Eskalation im Nahostkonflikt

Text: Peter Baumgartner

Auch das noch! Schon 91 Länder sind heute irgendwie in externen Konflikten verwickelt. 2008 waren es noch 58 und 2023 stieg die Zahl der Opfer um 96 Prozent.

Man muss sich das völlig unvoreingenommen und frei von jeder Parteinahme vor Augen führen: Wir befinden uns im 21. Jahrhundert. Wissenschaft und Forschung haben gigantische Entwicklungen gebracht, die Künstliche Intelligenz kann erstmals unsere Denkleistung unterstützen, dank Robotik können Lahme wieder gehen und ja, wer möchte, kann am Lenkrad sogar schlafen. Und tatsächlich könnten wir unsere kaputte Umwelt wieder hinkriegen. All das und noch viel mehr hält uns dennoch nicht davon ab, Kriege wie im Mittelalter zu führen. Abschlachten, ausbrennen, belagern, schänden und vertreiben sind unsere sozialen „Fähigkeiten“, die wir selbst auf dem Weg zum Mars nicht ablegen wollen. Es sind tief verinnerlichte, lieb gewordene Gewohnheiten, die darauf abzielen, den jeweils anderen der eigenen Spezies ermorden zu wollen. „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“(Bush) und wird im Zweifelsfall mit einem „Präventivschlag“ ausgelöscht. „Auslöscher“ (m/w) beschreibt in diesem Fall eine hauptberufliche Tätigkeit, die von immer mehr SchulabgängerInnen angestrebt wird.

Wie für alles, gibt es auch eine Ranking-Liste für friedliche Länder. Die wird allerdings immer kürzer und droht obsolet zu werden.

Der Anteil der USA an den weltweiten Waffenexporten stieg 2023 von 33 auf 40 Prozent und Frankreich darf sich mit 11 Prozent Anteil schon als europäischer Spitzenreiter bezeichnen. Unter den Top-10-Importeuren befinden sich die Staaten im Nahen Osten wie Saudi-Arabien, Katar und Ägypten. Dies spiegelt besonders deutlich die schizophrene Lage im aktuellen Konflikt Israel-Palästina. Mit dem Höhenflug der europäischen NATO-Staaten, die ihre Waffenimporte um 65 (!) Prozent erhöht haben, schwimmt auch das „neutrale“ Österreich mit und erhöht das Verteidigungsbudget aktuell um 790 Mio. Euro. In Summe wird das Verteidigungsbudget in der nächsten Regierungsperiode verdoppelt und auf „NATO-Niveau“ gebracht. Allerdings heißt diese „militärische Operation“ auf österreichisch „Neutralitätsfonds“ und nicht Verteidigungsbudget. Wir haben schließlich einen Ruf zu verteidigen (Schönreden, Schönschreiben). Es reicht vollkommen, wenn nur die (Neutralitäts)Ministerin ordentlich wehrhaft und rambotisch wirkt („Airbus wird mich noch kennenlernen“). Angesichts dieses globalen „Aufbauplanes“ wird es für die National Rifle Association (NRA) echt schwer, aus dem Heer der AnwärterInnen für den höchsten Award die richtige Auswahl zu treffen.

SIPRI führt penibel die Statistik der weltweiten Gräuel, damit wir nicht den Überblick verlieren.

Kaum eine Fehlinterpretation hält sich hartnäckiger, als die biblische Rechtsnorm über „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Zugegeben, dieser Weisheit zu folgen, ist nicht immer leicht. Einmal gesagt, entwickelte sich die Aussage zum nützlichen Kampfgeschrei vom Pausenhof bis hin zum internationalen Schlachtfeld. Da hilft auch die biblische Nachschärfung von höchster Stelle von wegen Hinhalten der linken Backe und so, auch nichts mehr. Vergeltung! Rache! Wie Du mir, so ich Dir! Sind wir wirklich so primitive Wesen? Ist die Dummheit angeboren? Oder werden zentrale Gesellschaftsnormen absichtlich – quasi aus Kalkül, immer wieder falsch interpretiert? Liegt darin die Erklärung der Geschichte, wonach sich diese ständig wiederholt, begründet? Fragen über Fragen – keine Antworten. Derweil schwillt das Kriegsgeheul weiter an und übertönt – wie immer – die Stimmen, die nach Frieden rufen. „Auge um Auge – und die ganze Welt wird blind sein“ (Ghandi). (PB)