Boden-Offensive in St. Veit
Text: Peter Baumgartner
„Grundsätzlich gilt ein Boden als kontaminiert, wenn sich Schadstoffe/Schwermetalle anreichern und im Boden mobil sind“. Damit beschreibt BIO AUSTRIA umfassend die Bedeutung eines gesunden Bodens und dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.
Tatsächlich ist „der Boden“ meist nur sprichwörtlich in aller Munde – wenn er nicht generell als „Dreck“ behandelt wird. Wir reden ehrfürchtig von „Mutter Erde“ und mit Stolz vom Handwerk, das einen „goldenen Boden“ hat. Nach einem Bauchfleck wollen wir wieder „Boden gutmachen“ und danach trachten, „Grund und Boden nicht zu verlieren“. Über manches, dass dem „Fass den Boden ausschlägt“ regen wir uns auf und könnten vor Scham „im Boden versinken“. Stolz sind wir auf den „geschichtsträchtigen Boden“ und froh, wieder „festen Boden unter den Füßen“ zu haben.
Seit geraumer Zeit ist der Boden unter der schönen Überschrift „Bodenschutz“ in aller Munde. Bodenschutz meint hier jedoch ausnahmslos den Schutz vor Bodenverbrauch und Bodenversiegelung. Das ist eine öffentliche Scheindebatte. Dabei bleibt nämlich völlig ungeklärt, wofür man einen Boden schützen soll, wenn man seine Qualität und seine Nutzbarkeit gar nicht kennt. Selbst unsere Grünen wollen den Boden nur vor Versiegelung schützen. Die Bodengesundheit ist ihnen egal. Immerhin hat die Europäische Union ein wachsendes Problem erkannt und schätzt, dass 60 bis 70 Prozent der Böden „nicht gesund“ sind. Deshalb wurde bereits Ende 2021 eine breit angelegte „EU-Bodenstrategie für 2030“ „auf den Boden gebracht“ und schließlich im Juli dieses Jahres ein Bodenüberwachungsgesetz vorgeschlagen. Aber das Thema ist heikel und hoch sensibel. Warum seit Jahren um den Bodenschutz eine Scheindebatte geführt wird, zeigt zum Beispiel der massive Widerstand gegen EU-Bodenschutzbestimmungen aus den Reihen der Land & Forstbetriebe Österreichs: Frei zugängliche Informationen über Bodeneigenschaften und Belastungen durch Schadstoffe für Jedermann sind aus Sicht des Datenschutzes höchst bedenklich und abzulehnen (10-2022). Ebenso findet die Wirtschaftskammer keine Notwendigkeit, den Bodenschutz durch ein neues Gesetz zu regeln, sondern fordert vielmehr ein, dass die diesbezügliche Kompetenz bei den Ländern bleiben muss (10-2022). Und die Industrie ist überhaupt der Meinung, dass dem Bodenschutz schon ausreichend Rechnung getragen wird.
Für über vierzig „bodenständige“ Familien aus St. Veit, Längsee und die Gemeinde Maria Saal, war dieser Zugang zum Thema Boden jedoch immer zu wenig. Sie wollten genau wissen, was sich unter ihren Füßen abspielt. Pro aktiv wurde deshalb das Bodenlabor envirolab Scheidl & Partner GmbH. aus Mattersburg im Burgenland zur Durchführung der Probenahme auf eigenem Grund und eine analytische Untersuchung beauftragt. An insgesamt acht Standorten, räumlich auf das gesamte Stadtgebiet St. Veit verteilt, wurden fachgerecht Bodenproben gezogen und im Labor ausgewertet. Eine Probeentnahme lag auf dem Gemeindegebiet St. Georgen am Längsee. Zusammenfassend kommt das Labor zum Ergebnis: Die Grünflächen im Raum St. Veit an der Glan weisen bei den einzelnen Standorten im Vergleich zu Hintergrundbelastungen bei den Elementen Arsen, Blei, Chrom, Nickel und Zink Konzentrationen auf, die als hoch einzustufen sind. 2021 hat das BM für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus in Zusammenarbeit mit den Ländern ein „Forschungsprojekt AustroPOPs“ veröffentlicht. Inhaltlich ging es dabei um ein Monitoring von organischen Schadstoffen in Böden Österreichs. Der Bericht hat in Kärnten etliche (anonyme) Grünland- und Ackerstandorte registriert, an denen mehrfach „auffällige Konzentrationen an Schadstoffen“ gefunden wurden. Jedoch, kam der Bericht zum Schluss, die gemessenen Konzentrationen übersteigen keine gesetzlich festgelegten Grenzwerte (weil es vielfach gar keine GW gibt). Für fünf konkrete Standorte empfahl der Bericht allerdings, der Herkunft der jeweiligen Schadstoffe bzw. Schadstoffgruppen nachzugehen. Im direkten Vergleich stellte envirolab in St. Veit fest, dass die polyzyklisch aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK), Hexachlorbenzol (HCB) und polychlorierte Dibenzodioxine/Dibenzofurane (PCDD/PCDF) bei den Probenergebnissen durchwegs höher liegen, als in den AustroPOPs-Ergebnissen. Der erfahrene Bodenexperte Dipl. Ing. Kurt Scheidl fasst in seinem Abschlussbericht zusammen, dass St. Veit schlechtere Werte hat, als beispielsweise Wien oder Salzburg. Für Scheidl ist klar, es muss in St. Veit einen deutlichen Eintrag von Umweltschadstoffen in den Boden geben bzw. gegeben haben.
