davon. Damit kommen wir vielleicht noch ein paar Generationen durch – mit etwas Glück. Dummerweise gibt es zunehmend Menschen, die Probleme nicht nur als solche ablehnen, sie suchen sie geradezu aktiv und in vollem Bewusstsein der Folgen. Man kennt das Phänomen aus der Juristerei. Aber da wandert höchsten eine schutzlose Person unschuldig hinter Gitter. Typisches Beispiel einer unlösbaren Problemgeschichte ist die „Künstliche Intelligenz“. Der niederschwellige Zugang zur KI und die flächendeckende Verbreitung schaffen endlos neue Probleme die es vorher nicht gab. Dennoch machen wir daraus Möglichkeiten. Blöd wird es, wenn zum Beispiel ein ganzes Tal durch einen Mix aus Gier und Dummheit den Görtschitzbach hinunter schwimmt. Wenn man dann nicht auf den Mond verschwinden kann, hat man nicht mehr viele Möglichkeiten. (PB)