Alles Staat oder was? Ist das die Lösung aus der Krise?

Die Schweizer sind bekanntlich sehr auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Aber sogar sie wissen, man kann im Leben nicht alles haben. Auf schweizerisch heißt das, „Das Weggli und den Fünfer bekommt man nicht“. Man kann nicht das Weckerl (Weggli) und den Fünfer den es kostet haben. Zwei Vorteile, die sich gegenseitig ausschließen.

Die Volkswirtschaftliche Gesellschaft Kärnten lud vor ein paar Tagen zu einem Vortragsabend, der von Dr. Oliver Picek, Wissenschaftler am Momentum Institut, geleitet wurde, ein. Vorweg, nein, abschließende Antworten auf die Frage, ob der Staat alle Probleme lösen kann/soll, gab es nicht. Dr. Picek erläuterte ausführlich die bisher gezeigte Verantwortung des Staates in den aktuellen und vergangenen Krisensituationen, was es gekostet hat und was sinnvoll oder weniger sinnvoll war. Zusammenfassend kann man vielleicht sagen, die staatliche Hilfe war und ist hoch, sehr hoch sogar, manchmal aber auch zu wenig. Oft war sie nicht zielführend und gar nicht selten völlig nutzlos. Aber ob der Staat alles richten kann oder soll, blieb offen. Und zwar deshalb, weil gar nicht klar ist, wofür der Staat eigentlich alles zuständig ist. Es gibt nämlich keinen Katalog wo man nachschauen könnte, was alles in die Lösungskompetenz des Staates (und den nachgeordneten Ländern, Gemeinden) fällt. Also macht man es sich einfach: Der Staat ist für alles zuständig. Je nach Blickwinkel heißt es dann „Vollkaskogesellschaft“ oder „Fördernehmertum“.

Diskussionsleiter Herwig Draxler wunderte sich zum Beispiel, dass in Kärnten neuerdings sogar der kostenlose Glühlampentausch für private PKW-Besitzer zur öffentlichen Daseinsvorsorge zählt. Aber das könnte man noch als Wahlwerbegeschenk abbuchen. Komplizierter wird es, wenn verlangt wird, der Staat „soll mehr für das Klima tun“. Da darf man schon nachfragen, hat der Staat (allein) das Klima versaut? Oder sollte da, nach dem Verursacherprinzip, zum Beispiel die Zementindustrie ihren Teil zur Lösung beitragen, anstatt zusätzlich die Hand aufzuhalten? Man könnte auch fragen, warum ein gesundes Unternehmen in einer Krisenzeit nicht zuerst zur Hausbank oder zu den Investoren pilgert, anstatt gleich nach öffentlicher, nicht rückzahlbarer, Förderung zu rufen? Und wenn der Staat schon „einspringen“ muss, warum soll er dann keine Anteile am Kredit-Fördernehmer dafür bekommen? Es muss ja nicht gleich das Gespenst der Verstaatlichung auferstehen.

Eigentumsverhältnisse können sich schnell ändern. Besondere Achtsamkeit bei kritischer Infrastruktur scheint geboten. Quelle: IBBS

Noch mehr Diskussionsbedarf besteht, wenn man sich mit der Frage der kritischen Infrastruktur beschäftigt. Ein Volkswirtschaftler, ein gewisser Herr Alexander Van der Bellen, hat bereits 1987 bei einer Vorlesung die Frage aufgeworfen, ob die Abschaffung der verstaatlichten Betriebe angesichts einer möglichen Auslandsabhängigkeit wirklich so g’scheit ist? Am Beispiel der Ersten Donaudampfschiffahrtsgesellschaft kam Van der Bellen zum Schluss, nein, es ist nicht zwangsläufig richtig nur auf Gewinne zu schauen. Rückblickend war Van der Bellen ein Visionär mit seiner Meinung, denn heute gehört die vormals staatliche 1. DDSG Reederei einem ukrainischen Oligarchen, der noch immer die wichtige Voest mit Rohstoffen beliefert. Was aber, wenn Putin den Krieg gewinnt und die 1. DDSG plötzlich russisch wird? Sogar Dr. Georg Wailand hat kürzlich in der Krone geschrieben, es ist nicht egal, wem eine Firma gehört. Die Privatisierung der vormals staatlichen Betriebe hat nicht deshalb dazu geführt, weil sie im Besitz der (unfähigen) Republik waren, sondern weil sie im Besitz von politischen Parteien – namentlich ÖVP und SPÖ – waren. Und zwar schon sehr lange. Als 1950 in Österreich das „Krauland-Ministerium“ in die Luft geflogen ist, hat der Richter resigniert bemerkt: „Was der Republik gehört, gehört der ÖVP und der SPÖ“. Wir sollten aufpassen, dass das überbordende „Engagement“ des Staates nicht wieder zu einer Besitznahme durch Parteien führt.

WANDZEITUNG

Der Name WANDZEITUNG wurde für das Medienprojekt bewusst gewählt, weil der historische Hintergrund zusammenfassend darstellt, was meine Erwartungshaltung ist: Die Inhalte der WANDZEITUNG sollen möglichst vielen Lesern zugänglich sein.

Ganz bewusst wurde in diesem Zusammenhang auch das Startbild gewählt. Es stammt vom viel gereisten Fotograf Herbert Rulf. Ihm ist der einzigartige Schnappschuss gelungen, auf dem man einen Mann sieht, der sich gleichzeitig mit zwei völlig unterschiedlichen Medien – Wandzeitung und Smartphone, beschäftigt. Komplett aus der Zeit gefallen, ist das Bild jedoch ganz real.

