Die Würde des Menschen
Text: Peter Baumgartner.
Das Österreichische Parlament, bzw. sein Präsident Wolfgang Sobotka, hat den deutschen Interview-Inquisitor Michel Friedmann als Gastredner zur Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in das Parlament eingeladen.
Der 5. Mai 2023, es sollte ein würdiges Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus und an die Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen werden. Auch die Gedenkstätte Gusen wurde gebührend thematisiert. Und man wollte die Gelegenheit wahrnehmen, angesichts besorgniserregender Zahlen, den gemeinsamen Kampf gegen Rassismus und antidemokratisches Gedankengut einzufordern. Einen Schönheitsfehler hatte die Veranstaltung jedoch schon vor der ersten Wortmeldung: Der Bundeskanzler glänzte durch Abwesenheit, weil er eine gesellige Veranstaltung dem wichtigen Termin im Parlament vorzog. Bundespräsident Van der Bellen fand es auch angenehmer, bei der Krönungsveranstaltung in London dabei zu sein, um mit anderen Gästen „ein bissl ratschen“ zu können.
Trotz Vakanz der Staatsspitze, begann im vollen Saal der Bundesversammlung zunächst eine würdevolle, vom ORF live übertragene Veranstaltung. Die Stimmung kippte jedoch, als Michel Friedman im Sesselkreis Platz nahm. Mit sichtbarer Freude nützte er das wirkmächtige Auditorium, um „einer Partei“ im Parlament die demokratische Legitimität abzusprechen. Demokratisch gewählt ist noch nicht demokratisch, gab Friedman Nachhilfe in Sachen Parlamentarismus und diskriminierte die FPÖ, ohne sie beim Namen zu nennen, pauschal als undemokratisch. Friedman verwies auf „diese“ Partei, die die Menschenwürde missachtet. Überhaupt, so Friedman, habe er Zweifel, dass das Österreichische Parlament glaubwürdig ist. Für seine Verurteilung des Österreichischen Parlamentarismus entete Friedman – tosenden Applaus! Mehrfach sogar! Friedman wurde seiner Rolle wieder voll gerecht. Er konnte vor einer breitest möglichen Öffentlichkeit, den „Antidemokraten“ im Österreichische Parlament so richtig genüsslich die Leviten lesen. Niemand stand auf, niemand verließ den Saal und niemand protestierte. Auch die zahlreich anwesenden Abgeordneten und Regierungsmitglieder blieben starr auf ihren Sitzen kleben. Manche hatten zwar schon einen etwas betretenen Gesichtsausdruck, aber eher so, als hätte ihnen der Geschichtelehrer gerade ihre Hausaufgabe um die Ohren geschmissen.
Die Frage ist, was hat sich Sobotka bei der Einladung an Friedman gedacht? Er musste ja wie jeder andere auch erwarten, dass dieser Scharfrichter von Gottes Gnaden keine Rücksicht auf irgendwelche Regeln nimmt, wenn es ihm darum geht, seine eigene Botschaft zu verbreiten. Bekannt für seinen inquisitorischen und moralisierenden Interviewstil, hat er noch nie eine Gelegenheit ausgelassen, seiner Eitelkeit Gehör zu verschaffen. Nicht umsonst hieß sein TV-Auftritt in Deutschland „Vorsicht! Friedmann“. Sobotka musste also wissen, wenn Friedman vom „Wert der Menschen“ spricht, er eher an Georg Kreisslers Lied denkt, wo dieser vorrechnet, „denn rein chemisch g’sprochen ist der samt den Knochen vierzig Schilling wert“. Mit der Menschenwürde im Sinne der Grundrechte, hatte Friedman noch nie etwas am Hut. Jedenfalls nicht, wenn er seine Delinquenten in den Interviews verbal massakrierte.
Sobotka musste auch wissen, dass sein Gast als Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, im Zuge einer Ermittlung gegen einen polnisch-ukrainischen Menschenhändlerring wegen Drogenkonsum zufällig aufgeflogen und rechtskräftig verurteilt wurde. Bekannt, aber aus welchen Gründen auch immer, nicht juristisch verfolgt, wurde in diesem Zusammenhang sein Umgang mit ukrainischen Zwangsprostituierten, die ihm zugetrieben wurden. Entschuldigt und Fehler eingestanden, hat Friedman gewohnt wortreich nur seinen Drogenkonsum. Bei den Opfern, hat er sich jedoch nicht entschuldigt. Jedenfalls ist eine Satisfaktion öffentlich nicht überliefert. Und so einer hat die Respektlosigkeit, im Parlament George Tabori zu zitieren und „Jeder ist jemand“ einzufordern. Zum Glück wurden wenigstens seine „Geschäftspartner“, die Menschenhändler, gefasst und bestraft, bei denen Friedman Kunde war. Soviel zu seinem Verständnis von Respekt und Menschenwürde. Die wohl genaueste Beschreibung der Friedmann-Entschuldigung lieferte folgerichtig der Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo („zu genau berechnet“) und eine der schärfsten Kritik kam vom jüdischen Journalisten und Autor Henryk M. Broder („Schmierentheater“). Jedenfalls gilt Friedman’s „Entschuldigung“ nunmehr als Lehrbeispiel bei jedem Rhetorikkurs, wo es darum geht, wie bekommt man den Kopf unbeschadet aus der Schlinge, wenn man in einem argen Schlamassel steckt.
Bleibt noch die Frage, wie haben die Medien auf den Auftritt des wieder erwachten Gladiators der Rhetorik reagiert und wie haben sie Sobotkas „Gastfreundlichkeit“ interpretiert? Und an dieser Stelle wird auch die Motivation Sobotkas zur Einladung deutlich sichtbar: Im Bestreben die gefürchtete FPÖ zu verhindern, alles zu unternehmen, damit sie nicht in Regierungsverantwortung kommt, dafür ist jedes Mittel recht und dafür haben die „Parteien der Mitte“ jede mediale Unterstützung. Da wird sogar über alle Parteigrenzen hinweg und quer durch alle Redaktionsstuben in Kauf genommen, dass ein „Gast“ im Sitzungssaal der höchsten Staatsvertretung dem Österreichischen Parlament die Glaubwürdigkeit abspricht. Was immer Präsident Sobotka mit dieser Veranstaltung erreichen wollte, die FPÖ wird er so nicht los. Im Gegenteil. Dafür hat er seine Kritiker bestärkt, die da der Meinung sind, dass er sein übergeordnetes Amt im Parlament, ständig für Parteiinteressen missbraucht. (PB)