Voodoo-Sozialpartnerschaft

Text: Peter Baumgartner

Der Voodoo-Glaube nach österreichischer Prägung kennt nur einen Gott:
Die Sozialpartnerschaft

2023 sind die Gewerkschaften angetreten, um durch ihre KV-Verhandlungen „Konsumimpulse“ zu setzen und die „Kaufkraft“ der Arbeitnehmer  zu stärken. Man könnte es als politische Anmaßung deuten und hoffen, irgendwer in der Regierung wird ihnen schon auf die Finger klopfen. Aber in Wahrheit ist es wohl eine Hybris und Ausdruck einer Selbstüberschätzung, die flott korrigiert gehört.

Von einer „kreativen“ und tragbaren Lösung, spricht die Industriellenvereinigung nach den KV-Verhandlungen der Metaller. Die Handelsunternehmen freuen sich, weil sie unter der Inflationsrate abschließen konnten. Man gibt sich auf der Wirtschaftsseite zwar „nicht glücklich“, aber man ist mit dem Ergebnis zufrieden. So hat die Industrie zum Beispiel die bis dahin von der Gewerkschaft kategorisch abgelehnte Öffnungsklausel erreicht. Ein wichtiger Erfolg. Zwar heißt es jetzt nicht mehr Öffnungsklausel, sondern „Härtefallregelung“, aber ein Erfolg für die Arbeitgeber ist es dennoch und, der wird die künftige Arbeitswelt gehörig verändern. Es ist damit quasi ein erster Schritt zur Abschaffung des Kollektivvertrages gemacht. Mit der Öffnungsklausel oder „Härtefallregelung“ gilt, „eine abweichende Regelung bleibt unbenommen“ und kann zu lauter Einzelverträgen innerhalb einer Firma führen. Für eine Gewerkschaft ist das ein Selbstmordversuch. Einen ähnlichen Erfolg kann auch der Handel für sich verbuchen. Dort hat man sich darauf verständigt, mit den Unternehmen, „die es sich leisten können“, außerhalb der KV-Verhandlungen „Nachverhandlungen“ führen zu wollen. Ein Köpfler mit Anlauf in die Jauchengrube für Gewerkschafter. Außerdem erwartet sich die Industrie, dass der Staat in Form von Lohnnebenkostensenkung noch etwas zur Lohnrunde beitragen wird. Das ist allerdings nichts, was die Industrie und die Wirtschaft extra verhandeln muss, das braucht sie, wie inzwischen üblich, nur noch jährlich „bestellen“. Aber es klingt natürlich besser, wenn man so tut, als müsste man um eine Lohnnebenkostensenkung bitten. Also ja, die Industrie und die Arbeitgeberseite generell, können mit dem „Erfolg“ der Gewerkschaft zufrieden sein. Und als Sozialpartner wollen sie noch plakativ gemeinsam die Regierung „beauftragen“, besser zu werden. Noch schön Öl ins Feuer schütten, damit der Vertrauensverlust-Flächenbrand nicht erlischt. 

Auch die Gewerkschaften geben sich öffentlich zufrieden – wenn auch nicht alles erreicht werden konnte, wie sie nebenbei anmerken. Die langen Gesichter nach den Abschlussverhandlungen und die Mimik vor den Kameras sprechen jedoch eine andere Sprache. Man muss kein Experte für die Körpersprache sein um zu erkennen, Inhalt und Wahrnehmung passen nicht zusammen. Bei den Metallern gelang in der achten Verhandlungsrunde, mit viel Getöse und Unterstützung durch mehrere Warnstreiks, schließlich eine Einigung, die mit anderen, völlig geräuschlosen Verhandlungen, durchaus vergleichbar ist. So haben beispielsweise die LKW-Fahrer praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit 9,6 % erkämpft. Aber vielleicht hat die Gewerkschaft dort ohnehin auf Stumm geschaltet, weil sich ein Mindestlohn von 2.043.- brutto für einen Kapitän der Autobahn nicht besonders gut verkaufen lässt. Bei den Handelsgewerkschaftern freut man sich, dass die Einmalzahlung „vom Tisch“ ist und gleichzeitig schummeln sie sich darüber hinweg, dass der Abschluss deutlich unter der Inflationsrate liegt. Die Metaller haben wenigsten noch ein paar Hunderter drauf bekommen. Als „Verhandlungserfolg“ verkaufen die Gewerkschafter den Mindestlohn jenseits von „mehr als“ 2000,- Euro (Handel/2124,- und Metaller 2426,-). Also ein Stundenlohn von etwa 12-14 Euro. Brutto wohlgemerkt! Das ist also in etwa das, was Arbeitnehmer in Deutschland ohne gewerkschaftliches Tamtam über das Mindestlohngesetz erhalten.

