Wietersdorfer Erweiterung der Steinbrüche

Leserbrief zu den Kommentaren zum Artikel Bettina Auer/Kleine Zeitung: „Wietersdorfer Erweiterung der Steinbrüche beschäftigt die Landesregierung“ (Ausgabe 07.01.2023, St. Veit)

Warum mischen sich die Steirer bei uns ein? Einzig um dem Görtschitztaler Zementwerk Verzögerungen und finanzielle Verluste zu bescheren? Nun, die Steirer und die Kärntner sind sich einig, dass niemand über dem Gesetz steht, auch wenn es um Arbeitsplätze und finanzielle Gewinne geht. Ich entnehme dem Zeitungsartikel, dass das Bundesverwaltungsgericht der Wietersdorfer Geschäftsführung (die den Rodungsantrag stellte) und der Landesregierung (die den Antrag genehmigte) erklärt hat, dass ihre Lesart des Gesetzes die Grenzen der möglichen Interpretation teilweise zu weit überschritten hat. Wenn sowohl der Antrag als auch die Genehmigung korrekt gewesen wären, hätte es in dieser Hinsicht keine zusätzlichen Verzögerungen gegeben, keine potenziellen Arbeitsplatzverluste und keine finanziellen Einbußen für die Wietersdorfer und die Republik.

Und wer finanziert die BI Neumarkt eigentlich? Anscheinend gibt es einige Personen, die sich auch um unsere Demokratie und die Zukunft der Kinder (auch der Leser) sorgen. Demokratie und Kinder sind unser größter Reichtum und wir müssen sie schützen.

Laut FUNK-Bericht ist Wietersdorf seit Jahren kein Zementwerk mehr, sondern „eine Sonderabfallbehandlungsanlage geworden, in der auch Klinker produziert wird“. Nach dem HCB-Skandal weiß „jedes Kind“ im Görtschitztal (und in Neumarkt in der Steiermark), dass gefährliche Abfälle (wie Quecksilber und HCB) nie in den Kamin einer Zementfabrik gehören.

Die bestrittene Genehmigung ermöglicht weiters implizit, neben der Verbrennung von gefährlichen Abfällen auch der Ausstoß von über 500.000 Tonnen CO2 pro Jahr während der nächsten 45 Jahren (also bis 2068). Laut eigenen Angaben, fängt Wietersdorf dieses CO2 nicht ein, sondern gibt es in die Natur ab, aus der es nur sehr umständlich zurückzuholen ist – und sollte dafür die Gemeinschaft keine CO2-Klimasteuer zahlen müssen. Der Bürger zahlt mehr als 30 Euro pro Tonne.

Ob die Demokratie und unsere Kinder das alles wollen, sollten nach Ansicht einiger nicht nur die Wietersdorfer Geschäftsführung und die Kärntner Landesregierung entscheiden.

Zurück zu der Frage: Wer finanziert die BI Neumarkt eigentlich? Gemäß ihren Statuten finanzieren die Mitglieder ihre Bürgerinitiative. Im Görtschitztal gäbe es eine ähnliche Bürgerinitiative, mit weniger finanziellen Mitteln.

Peter Dreesen, Klein St. Paul

Sitzung der Kärntner Landesregierung

Text: Peter Baumgartner.

Am 10. Jänner 2023 findet die erste Regierungssitzung im neuen Jahr statt. Auf der Tagesordnung stehen so viele Punkte, dass man meine möchte, die Regierung will vor der Landtagswahl am 5. März noch schnell alles durchpeitschen, was nachher vielleicht nicht mehr möglich sein könnte. Einer der Tagesordnungspunkte lautet:

„w&p Zement GmbH, „Rodungsvorhaben Kalkstein- und Mergelbruch Klein St. Paul, UVP-Genehmigungsbescheid gemäß § 17 UVP-G 2000; Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.10.2022, ordentliche Revision der Bürgerinitiative Neumarkt in Steiermark an den VwGH; Revisionsbeantwortung.

