Klima-Wahl versus Bürgerwahl

Text: Peter Baumgartner

„klimaNEUtral2040“, heißt eine neue hochkarätige Expertinnen Plattform in Kärnten. Der Name ist Programm. Die Plattform will die Gunst der Stunde nutzen und den wahlwerbenden Parteien in Kärnten einen Auftrag erteilen. Sie sollen die Landtagswahl in Kärnten am 5. März zur Klima-Wahl erheben. Der Wettlauf in der Klimapolitik ist längst auch ein Wettlauf um die Energiedemokratie. Zwei Konzepte, bei denen offensichtlich ganz unterschiedliche Spielregeln herrschen.

Vertreterinnen der Plattform „klimaNEUtral“, v.l.n.r.: Bernhard Reinitzhuber/S4F Kärnten, Erwin Mayer/Umweltökonom und Sprecher der Plattform, Viktoria Auer/Global2000, Lara Abyareh/FFF Kärnten, Jacqueline Jerney/ATTAC Kärnten, Martin Sattlegger/ÖBB-Bauingenieur u. Vizepräs. KAVÖ., Stefan Moidl/GF IG Windkraft. Foto: Peter Baumgartner

Die Ausgangslage ist bekannt: Das Klimaproblem ist angekommen und wächst täglich weiter. Die Heimaufgabe ist ebenfalls unumstritten: Wir alle müssen einen Beitrag leisten, um der Selbstzerstörung entgegenzuwirken und die Klimapolitik ist angehalten, die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Die To-do-Liste ist ebenfalls weitgehend unumstritten: Energie sparen und den Umstieg auf erneuerbare Energie vorantreiben. Auch die möglichen Schritte sind formuliert und auf ihre Wirksamkeit erforscht: Ausbau der Photovoltaik, der Windenergie, Optimierung der Wasserkraft, Geothermie, Fernwärme und natürlich die Errichtung der notwendigen Infrastruktur. Soweit ist also alles besprochen. Wozu braucht es dann eine neue Plattform, die die ganze Geschichte nochmals erzählt? Die Antwort ist wohl, weil die Experten der Meinung sind, es geht zu langsam, an wichtigen Schrauben wird gar nicht gedreht, die Reihenfolge stimmt nicht und manche Menschen brauchen tatsächlich noch etwas Nachhilfe, um den Handlungsbedarf zu erkennen. Insofern hat die konzentrierte Kompetenz der neuen Plattform „klimaNEUtral“ durchaus eine Berechtigung. Und ja, die Ziele, die von der neuen Landesregierung verfolgt werden sollen, finden bei der Wahl ihren Nährboden und können immer eine Feinabstimmung vertragen.

Bei all den guten und richtigen Zielsetzungen, die formuliert sind und getan werden müssen, damit wir – keinen Krieg vorausgesetzt, auch in Zukunft diesen Planeten halbwegs sicher bewohnen können, gerät allerdings die richtige Reihenfolge gelegentlich durcheinander. Einerseits mag das den persönlichen Prioritäten geschuldet sein, anderseits vergisst man im Trubel der Zwänge vielleicht auf die Besinnung und manche mögen u.U. lieber alles gleichzeitig erledigen. Tatsächlich scheint das auch durchaus das Gebot der Stunde zu sein, denn nicht wenige Experten sind der Meinung, wir haben keine Zeit mehr für bedächtiges Abarbeiten. Multitasking ist gefordert. Aber macht das Sinn? Angenommen wir erfüllen alle Aufgaben bis 2040, sind wir dann aus dem Schneider? Ein paar Beispiele:

Wenn es uns gelingt, alle fossilen Energieträger zu ersetzen und in absehbarer Zeit nur noch erneuerbare Energie einzusetzen, dann ist das super – aber nur dann, wenn sich dennoch jeder Bürger die Energie die er braucht, auch leisten kann. Wird das neoliberale System in der Energiepolitik (und Lohnpolitik) so fortgesetzt, wie wir es derzeit kennen, brauchen wir keine „saubere Energie“. Dann machen wir einfach weiter wie bisher, damit schneller Schluss ist. Lieber ein Ende mit Schrecken, als…

