Sanierung Parlament abgeschlossen. Sanierung Demokratie UNDER CONSTRUCTION!
Text: Peter Baumgartner.
„Parlament verbindet“ – so lautete die Fiktion des Wochenendes vom 12. bis 15. Jänner 2023. Das Wochenende der Wiedereröffnung des Parlaments in Wien. Nach fünfjähriger Bauzeit ringt das Ergebnis der Vollendung wegen des optischen Eindrucks allen Beobachtern großen Respekt ab. Auch der Gastredner aus Deutschland, der ehemalige Präsident des Deutschen Bundestages Wolfgang Schäuble, ein nicht gerade verwaltungsverwöhnter Bundesbürger, war voll des Lobes über das Prunkstück an der Wiener Ringstraße. Mit Ausnahme von ein paar kulturellen Misstönen, wurde auch kaum über die beinahe 500 Mio. Investition kontrovers diskutiert.
Der erste Festtag war, allen „Volkshaus“ Beteuerungen zum Trotz (fast) nur geladenen Gästen vorbehalten, die frei von Garderobe und Gepäck, bequem den künstlerischen Darbietungen der musikalischen Elite des Landes und den salbungsvollen Festreden lauschen konnten. Die 2. NR Präsidentin Doris Bures verlieh, geleitet von ihrem politischen Instinkt, mit einer persönlichen Einladung an alle Lehrlinge, die am Parlamentsumbau mitgewirkt hatten, dem „Haus aller Österreicherinnen“, die notwendige Ehre. Damit konnte sie sichtbar bei den Festgästen und bei den Jugendlichen sowieso, stark punkten. Damit endete die Volksverbundenheit aber auch schon, wenn man den Logenplatz für den ex-Vizekanzler Strache ausnimmt, der durch sein mundlhaftes Benehmen durchaus als Stimme des Volkes durchgehen könnte. Anerkennend muss man aber auch sagen, dass der Volksgedanke durch die nunmehrige Öffnung des Parlamentes – mehr und größere öffentliche Räume sind jetzt frei zugänglich, eine sichtbare Prägung erhalten hat. Auch der Plan „Parlament on Tour“, wird sein Ziel in den Bundesländern nicht verfehlen.
Intellektuell sichtbar überfordert, waren einige Festgäste von der Eröffnungsrede des Ehrengastes Dr. Schäuble, der – seiner Autorität geschuldet, eine Lanze für den Parlamentarismus brach, gleichzeitig die Schatten auf der Demokratie ansprach und Verständnis für kritisches Hinterfragen einmahnte. Eine parlamentarische Demokratie muss offen sein für gegensätzliche Ansichten, betonte Schäuble. „Fakten allein ergeben noch keine Politik“, ermahnte der Politprofi. Deshalb ist eine „Expertenregierung“ nicht die Lösung aller Probleme. Für Schäuble war es bei dieser Gelegenheit besonders wichtig, auf den Unterschied zwischen Repräsentation und Repräsentativität zu verweisen und dass Politik eben nicht dem Selbstzweck einer bestimmten Gesellschaftsgruppe, sondern der Gemeinschaft zu dienen habe.
Spätestens an der Stelle der Mahnrede sind viele Parlamentarier ausgestiegen, die sich ihrerseits – vom Parlamentspräsidenten abwärts (habe meine Lektion gelernt), hauptsächlich mit dem Vertrauensverlust an ihrer Person und an den Institutionen beschäftigt haben. Ihre Wortmeldungen waren durchwegs geprägt vom persönlichen Eingeständnis, einen schlechten Ton im Parlament zu pflegen, nicht zuhören zu können, etc. Als Beobachter ist das mea culpa-Bekenntnis der Abgeordneten durchaus verständlich. Beschränkt sich ihre Sprachkunst doch zu oft auf Verbalinjurien und Schmähreden. Aber nun beschworen alle Besserung – obwohl die Opposition selbst den Festtag für ihre Neuwahlforderung zu nutzen wusste. Man will aus der Parlamentsarbeit ja keinen Kindergeburtstag machen, ist auch eine einheitliche Ansicht der Volksvertreter. Außer den räumlichen Änderungen ist also im neuen Parlament nicht viel Veränderung zu erwarten, wenn die Feierstimmung vorbei ist und Alltag herrscht. Was nicht weiter verwundert, denn die Phantomdebatte baut auf regelmäßig wiederkehrende „Ranking-Listen“ auf, hinter deren zweifelhaften Zustandekommen zum Beispiel Medienzampanos stehen, deren hauptberufliche Tätigkeit Fördernehmer ist.