Dabei geht es um einen beeinspruchten UVP-Bescheid der LRG, den die „Bürgerinitiative Zukunft Görtschitztal“ (IZG) initiiert hat. Wie vom Gesetzgeber gefordert, können Bürger sie betreffende Bescheide nur beeinspruchen, wenn sie ganz bestimmte Kriterien erfüllen. Sinn und Zweck dieser restriktiven Bestimmungen ist, dass Bürgerinitiativen kleiner Ortschaften schon zahlenmäßig gar keine Chance haben, irgendwelche Rechtsmittel zu ergreifen. Wenn es dann, wie meist erforderlich, auch noch Rechtsbeistand und Gutachten notwendig sind, um ein Rechtsmittel ergreifen zu können, bleibt kleinen Gruppen oder Einzelpersonen keine Wahl. Sie müssen sich Hilfe organisieren. Auch in diesem Fall hat sich die kleine IZG von der größeren, zugelassenen Bürgerinitiative Neumarkt aus der Steiermark Hilfe geholt. Dies heißt jedoch nicht, dass die Geschichte für die IZG kostenlos ist. Im Gegenteil. Durch die juristischen Zwangsbestimmungen wird eine notwendige Bürgerbeteiligung massiv erschwert und verteuert. Im „Kärntner Fall“ kommt noch dazu, dass die Landesregierung unter medialer Beihilfe unterschwellig „ausländische Einmischung“ ins Treffen führt und damit die eigene Bevölkerung nicht nur diskreditiert, sondern eine gegenseitiges Aufstacheln in den sozialen Medien wissentlich in Kauf nimmt. Prompt sind nach der Veröffentlichung der „ausländischen Einmischung“ durch die Kleine Zeitung im Internet entsprechend gewünschte „Reaktionen“ aufgetaucht.

Inhaltlich geht es bei dem anhängigen Verfahren um eine rechtlich umstrittene Rodung großer Waldflächen und Abbautätigkeiten von Rohstoffen für die Zementgewinnung. Die Landesregierung als zuständige Behörde führt öffentliches Interesse ins Treffen. „Öffentliches Interesse“ ist ein Rechtsbegriff, den Juristen immer dann verwenden, wenn ihnen die Paragraphen ausgehen. Wenn ihnen nichts mehr einfällt und statt Vorschriften, unbestimmte und individuell händelbare Entscheidungshilfen herhalten müssen. So werden auch ein neuer Steinbruch und die Rodung von zig-Hektar Wald im Görtschitztal argumentiert. Wofür? Für noch mehr Zement. Kärnten hat mit 510 m2/Kopf den größten Anteil an Bodenversiegelung in Österreich, sagt das Umweltbundesamt. Das ist einsamer Spitzenwert. Dahinter liegt Niederösterreich mit 409 m2. Aber das macht nichts. 96 Prozent der versiegelten Flächen in Österreich sind dem Verkehr zuzuordnen. Auch da zählt Kärnten zu den Spitzenreitern und das fördert wieder die Auswirkungen des Klimawandels, sagen die Versicherer. Aber das macht nichts. Mit dem Straßenbau wächst die Zersiedelung und damit wieder das Verkehrsproblem. Macht auch nichts. Die Zementindustrie ist einer der größten Energieverbraucher. Auch egal, wir reduzieren die Wohnzimmertemperatur einfach auf 15 Grad. Barbara Blaha vom Momentum Institut meint, dass die Energievergeudung der Reichen nur per Gesetz wirksam bekämpft werden kann. Aber das wird nicht geschehen, denn die Wirtschaftslobby in Kärnten ist mächtig und hat einen Namen: Sozialdemokratische Partei (SPÖ).

„Yabba Dabba Doo!“

Die Geröllheimer sind überall. Kein noch so schönes Naturschutzgebiet ist vor den Sprengmeistern sicher und was Anrainer als Frevel an der Natur beklagen, ist für die Montanindustrie ein Investment.

Text: Peter Baumgartner.

Seit Jahren kämpft die überparteiliche Bürgerinitiative „Nein zum Neupersteinbruch am Windischberg!“ gegen ein Steinbruchprojekt, das direkt an das Kärntner Europaschutzgebiet Mannsberg-Boden angrenzt. Für das Gebiet sind das Nebeneinander verschiedener Buchenwaldtypen und deren kleinräumige Verzahnung wertbestimmend und charakteristisch. Ursachen dafür sind der kleinräumig wechselnde, geologische Untergrund (saure und karbonathaltige Substrate), die reich gegliederte Geomorphologie, sowie die bewirtschaftungsbedingte Kleinteiligkeit der Landschaft. Darüber hinaus sind mit den Illyrischen Buchen-Mischwäldern Bestände vorhanden, wie sie in Österreich bundesweit sehr selten sind.