Das heißt, man könnte sich die alljährliche, unappetitliche Diskutiererei und Beschimpfung ersparen („Voodoo-Mathematik“, „Mit die Einmalzahlungen können‘s scheißen gehen!“) und vielleicht sogar noch ein paar arbeitsfähige Gewerkschafter einer sinnvollen Tätigkeit zuführen. Ersparen könnte man sich auch, dass Arbeitnehmer mobilisiert und für Parteiinteressen instrumentalisiert, auf die Straße geschickt werden, um ihnen danach einen „Verhandlungserfolg“ zu verkaufen, den sie jedes Mal ohnehin bei der Wahlurne einfordern könnten. Mit jeder „gewerkschaftlichen Entscheidung“, mit jedem Verhandlungsergebnis der Sozialpartner, wird die Untätigkeit und Verantwortungslosigkeit der Regierung legitimiert. „Das machen die Sozialpartner“ heißt nichts anderes als, „dafür sind wir nicht verantwortlich“. So schafft man sich Parallelstrukturen, in der jede Seite die Hauptverantwortung der jeweils anderen Seite unterjubeln kann, ohne selber den Kopf hinhalten zu müssen. Deshalb heißt es, „wir werden die Regierung beauftragen“ und umgekehrt „die Sozialpartner werden das schon richten“. Nein! Die Regierung hat die verdammte Pflicht, ihre Gesamtverantwortung wahrzunehmen. Dafür wird sie gewählt und dafür werden die Politiker bezahlt. Delegieren heißt nicht Verantwortung abschieben, sondern Arbeit sinnvoll aufteilen. Es grenzt an Dummheit, wenn die Regierung konsequent die Kaufkraft schwächt und von den Sozialpartnern erwartet, dass sie diese wieder stärkt. „Nebenbei“ bemerkt, vielleicht erklärt jemand der Voodoo-Gemeinde, dass Arbeitnehmer nicht der Bankomat für die Wirtschaft und sinnbefreite Organisationen sind, sondern eigene Ziele verwirklicht sehen wollen. Zum Beispiel, dass es sich am Monatsende noch ausgeht, etwas anzusparen oder den eigenen Kindern unter die Arme zu greifen. Es mag manche Voodoo-Experten zwar überraschen, aber es gibt sogar Hackler, die sich mehr als Buch leisten wollen und durchaus kulturelle Bedürfnisse haben. Wer also glaubt, nur für den Erhalt der Kaufkraft zuständig zu sein und zum Jahresabschluss Konsumimpulse sehen will, dem kann man frei nach gewerkschaftlicher Sprachschöpfung ein herzhaftes „geht’s sch…“ zurufen.

Die Gewerkschaften und die Sozialpartner haben genau zwei Möglichkeiten. Entweder sie nehmen die Chance zur Gestaltung der eigenen Zukunft selber wahr, oder sie warten darauf, bis ihnen die Veränderung aufgezwungen wird. „Nur was sich verändert, hat Bestand“ (Dr. Erich Gumplmaier/ÖGB).

Das Land hat unzählige Probleme: Innen – und Außensicht

Text: Peter Baumgartner

Ein typisches „Schweizer Unternehmen“: Ein Norweger, der in Russland eine Reederei gründet, den amerikanischen Markt bedient und die Steuervorteile bzw. die Beschäftigungsphilosophie der Schweiz nützt. Nirgendwo gibt es so viele „Schweizer Unternehmen“, wie in der Schweiz. Bild: Peter Baumgartner

„Das Land hat unzählige Probleme: Es wird zubetoniert, die Menschen finden keine Wohnungen, die Kriminalität nimmt zu, der Sozialstaat ufert aus, alles wird teurer. Schuld ist die Migration. Es wird eng im Land. Der Lebensstandard entwickelt sich kaum und die Lebenswirklichkeit ist geprägt von hohen Mietpreisen. Es fehlen Fachkräfte und auf jeden Fall müssen die Menschen länger arbeiten“.