Das ernüchternde Ergebnis der St. Veiter Bodenuntersuchung war Anlass, diese beim St. Veiter Bodentag am 27. Oktober im Hotel Fuchspalast öffentlich zu diskutieren. Die Resonanz aus dem dreistündigen Vortrag ist – ein großes Fragezeichen? Woher kommt diese Bodenbelastung und was kann man dagegen machen? Kann man den eigenen Gemüsegarten noch benützen? Mit diesen und weiteren Fragenstellungen werden nun seitens der St. Veiter Initiatoren die Entscheidungsträger auf Gemeinde- Landes- und Bundesebene konfrontiert werden. Die überwiegende Mehrheit derer, die an den Bodenproben beteiligt waren, ist bereit, ihre persönlichen Daten öffentlich zu machen. Aus den Ergebnissen der Bodenproben ergeben sich aber nicht nur viele Fragen, sondern auch ganz konkrete Forderungen, die demnächst bei den zuständigen Stellen – in der Hoffnung, dass sie auf „fruchtbaren Boden fallen“, deponiert werden.
Wir befinden uns an einem kritischen Punkt was die Bodengesundheit betrifft, sagt die EU-Abgeordnete Frida Nilsson (European Committee oft he Regions-CoR) und begründet dies mit wissenschaftlichen Daten. Am 5. Dezember 2023 findet der alljährliche Weltbodentag (World Soil Day) statt. Mit diesem Aktionstag soll weltweit aktiv für den Bodenschutz geworben werden. Um jährlich einen Schwerpunkt zu setzen, wird jeweils ein Boden besonders hervorgehoben und als „Boden des Jahres“ bezeichnet. 2023 ist das der Ackerboden. Weil wir ihn für unser tägliches Brot benötigen, verdient er tatsächlich die größte Aufmerksamkeit. Am 5. Dezember, am Weltbodentag, wird entschieden, welchen Boden wir 2024 auf das Stockerl stellen sollen. Notwendig wäre offensichtlich der „St. Veiter Boden“. Man wird sich ja noch etwas wünschen dürfen. Von den zuständigen Bodenschützern in Kärnten und im Bund wird in Kenntnis der schlechten Ergebnisse von St. Veit jedenfalls erwartet, dass sie ein deutliches Zeichen für die Zukunft der Bodenqualität im Bezirk St. Veit setzen. Immerhin, die Kärntner Landesverfassung stellt im Artikel 7a bezüglich Boden klare Ansprüche: Das Land und die Gemeinden haben im Rahmen ihres Wirkungsbereiches die natürliche Lebensgrundlage Boden zu schützen, sparsam und schonend zu nutzen und jeglichen Gefährdungen entgegenzuwirken. Ein klarer und zweifelsfreier Auftrag, dessen Erfüllung die Bürger jetzt umgehend einfordern. Untermauert werden die Bürgerinteressen auch durch den aktuellen Umweltkontrollbericht des Umweltbundesamtes (UBA). Dort steht unmissverständlich: „Es gibt Hinweise auf eine mögliche Belastung des Bodens mit einer Reihe organischer Schadstoffe. Untersuchungen zur Herkunft dieser Schadstoffe und mögliche Auswirkungen sind zu empfehlen. Österreichweite, verpflichtende Grenzwerte für diese Stoffe gibt es derzeit nicht.“ Überhaupt liegen für viele Chemikalien, die die Bodenqualität gefährden, europaweit noch keine Bewertungen und entsprechende Risikomanagementmaßnahmen vor. Im Fokus stehen international besonders gefährliche per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) und Quecksilber. (PB)