Man könnte fast schon meinen, dass die inflationären Veröffentlichungen von „Rangordnungen“ dem biologischen Zwang auf den Anspruch des besten Schlafplatzes, Paarungspartner oder der Futterstelle (Jahresgehalt) entspringt. Schreiduelle und Drohgebärden unter den Parlamentariern bekommen so eine andere Bedeutung – falls sie die öffentliche Meinung nicht bewusst in eine bestimmte Richtung lenken wollen.
Sogar Politexperte Peter Filzmaier lässt sich täuschen und wundert sich, warum die Österreicher mit den Abgeordneten so unzufrieden sind, wo doch „fast jeder von uns seine Politiker im Nationalrat sitzen hat.“ Ein Erklärungsversuch, der allerdings falsche Bilder transportiert und mit dem Problem gar nichts zu tun hat. Abgesehen von der hohen Zahl an nicht wahlberechtigten Bürgern, gingen zum Beispiel bei der letzten NR-Wahl satte 25 Prozent gar nicht wählen. Wohl deshalb, weil im „Warenkorb“ nichts für sie dabei war. Viele Wählerstimmen landeten gleich im Kanal, weil ihre Partei die Wahlhürde nicht geschafft hat. Tatsächlich regiert wird das 9 Mio.-Volk von einer Regierung, die auf 2,5 Mio. Wählerstimmen aufbaut – rechnet man jene Wähler großzügig mit ein, die eigentlich nicht wählen sollten… Noch dazu hat sich angeblich eine Regierungspartei durch Überschreitung der Wahlkampfkosten Stimmen erschlichen – und darf dennoch an der Macht bleiben.
Das Wochenende nach dem Hochamt war dem Volk vorbehalten und die Leute nahmen regen Gebrauch von der Möglichkeit, einen Blick hinter die Kulissen der Vorstellungswelt zu werfen. Bis zu drei Stunden harrten die Menschen teilweise unter unwirtlichen Wetterbedingungen in der Warteschlange aus, bevor sie den Parlamentariern leibhaftig nähertreten durften. Mit Kind, Kegel und Wintermantel, die heiligen Hallen beschreiten, das war das Tagesangebot. Soviel zur Rangliste.
Gemma schaun, gemma schaun
Ob der Kaiser wirklich tot is
Ob sei Hemad bluatig rot is
Oder ob a tachiniert
Der „Gemma schaun“-Liedtext von Andrè Heller könnte nach der Parlamentseröffnung eine neue Strophe vertragen. Aber das sollte dem Poeten vorbehalten bleiben. Vielleicht haben sich manche Besucher auch nur gedacht, endlich gibt es Abwechslung zu „Gemma Lugner!“
Rund um den fünf jährigen Umbau des Parlaments fällt noch auf, dass der ursprüngliche Erbauer des Parlaments, Theophil von Hansen, bei allen Aussendungen und öffentlichen Informationen, ein Fixpunkt der Berichterstattung war. Tatsächlich hat der große dänische Baumeister und Architekt 1883 nach nur 10 Jahre mit deutlich einfacheren technischen Hilfsmitteln als heutzutage verfügbar, ein Meisterwerk seiner Baukunst abgeliefert. Den Rohbau hatte er sogar schon nach sechs Jahren auf die Wiese gestellt. Das Parlament, damals noch altösterreichischer Reichsrat, ist allerdings nicht das einzige herausragende Werk von Hansen in Österreich. Die Erinnerung an ihn zu pflegen, entspricht also durchaus einer berechtigten Tradition. Dennoch verwundert, dass das Architekten-Team Jabornegg & Palffy_AXIS, als würdige Nachfolger auf der Parlamentsbaustelle, bisher eher bescheide Öffentlichkeitswerte erreicht hat. Zwar wurden sie bei der Eröffnungsrede von Präsident Wolfgang Sobotka im Verbund und im Schnelldurchlauf mit weiteren Gewerken genannt, aber von den Medien weitgehend ignoriert. Das ist schade, denn auch sie haben sich – ungeachtet, oder gerade wegen der Querelen in der Bauphase, einen prominenten Platz in der Parlaments-Geschichte verdient.