Sie wissen, von welchem Land da die Rede ist? Nein, Sie haben sich getäuscht. Hier geht es nicht um die übliche Beschreibung Österreichs. Hier geht es um – die Schweiz (!) Und es ist keine Außensicht über das Nachbarland, sondern die Innensicht eines Benedict Neff, der als Feuilletonchef der NZZ weiß, wovon er spricht, wenn er über die Tagespolitik seines Landes schreibt. Studiert hat Neff Germanistik, Geschichte und Religionswissenschaft in Wien und Zürich. Seit zehn Jahren ist Neff – auch als Korrespondent in Deutschland, journalistisch tätig. In der Schweiz zählt Neff trotz seines jugendlichen Alters zur journalistischen Elite. Dominic Neff ist auf die (journalistische) Welt gekommen, als ein gewisser Veit Dengler bei der NZZ schon CEO war. Dort blieb Dengler aber nicht lange. Wohl deshalb, weil er realisieren musste, dass man nicht gleichzeitig Politiker und Journalist sein kann. Heute ist der smarte Steirer in Österreich ein „Meinungsmacher“, der gerne überall herumgereicht wird, von dem man aber nie genau weiß, wessen Meinung er gerade „verkauft“. Eines seiner jüngsten Verkaufsobjekte ist die äußere Innenansicht der Schweiz und die schaut so aus: Die Schweiz ist super, Österreich ist vergleichsweise schlecht. „Rezepte“ der Eidgenossen soll Österreich übernehmen, weil das Land stagniert und die Schweiz wächst. Anders als bei uns, ist das soziale Netz in der Schweiz gut ausgebaut und die Infrastruktur hervorragend. In dieser Tonart geht es über eine Doppelseite weiter und man bekommt als Österreicher schon Minderwertigkeitsgefühle im Vergleich mit den Eidgenossen. Doch dann lässt Dengler noch die Katze aus dem Sack und erklärt, wessen Brot er isst: „Die Schweizer Unternehmen werden nicht besteuert und reguliert bis es kracht“. Unklar bleibt dabei, ob Dengler auch die amerikanischen, russischen oder sonstige Steuerflüchtlinge meint, die unter dem Schweizer Kreuz ihre dubiosen Geschäfte treiben. Jedenfalls, das ist der wahre Veit Dengler und der Grund dafür, warum er nie ein großer Journalist und nie ein großer Politiker werden wird. Dengler wird immer ein smarter Verkäufer seines jeweiligen Herrn bleiben. In einer Hinsicht hat Dengler allerdings Recht: Wie die Schweiz die EU ausnützt ohne Mitglied zu sein, kann tatsächlich beispielgebend sein. Gerade ist die Schweiz dabei, lautlos aus dem ohnehin schon breiten Trittbrett, regelrecht einen Tanzboden in Brüssel zu schaffen, wo sie uns das Alphorn blasen werden.

