European Child Guarantee (ECG)

Text: Peter Baumgartner

Als orchestraler Ausdruck unserer „Wertegemeinschaft“, erklingt in der Europäischen Union „Alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt…“. Eine Feststellung? Ein Versprechen? Bestenfalls ist es eine Zielvorstellung. Eine Zielvorstellung, die Triebfeder der Gründungsverträge war – und wovon wir noch Lichtjahre entfernt sind.

Unionsweit sind fast 18 Millionen Kinder armutsgefährdet oder von sozialer Ausgrenzung bedroht. 2022 waren 24,7 % der Kinder in Europa von Armut bedroht. Mehr als ein Jahr zuvor (EU-SILC). Neu sind diese Zahlen nicht und wir reden noch gar nicht von den Gesamtzahlen. Doch 2021 gab es in der EU so etwas wie ein Aha-Erlebnis. Angesichts der steigenden Zahlen sah sich die Union genötigt, endlich die „sanften Flügel“ zu schwingen. Erstmals sollte eine Trendumkehr durchgesetzt und durch neue Impulse 5 Mio. Kinder aus der Armut geführt werden. Nicht sofort, bis 2030 – für den Anfang reichts. Österreich steht da natürlich nicht im Abseits. Immerhin spielt „eines der reichsten Länder“ im europäischen Armutsranking kräftig mit. 353.000 armutsgefährdete Kinder in Österreich sind „eine Schande“, sagt Landeshauptmann Peter Kaiser von Kärnten. Und seine Stellvertreterin Schaunig-Kandut, zuständig für Armutsbekämpfung, assistiert nach 10 Jahren Regierungsverantwortung: „Zwischen Kärnten und Wien stehen auf jedem Kilometer 1.100 Kinder, die armutsgefährdet sind.“ An den Kopfbahnhöfen dieser „Poverty line Austria“ steuert jeweils eine sozialdemokratische Regierung den Fahrplan. Unter deren lahmen Flügeln sitzen allein in Kärnten 17.000 arme Kinder. Jedes 5. Kind in Kärnten weiß, was „Toastbrot-Zeit“ bedeutet. Und damit ist Landeshauptmann Kaiser mit seiner politischen Verantwortung, die er nun auch schon seit mehr als 10 Jahren innehat, durchaus kein Musterschüler in Österreich. Im Gegenteil! Dennoch wurde Kaiser gerade zum Berichterstatter in der SEDEC-Arbeitsgruppe (Commission for Social Policy, Education, Employment, Research and Culture) für den EU-Kinderschutz gewählt. Ein Papiertiger, der nach 3-jähriger Startphase nun langsam in die Gänge kommt. Obwohl, die konkreten Grundlagen zur Armutsbekämpfung sind ohnehin hauptsächlich in den Nationalstaaten verankert. Kaisers Nominierung klingt zunächst überraschend, ist auf dem zweiten Blick aber logisch. Jemand mit so großer Armutserfahrung und Mitverantwortung, weiß jedenfalls wie Armut ausschaut. Anderseits besteht aber die große Gefahr, dass man den Bock zum Gärtner macht und dann wird schnell auch der Nachbargarten zur Armutswüste.

Vizepräsidentin der Europäischen Kommission für Demokratie und Demografie, Kommissarin Dubravka Suica bedankt sich bei Peter Kaiser „für unseren Austausch über die Bedeutung der lokalen und regionalen Behörden bei der Stärkung des Kinderschutzes.
Bild: Illias Teirlink

Aber „Rapporteuer of Commission SEDEC“ Peter Kaiser hat jetzt einen Plan. Flugs hat er sein Wüstengebiet zur Pilotregion erklärt, an jeder Ortstafel eine Zusatztafel mit „Gesunde Gemeinde“ angeschraubt und eigene Kinderschutzbeauftrage ausgebildet. Nach 10 Jahren „Regierungsarbeit“ kann Kaiser schon zweifelsfrei feststellen, „Kinder sind unsere Zukunft“ und die sollen nicht arm aufwachsen. Wer dafür sorgen soll, weiß Kaiser auch schon. Die EU soll zahlen und die Regionen mit den örtlichen sozialen Einrichtungen sorgen für die Zielsetzung – minus 5 Mio. arme Kinder bis 2030. Viel Vertrauen, was er da mit seiner bisherigen Performance einfordert. Zumal sich das Werkzeug nicht geändert hat. Gebt mir Geld, dann werde ich die Armut wie bisher bestmöglich verwalten, ist das unveränderte Angebot. Das ist auch die langjährige politische Strategie: Man muss die Menschen arm und bedürftig halten, damit sie strukturell für Wahlgeschenke, Förderungen, Beihilfen etc. dankbar sind und nicht verlernen, die Hand, die einen füttert, darf man nicht beißen. LAbg. Gerhard Köfer kritisierte 2023 anlässlich der Europapolitische Stunde zum Thema „Beste Chancen für alle Kinder in einem geeinten Europa“, den unüberschaubaren Förderdschungel bei gleichzeitig steigender Kinderarmut. Wie kann man etwas kritisieren, was genau so erfolgreiche Strategie ist?

Rapporteuer Peter Kaiser warb in Ancona für „frühe Hilfen“ in der Kinder Armutsbekämpfung.
v.li.: Marie-Cécile Rouillon, EU-Commission Coordinator for the rights of the child, Martina Rattinger, Leiterin VBB Kärnten in Brüssel, Landeshauptmann Peter Kaiser und FK-Sedec-Vorsitzende Tanya Hristova
Bild: Büro LH Kaiser

Unter diesen Umständen würde normalerweise niemand auf die Idee kommen, gescheiterte Lösungsansätze weiter zu fördern und freiwillig den Bock zum Gärtner zu machen. In der Politik passiert genau das tagtäglich. Warum das überhaupt möglich ist? Ganz einfach! Die Böcke machen die Böcke. Sie reproduzieren sich quasi fortlaufend. Inzwischen sind nur noch Böcke aktiv und Null-Bock-Wählerinnen haben nur die Wahl, entweder einen hohen Zaun um den eigenen Garten zu machen, oder selber zum Bock zu werden. Das Böckenförde-Diktum, quasi tägliches Brot jeder Politikerin und jedes Politikers, erklärt, warum es ohne Kinder keinen freiheitlichen Staat gibt. Aber genau diese „Grundlage“ lassen die Staatenlenker verkommen, verhungern, vergiften – oder gar auf dem Schlachtfeld erschießen. Bleibt am Ende die Frage: Warum schweigen die Lämmer?