Hier auf dieser Fläche am Windischberg in Unterpassering soll der Neupersteinbruch entstehen. Das Gebiet befindet sich direkt angrenzend an das Natura-2000-Europaschutzgebiet Mannsberg-Boden. Auch in den Wintermonaten soll hier Bruchmaterial gewonnen werden. Dessen Abtransport soll per LKW über die Krappfelder Landessstraße (unten zu sehen) erfolgen – das heißt also mitten durch unsere Ortschaften Passering, Unterpassering und Pölling hindurch. Bild: Bürgerinitiative „Nein zum Neupersteinbruch am Windischberg!“

Darüber hinaus ist der überdurchschnittliche Orchideenreichtum von Bedeutung. Neben zahlreichen speziellen Vogelarten wie Schwarzstorch, Sperlingskauz und Grauspecht, beherbergt Mannsberg-Boden auch seltene Käfer und Schmetterlinge. Erst 2018 wurde von der Umweltlandesrätin Sara Schaar ein „Europaschutzzentrum“ vor Ort errichtet. Die Kosten dafür betrugen 1,5 Mio. Euro.  „Das Zentrum liegt mitten im Natura 2000-Gebiet Mannsberg-Boden und bringt Besuchern auf attraktive Art und Weise die Inhalte des europaweiten Natura 2000-Netzwerkes näher“, verkündete Schaar vollmundig. Womöglich können von dort aus Besucher auch bald Sprenglehrgänge machen und LKW-Rundfahrten buchen. Wie sich nämlich das Naturjuwel mit einem aktiven Steinbruch vertragen soll, werden vielleicht die Naturschutz Sachverständigen bald bei der UVP erklären können. Wahrscheinlich müssen die Projektbetreiber an den Gebietsgrenzen noch Warnschilder aufstellen. Für Vögel „Grenze überfliegen verboten“ und für Käfer „Achtung Sprengfalle“.

Das Genehmigungsverfahren bei der Bezirkshauptmannschaft St. Veit/Glan läuft angeblich bereits und 2023 dürften Entscheidungen fallen, von denen die Bürgerinitiative „Nein zum Neupersteinbruch am Windischberg!“ Unheil erwartet. Deshalb ist jetzt ihrer Meinung nach der örtliche Gemeinderat gefordert, ebenfalls „Nein“ zu sagen. Das Projekt Steinbruch am Windischberg bringt naturgemäß mehr Verkehr und eine gewaltige Belastung für die gesamte Gemeinde Kappel am Krappfeld. In erster Linie sind natürlich die Anrainer und die umliegenden Ortschaften davon betroffen. Aber der nachteilige Einschnitt in Natur und Landschaftsbild sowie Lärm, Staub, Abgasemissionen durch den Schwerverkehr belasten auch indirekt alle in der Region. Bereits 2015 sprach sich der Kappler Gemeinderat mit überwältigender Mehrheit gegen das Projekt aus. „Wir gehen davon aus, dass sich auch die jetzige Bürgermeisterin als Gesundheitsexpertin und der jetzige Gemeinderat ihrer Verantwortung bewusst sind und sich gegen das beworbene Steinbruch-Projekt, aussprechen werden“, hofft die Bürgerinitiative. Die Feinstaubbelastung ist schon jetzt ein bekanntes Problem in der Region.

Die Rohstoffgewinnung und die damit verbundenen bergbaurechtlichen Fragen dürften in Kärnten ein heikles Thema sein, dass zu jeder Zeit eine besondere Aufmerksamkeit erfordert. Landauf und landab tauchen immer wieder „Projekte“ auf, die Anrainer unvorbereitet aufscheuchen. Wo Medien plötzlich geschlossen auf Tauchstation gehen, als hätten sie ein Schweigegelübde abgelegt und wo Behörden eine „Informationssperre“ verhängen. Plötzlich erfährt man von einer Tiefenbohrung von der anscheinend niemand Bescheid weiß. Dann poppen Abbautätigkeiten auf, für die es angeblich gar keinen rechtsgültigen Bescheid gibt. Dann fällt wieder ein Steinbruch in sich zusammen und niemand weiß warum oder sogar die Nachfahren der australischen Ureinwohner suchen nach seltenen Rohstoffen in Kärntner Bergen. Fehlt nur noch, dass Putins Söldner wie in Zentralafrika auftauchen und mit dem Maschinengewehr im Rosental Gold schürfen. Aktuell „schürft“ eine Bürgerinitiative nach genehmigten Abbautätigkeiten in Kärnten, denn offensichtlich stimmt die veröffentlichte Literatur mit den Tatsachen nicht ganz überein.