Eine Phantomdebatte

Beitrag: Peter Baumgartner

Quelle: Peter Baumgartner

Wissend, dass die aktuell geführte Debatte um den EU-Beitritt der Ukraine in weiter Ferne liegt, wird in den Medien munter drauf los philosophiert und dabei vergessen, dass vor der Haustür ganz reale Sonderbarkeiten ablaufen. Lang war die Erklärung von Präsidentin von der Leyen zum Erweiterungspaket 2023. Tatsächlich ist das Paket prall gefüllt mit Plänen. Nur über den geplanten Deal mit der Schweiz verliert die Präsidentin darin keine Silbe. Vorangegangen sind dem nunmehr fertigen Verhandlungsmandat der Schweiz mit der EU nämlich mehr als zwei Jahre „Geheimgespräche“ unter starker österreichischer Beteiligung. „Mauscheln“ können Österreicher bekanntlich besonders gut. Deshalb hat man ihnen seitens der EU wohl das Mandat übertragen. Was jetzt am Tisch liegt, ist für die beiden EU-Abgeordneten Schieder und Mandl, die mit der Schweiz mehr verbindet, als die Liebe zur Schokolade, ein „gelungener Neustart“ auf dem Weg zum EU-CH-Rahmenabkommen. Ganz anders sieht es die Schweizer Gewerkschaft und die führende SVP. Für sie ist das „Liberalisierungsprogramm“ schlicht inakzeptabel, und würde nach ihrer Meinung dazu führen, was bereits in ganz Europa passiert: Eine zunehmende Verarmung der Bevölkerung und die Aufgabe der direkten Demokratie. Der ÖVP-Chefverhandler Jürgen Mandl meint zwar, dass es bei dem Deal keinen Verlierer geben wird, sondern die Schweiz und die EU gewinnen werden. Das ist aber gar kein Widerspruch, denn schon jetzt gewinnt die Schweiz als Trittbrettfahrer der EU überproportional und einige EU-Steuerflüchtlinge profitieren ebenso – ganz sicher aber nicht die EU-Bürger. Das Alpenland Schweiz hat zum Beispiel die größte Flusskreuzfahrtflotte Europas unter den Fittichen, die in ihren jeweiligen Heimatländern keine Steuern zahlen. Sogar US-Schiffe tragen dankbar das Schweizer Kreuz am Heck. Umgekehrt in den USA völlig undenkbar. „Doch leider geht dieser Boom an den Beschäftigten vorbei“ (Gewerkschaft Nautilus). Zuletzt konnte die Schweizer Bevölkerung 1972 ein EU Beitritt ihrer Regierung verhindern und 2021 den Röstigraben zwischen EU und Schweiz noch vertiefen. Christoph Blocher hat damals das Spiel durchschaut und gesagt, die Schweiz will sich mit der EU verloben, hat gleichzeitig aber nicht die Absicht zu heiraten. Blocher hatte noch Prinzipien. Heutige Politiker gehen aus Kalkül auch Zweckehen ein. Dennoch, für manche Diskutanten ist sogar wieder ein Beitritt der Schweiz zur EU denkbar. Das ist zwar mindestens so nebulos wie die ukrainische Perspektive, aber nicht minder speziell. Ob die EU und die Schweiz 2024 tatsächlich wieder enger zusammenrücken werden, steht noch in den (goldenen) Sternen. Zunächst gibt es ein wasserdichtes Verhandlungsmandat für einen flexiblen „Paketansatz“ und man ist zuversichtlich, dass das Schweizer Volk an der Wahlurne „richtig“ entscheiden wird. Gesichert scheint zu sein – und das ist die Botschaft an das Wahlvolk, die Schweiz bleibt souverän, die Schweizer Interessen bleiben gewahrt und man macht aus dem Trittbrett in der EU einen Tanzboden. Im Gegenzug werden ein paar Franken mehr nach Brüssel rollen – vielleicht. Man legt in der Schweiz zum Beispiel großen Wert darauf, dass es keine Einwanderung in das Sozialsystem geben darf. Also „Ausländer“ zwar unter Schweizer Flagge schuften dürfen, aber schön brav in ihrem (prekären) System verhaftet bleiben sollen. Ob die EU-Mitglieder das alles wollen? Wurscht! Die sollen sich mit der Phantomdebatte über die Mitgliedschaft der Ukraine und Sonstige beschäftigen. Mitbestimmung? Fehlanzeige. Das machen schon die Mauschel-Experten. Hände falten – Klappe halten. (PB)

Jahresrückblick

Text. Peter Baumgartner

Bald ist es wieder so weit. Das war…, so war…, das Jahr…, das Jahr review… ein Rückblick… Jedes Jahr die gleiche Qual! Dipl. Psychologin Victoria Bindrum schreibt, „Glücklich ist, wer vergisst, dass hier alles kacke ist“. Bindrum will damit eine Anleitung zum besseren Leben formulieren. Im Selbstversuch hat es leider nicht funktioniert. Entlehnt ist Bindrums Lösungsansatz einer typisch österreichischen Eigenschaft, die Jahrhunderte lang überliefert, letztendlich durch die Fledermaus von Johann Strauß Ewigkeitsstatus erlangt hat. „Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist!“ Besaufen und lallen im Dreivierteltakt als Breitbandmedikation wenn man bemerkt, dass sowieso alle Dreck am Stecken haben. Ein durchaus empfehlenswertes Lebensmotto, wenn man unbeschadet überleben möchte – aber es funktioniert nicht. Übrig bleibt höchstens eine kaputte Leber. Schuld sind auch die Medien, die einem beim Vergessen regelmäßig einen Strich durch die Rechnung machen. Kaum hat man eine Geschichte „ersoffen“ und beginnt sie zu vergessen, schon steht sie am nächsten Tag wieder in der Zeitung und bringt einen aus dem Dreivierteltakt. Besonders dramatisch wird die Geschichte eben um den Jahreswechsel. Nicht nur die unveränderlichen Schmerzen der letzten Tage und Wochen werden da brutal in Erinnerung gerufen. Nein, ALLE körperlichen, seelischen, finanziellen und sonstigen Qualen, werden unbarmherzig ans Licht gezerrt. Keine Chance. Nichts wird ausgelassen. Ist das menschenwürdig? Wo bleibt da Amnesty International? Medien als Folterknechte! Eine Schande. Und dafür müssen wir auch noch eine Zwangsgebühr zahlen. Wir zahlen quasi zuerst unsere Folter selber und danach auch die Behandlung. Erbarmen, liebe Foltermedien. Wenigstens zum Jahreswechsel – glücklich ist, wer vergisst…

