Über die „eingeschränkte Denkzuständigkeit“

Bundespräsident Van der Bellen, ein Grüner, meint, es gibt keinen Grund besorgt zu sein. „Die Eleganz, die Schönheit unserer Bundesverfassung“ ist einzigartig. Juristen sehen das etwas differenzierter und Grundrechte hin oder her, die Kunst der Enteignung, oder „forcible acquisition by the Crown“, wie es auf Englisch heißt, hat auch in Österreich lange Tradition.

Der Denker-Club 1820, „Wie lange möchte uns das Denken wohl noch erlaubt sein?“ Anonyme Karikatur auf die Karlsbader Beschlüsse, Gemeinfrei

Die dunklen Flecken der Geschichte sind zwar noch längst nicht aufgearbeitet, aber das hindert den Staat jedoch nicht, sein Gewaltmonopol weiterhin wie eine kostbare Kulturpflanze zu hegen und zu pflegen, um reiche Ernte einfahren zu können. Unabhängig von der gegenwärtigen Geldpolitik, die von nicht wenigen Experten als kalte Enteignung bezeichnet wird, aus der jüngeren Geschichte in Österreich kennt man noch das von der Kreisky-Regierung 1974 erdachte Bodenbeschaffungsgesetz. Ein ehemals „sozialistisches“ Enteignungsgesetz, das gerade jetzt – nunmehr von „Sozialdemokraten“ in Kärnten, zu neuem Leben erweckt wurde. Und dann gibt es da noch das Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz.

Viel geredet wird darüber nicht und die Medien üben vornehme Zurückhaltung. Wenn die Staatsgewalt zuschlägt, dann kommt von den Medien maximal dann eine Meldung, wenn ein allzu eifriger Polizist hart durchgreift. Die subtile staatliche Machtausübung hingegen, ist ein gut geschütztes Recht und ein wohl gehütetes Geheimnis. Über Enteignungen von Grund und Boden gibt es zum Beispiel keine Statistik, obwohl sie täglich mehrfach stattfindet. 2020 hat die Juristin Fiona Aurelia List berichtet, dass allein in ihrer Kanzlei 170 Enteignungsfälle anhängig seien.

„Unzählige Vollmachten“, freute sich die Anwältin über gute Geschäfte, liegen bereits für die Zukunft vor. Wissen tun das allerdings nur die, die davon betroffen sind – und die sind dann meistens schon finanziell, aber sicher psychisch vernichtet. Öffentlich übrig bleibt nur die dümmliche Frage, woher kommt wohl die Politikverdrossenheit? Die staatliche Gewaltausübung bezieht sich jedoch nicht nur auf materielle Güter, sondern auch auf das Denken und Mitbestimmen. Auch hierbei leisten die Medien wirkmächtigen Vorschub. Wie das funktioniert, darüber hat Karl Steinbuch schon 1978 in seinem Buch „Die Enteignung unseres Denkens“ geschrieben.

Ein typisches Beispiel dessen, wurde vor wenigen Tagen beim 41. Hofgespräch der Bürgerinitiative „Initiative Zukunft Görtschitztal“ (IZG) thematisiert. Die kämpfen bekanntlich seit Jahren gegen ein „Krebsgeschwür“ im Tal. Jetzt geht es um eine sogenannte „eingeschränkte Denkzuständigkeit“, wie es der Kärntner Psychologe Ewald Krainz wissenschaftlich umschreibt.

Kurze Vorgeschichte: Die Kärntner Landesregierung hat einem Unternehmen per Bescheid umfangreiche Rodungen zum Rohstoffabbau gestattet. Wie üblich, kann man in einem Rechtsstaat gegen solche Bescheide Berufung einlegen und dann müssen Gerichte über die Wertigkeit von Einsprüchen entscheiden. In diesem Fall nahmen die Landesjuristen jedoch einen Trick in Anspruch, um diese lästigen Bürger in ihrem Mitbestimmungsrecht zu beschneiden.

Dieser staatliche Eingriff in das Mitbestimmungsrecht der Bürger lautet: „Die aufschiebende Wirkung einer gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde, ist ausgeschlossen.“ Das heißt, greift der Staat zu diesem Mittel, kann der Bürger sagen was er will, es hat keine Wirkung. Umgangssprachlich würde man sagen, „du kannst dich brausen gehen“. Begründet wird dies wie bei materiellen Enteignungen mit dem „öffentlichen Interesse“, mit „Interessen anderer Parteien“, oder „Gefahr in Verzug“.

In diesem Fall trifft, wie die Bürgerinitiative meint, keine Begründung zu. Durchsetzen kann sie ihre Auffassung jedoch nur noch gerichtlich und das tut sie auch. Am 13. März 2023 wird es beim Bundesverwaltungsgericht in Wien dazu eine (neuerliche) Verhandlung geben. Dem zuständigen Richter Günther Grassl fällt eine unangenehme Aufgabe zu. Ohne jedwede öffentliche Wahrnehmung, hat die noch im Amt befindliche SPÖ/ÖVP Landesregierung in Kärnten, ihre Juristen am 10. Jänner einstimmig ermächtigt, die Staatsgewalt zur Einschränkung der Mitbestimmung durchzusetzen. Das Urteil wird im Görtschitztal mit Spannung erwartet.

Die Medien interessieren sich derweil für den Villacher Fasching. „Es ist in die Luft zu gehen“, sagt die Bürgerinitiative und vergleicht ihre Machtlosigkeit mit einem Nackerten, der sich der Verbrecherbande aus Entenhausen gegenübersieht.

Von den beliebten Panzerknacker Geschichten ist die Comicgeschichte von der „Kohldampf-Insel“ in bleibender Erinnerung – und von aktueller Bedeutung. Darin jubeln die Panzerknacker: „Wir tun was uns gefällt! Heute gehört uns die Kohldampfinsel und morgen die ganze Welt!“ Aber auf der Insel lebt ein verrückter, alter Professor und der hat eine „Kampfmaschine“ entwickelt, weil er der Meinung ist, „es gibt schon so viele Herren der Welt und so wenig demütige Menschen“. Die Geschichte ist letztlich (fast) gut ausgegangen. Die „Kampfmaschine“ konnte Dagobert nichts anhaben, weil sein ganzer Körper von Goldstaub übersäht ist und als Schutzschild funktioniert…

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