Ein anderes Beispiel: Gelingt es uns, den gesamten Güterverkehr auf die Bahn zu verlagern, ohne gleichzeitig alle Maßnahmen zu nutzen, um unnötigen Transport (Glumpert aus China) und insbesondere Leerfahrten zu vermeiden, dann können wir nach 2040 zusätzlich zu neuen Autobahnen acht-spurige Bahntrassen durch Kärnten und durch die EU bauen. Abgesehen davon, dass ohnehin jeder „Experte“ auf die Binnenschifffahrt vergisst und die Bahn als Allheilmittel betrachtet – ohne intelligente Nutzung aller Verkehrsträger, wird selbst das sauberste Verkehrsmittel zur Plage. „Künstliche Intelligenz“ ist zwar auch in der Transportwirtschaft angekommen, aber hauptsächlich um Fahrer und Fahrerinnen zu ersetzen. Und um LKW-Fahrer in die Irre zu führen.

Ein weiteres Beispiel, das auch von der neuen Plattform „klimaNEUtral“ unreflektiert transportiert wird, ist die „sinnvolle Fernwärme“. Eine segensreiche Energieform, die vermeintlich sowieso da ist und fast wie die Sonne, nur entsprechend genutzt werden muss. Ja – aber! In dieser Erzählung wird schlicht darauf vergessen, dass man das Land inzwischen mit unzähligen „Mitverbrennungsanlagen“ übersäht hat, wo nicht nur der „heimische Müll“ kostenpflichtig verwertet, sondern auch der importierte Müll, den Gott und die Welt verboten hat, verbrannt wird. Denn genau damit verdienen sich die „Mitverbrenner“ eine goldene Nase. Nicht mit ihrem angestammten Produkt (Zement, Faserplatten etc.). Müll ist das neue Gold. Die vordringliche Forderung an die wahlwerbenden Parteien müsste daher lauten, kein Importmüll und jede Verbrennung unter strengsten Auflagen (BAT/beste verfügbare Technik). Passiert das nicht und vielleicht gelingt es den Mitverbrennern sogar CO2 zu reduzieren, dann bleiben uns dennoch alle mit Schwermetallen verbundenen Probleme, die selbstverständlich „immer unter dem Grenzwert“ durch den Kamin gejagt, „unser schönes Land“ versauen (siehe HCB-Desaster Görtschitztal). Objektiv betrachtet sollte sich der Tourismus langsam die Frage stellen, ob man da oder dort anstatt Wandertourismus, nicht g‘scheiter Dark Tourism anbieten soll.

Jacqueline Jerney von attac Kärnten sagt, Energiedemokratie bedeutet eine demokratisch, ökologisch und sozial gestaltete Transformation unserer Energieversorgung. Gemeinnützigkeit vor Profit und Energie ist kein Spekulationsobjekt. Bild: Peter Baumgartner

Generell ist die unmissverständliche Information an die wahlwerbenden Parteien zu richten, wer nicht mit der impertinenten Praxis aufhört, Übergewinne zu fördern und sie dann teilweise gnädig wieder zu verteilen, hat sich selber disqualifiziert. Schlussendlich stellt sich die Frage, warum keine Expertin/Experte vor der Wahl zur Diskussion stellt, wieweit die Energiegrundversorgung überhaupt privatisiert werden soll. Wir meinen (noch), dass der ÖPV nicht (gänzlich) privat sein soll. Wir wollen das Trinkwasser als öffentliches Gut bewahren. Sicherheit, Bildung, ja selbst die Müllentsorgung soll dem Gemeinwohl dienen. Nur die Energieversorgung, namentlich die Grundversorgung für Wärme und Strom, wird zunehmend privatisiert. Selbstverständlich so, dass die Gewinne privat und Kosten beim Staat verbleiben. Spätesten seit der britischen „Erfahrung“ sollten wir aber wachsam genug sein und gerade vor Wahlen auf Phantomdebatten achten. Außer von ATTAC/Frau Jerney, gedenkt die hochrangige Expertenrunde „klimaNEUtral“ diesbezüglich eher wenig Forderungen an die Politik zu richten. Das ist schade, denn die Uhr tickt – auch für die demokratiepolitische Entwicklung. Daher sollten wir die Landtagswahl dabei belassen was sie ist – eine Bürgerwahl für Menschen, die genau darauf schauen, was die Kandidaten für die Umwelt und die Demokratie zu tun gedenken. (PB)

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