Seit meiner frühesten Kindheit bin ich mit dieser speziellen Informationsquelle vertraut. Zuerst im Schulunterricht als Lehrmethode, später als Ministrant, wo es meine Aufgabe war, die Pfarrnachrichten am „Schwarzen Brett“ aktuell zu halten und noch später im In- und Ausland, wo ich aufmerksamer Leser von Nachrichten war und bin, die im Format einer Wandzeitung verbreitet wurden/werden. Zwischendurch habe ich das Format als Kapitän oder als Vereinspräsident auch selber angewendet, um Informationen für meine „Kunden“ zu verbreiten. Erstmals sogar noch teilweise mit Handschrift, als es noch gar kein „Handy“ gab. Die WANDZEITUNG steht für mich etwa für den Begriff „SlowMedia“, der zusammenfassend das genaue Gegenteil der gängigen (Tages)Presse von heute ist.

Die veröffentliche Meinung sollte möglichst nicht von der öffentlichen Meinung abweichen. Meinungsfreiheit ist in jeder Demokratie ein hohes Gut. Meinungsfreiheit geht vor Meinungskartell und überall dort, wo die Schere im Kopf von Journalisten ihre mediale Verwüstung anrichtet, muss die Schweigespirale durchbrochen werden.

Aber was ist die Meinungsfreiheit wert, wenn das Recht auf sie nicht wahrgenommen wird? Wenn frei Bürger einfach darauf verzichten? Was ist die Meinungsfreiheit wert, wenn die freie Meinungsäußerung nicht gehört oder einfach ignoriert wird? Die WANDZEITUNG kann und will dazu beitragen, dass die öffentliche Kommunikation gefördert wird.

MUCKRAKER des JAHRES

Ab 2023 wird die WANDZEITUNG alljährlich den MUCKRAKER des JAHRES ausloben.

Ein besonderer Schwerpunkt bei der Wahl zum MUCKRAKER des JAHRES liegt auf Beiträgen, die in der allgemeinen Medienarbeit nicht, oder wenig Berücksichtigung finden. Viele Themen sind für die meisten Medien aus verschiedenen Gründen tabu, oder es wird erst berichtet, wenn andere bereits die schwierige Recherchearbeit geleistet haben. Gesucht wird jedoch nicht unbedingt der investigative Journalist, der oftmals als Feigenblatt eines Mediums dient, damit der Rest der Redaktion Meinungsjournalismus betreiben darf. Gesucht werden vielmehr Medienschaffende, die ein Gespür für das Wesentliche in einer Demokratie und in einer vielfältigen Gesellschaft haben, wo Meinungsfreiheit nicht mit Medienfreiheit verwechselt wird und wo die gleichberechtigte Diskussion die erste Wahl jeder Kommunikation ist. Dabei darf es durchaus sein, dass die Mehrheitsmeinung nicht zwangsläufig zur veröffentlichten Meinung führt. Kurzum, MUCKRAKER des JAHRES sind Medienschaffende, die wertvolle Arbeit für die Gesellschaft leisten.

Mehr als 60 Jahre nach der denkwürdigen Rede des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy (The President and the Press), haben wir noch immer nicht gelernt, wofür wir Medien brauchen und wann den Medien jene Bedeutung zukommt, die wir ihnen quasi als Vorschuss eingeräumt haben. Kennedy spricht in seinem Hilferuf alle wichtigen Aspekte einer Medienlandschaft an, die man leider auch heute noch schmerzlich vermisst. Stattdessen werden in einer, von einer kollektiven Selbstzerstörung geprägten Boulevarddemokratur, Phantomdebatten mit dem einzigen Ziel geführt, von der eigenen Unfähigkeit abzulenken. Kennedy hat es vermieden, berechtigte Kritik an die Journalisten zu richten. Stattdessen hat er versucht, sie für ein Medienverständnis zu begeistern, dass seiner Meinung nach gut für die USA ist.

Lange vor Kennedy hat Präsident Theodore Roosevelt gegenüber Journalisten weniger feine Worte gewählt. Von ihm stammt der Begriff „Muckraker“, mit dem er Journalisten abstempelte, die nur im Dreck herumwühlen, statt auch irgendetwas Erhabenes sehen zu wollen. Nicht dass Roosevelt es verhindern wollte, dass Journalisten Missstände aufdecken. Nein, er hielt es sogar für dringend notwendig. Aber der Präsident forderte nachdrücklich ein, dass man nicht nur im Mist wühlen soll, weil man sonst womöglich selber im Sumpf landet. Und dann hat Roosevelt etwas sehr Wichtiges gesagt. Nämlich, dass es für die Zukunft von großer Bedeutung ist, Missstände mit dem Ziel aufzudecken, dass danach eine Verbesserung des Einzelnen und der Nation erreicht wird. Sonst bleibt das Bild schwarz und man bekommt allmählich das Gefühl, die ganze Welt ist nichts als Dreck.

In diesem Sinn freuen wir uns darauf, lebensbejahende Medienschaffende mit dem MUCKRAKER des JAHRES auszeichnen zu dürfen, die den Dreck mit dem Rechen nur deshalb anhäufen und entfernen, damit hinterher ein störungsfreier Blick auf die Vollkommenheit der sinnlichen Erkenntnis möglich wird.