Das Ende vom Anfang

Text. Peter Baumgartner

Schlechte Vertrauenswerte in alle staatstragenden Institutionen beherrschen die innenpolitische Debatte und hinterlassen ratlose Bürgerinnen und Bürger. Vom Bundespräsidenten über das Parlament abwärts, gefühlsmäßig wurde das Land noch nie so schlecht regiert, wie das aktuell der Fall ist. Dabei geht es gar nicht nur um die unappetitlichen Korruptions- und Pleitegeschichten. Nahezu im Stundentakt schwimmt ein stinkendes Fass aus der (Sau)Wirtschaft auf, „feuchte Wiesen“ und „Rohrbrüche“ werden sichtbar. Und dabei ist noch nicht mal von der europäischen- und weltpolitischen Lage die Rede. Kurzum, Psychotherapeut dürfte aktuell wohl die beste Berufswahl für die Zukunft sein. Wir hängen in der Luft und es ist Zeit, sich um den Neuanfang zu kümmern. Niemand muss deshalb auf den Jahreswechsel, den nächsten Tag, die nächste Wahl oder die nächste Überraschung warten. Die kleinste Struktur einer Gemeinschaft, die Gemeinde, könnte jetzt der Anfang für etwas Neues sein. Das Tor der Gesellschaft ist praktisch leer. Die verbrauchten Spieler liegen am Boden. Die beste Ausgangsposition für eine frische (Gemeinde)Mannschaft. Jeder Schuss ein Tor. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…

Von Amts wegen…

Text: Peter Baumgartner

Schlechte Nachrichten überbringen zu müssen, war in archaischen Zeiten und ist heute noch ein gefährlicher Job. Geköpfte Boten oder in Krähen verwandelte Singvögel sind zwar eher selten zu finden, aber die archaischen Zeiten sind diesbezüglich nicht vorbei. Egal ob Whistleblower, Klimaschützer oder einfach nur „lästige“ Bürger, sie alle stören den gut „geschmierten“ Lauf des Getriebes. Plagiatsjäger, Korruptionsjäger, Investigativ Journalisten, es gibt viel zu besprechen in unserer Gesellschaft. Aber man schätzt es nicht, wenn sich „Kümmerer“ einmischen und glauben, Behörden helfen zu müssen. Neuerdings wird man als Überbringer schlechter Klimabotschaften sogar schon kriminalisiert. Nein, nicht der, der das Klima schädigt ist kriminell, sondern der, der die Botschaft von der Klimaschädigung überbringt. Gut, jetzt könnte man dem entgegenhalten, es würde ja genügen, wenn man die Botschaft nur ausspricht oder niederschreibt. Man muss sich deshalb ja nicht auf die Straße kleben. Der Einwand ist berechtigt. Aber was, wenn der Adressat taub ist und nicht lesen kann? OK, man könnte solche Adressaten auch einfach „herprügeln“, wie es in gewissen Politkreisen Mode ist. Mittlerweile trifft der amtliche Zorn bereits ganz weite Kreise. Wer aufzeigt, dass Kinder zum Glückspiel verleitet werden, wird flugs in eine Krähe verwandelt. Sich von öffentlichen Zuständen betroffen zu fühlen, kann den (finanziellen)Kopf kosten. Es wird noch so weit kommen, dass man als Mittäter bestraft wird, wenn man eine Vergewaltigung anzeigt. All diese archaischen Justizformen könnten wir uns ersparen, würde die sogenannte „Amtswegigkeit“ halbwegs funktionieren. Würden die zuständigen Behörden, Ämter, Gerichte etc. ihren Job machen, bräuchte es keine „Kümmerer“. (PB)