In Summe könnte man zur Erkenntnis gelangen, dass es notwendig ist, sich die Stakeholder der Rohstoffindustrie, namentlich der Bergbauindustrie, genauer anzuschauen. Jedenfalls werden die Zuständigkeiten auffallend oft hin und her geschoben. Für den unbefangenen Bürger ist es nicht gerade einfach festzustellen, wer für was wann verantwortlich zeichnet und ob maßgebliche Entscheidungen überhaupt noch von Beamten und nicht schon von Investoren getroffen werden. Ein wenig haften der Branche noch monarchistische Züge an. Nicht umsonst residierte einst die oberste kaiserliche Bergbehörde nicht in Wien, sondern in Kärnten und die Montanindustrie ist noch immer adelig geprägt. Da verwundert es nicht, dass Widerspruch aus dem „Volk“ schnell als hinderlich auf dem Weg zu übergeordneten Zielen gesehen werden. Auch wenn die herrschaftlichen Befehle heute verklausuliert und mit dem Interesse an einer gemeinschaftlichen „Rohstoffunabhängigkeit“ argumentiert werden. Wechselweise sind Zuständigkeiten bei der Bezirkshauptmannschaft, bei der Landesregierung, bei der Montanbehörde oder in verschiedenen Ministerien angesiedelt. Dazwischen spielen noch ein paar wichtige Player – wie eben die Montanindustrie mit ihren Organisationen – keine bescheidene Rolle. „Für eine Versorgungssicherheit eines Landes braucht es Rohstoffe und jene, die sie gewinnen. Der Bergmännische Verband Österreichs setzt sich seit 70 Jahren für die Interessen des österreichischen Bergbaus ein und ist damit eine wichtige Stütze der österreichischen Versorgungssicherheit“, betonte die Bergbauministerin Elisabeth Köstinger im April 2022 zum 70. Geburtstag des elitären Vereins. Wenige Tage später folgte sie ihrem Idol Sebastian Kurz, verließ das Ministerium und wandte sich privaten Aufgaben zu. Der Rechnungshof hat 2020 einen Prüfbericht über die Geologische Bundesanstalt vorgelegt und gemeint, sie verfügt über keinerlei Regeln, wie mit Korruption umzugehen ist, obwohl die nachgeordnete Dienststelle des BMBWF über die Teilrechtsfähigkeit als eigene Rechtspersönlichkeit öffentliches und privates Personal beschäftigt. Überhaupt sollte an einigen Budgetschrauben gedreht und „graues“ Personal vermieden werden. Es erstaunt immer wieder, wie unglaublich vielfältig die deutsche Sprache verwendet werden kann.

Für Investoren sind das aber alles Nebengeräusche. Spätestens seit dem Bericht des Club of Rom – vor 50 Jahren, wissen wir, unsere Ressourcen sind endlich. Um einige Ressourcen finden bereits blutige Kämpfe statt und junge Umweltidealisten müssen sich mit dem Gedanken anfreunden, dass sie sich vielleicht auch in Europa noch zwischen Patrone oder Protest entscheiden müssen. Dabei reden wir noch gar nicht von den wirklich seltenen Rohstoffen, die wir eh kaum haben. Die entfesselte Bauwirtschaft in Österreich braucht im Jahr zum Beispiel allein 80 Mio. Tonnen Baurohstoffe (!). Für Häuser und für Straßen. Deshalb gibt es überall Geröllheimer. Es geht also längst nicht mehr um irgendwelche Schmetterlinge oder aussterbende Käfer. Es geht um den Wirtschaftsmotor und der frisst eben auch Unmengen Steine – auf jedem Kilometer.

Bürgerinitiative „Nein zum Neupersteinbruch am Windischberg!“

Die gute Nachricht ist, jede Bürgerin, jeder Bürger kann sich in Österreich (noch) entscheiden: Will man die natürliche Landschaft vor dem Wohnzimmerfenster erhalten, dann unterstützt man eine Bürgerinitiative. Zum Beispiel www.nein-zum-neupersteinbruch.at. Will man lieber Kohle mit „Glück auf!“ machen, dann investiert man auf dem Rohstoffmarkt. Angebote findet man bestimmt bei der Hausbank oder beim Fondsanbieter des Vertrauens. Zum Beispiel bei der Frau ex-Ministerin Köstinger. Ihre Investment Firma sitzt übrigens ganz in der Nähe vom künftigen Neupersteinbruch.

Alles Staat oder was? Ist das die Lösung aus der Krise?

Die Schweizer sind bekanntlich sehr auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Aber sogar sie wissen, man kann im Leben nicht alles haben. Auf schweizerisch heißt das, „Das Weggli und den Fünfer bekommt man nicht“. Man kann nicht das Weckerl (Weggli) und den Fünfer den es kostet haben. Zwei Vorteile, die sich gegenseitig ausschließen.

Die Volkswirtschaftliche Gesellschaft Kärnten lud vor ein paar Tagen zu einem Vortragsabend, der von Dr. Oliver Picek, Wissenschaftler am Momentum Institut, geleitet wurde, ein. Vorweg, nein, abschließende Antworten auf die Frage, ob der Staat alle Probleme lösen kann/soll, gab es nicht. Dr. Picek erläuterte ausführlich die bisher gezeigte Verantwortung des Staates in den aktuellen und vergangenen Krisensituationen, was es gekostet hat und was sinnvoll oder weniger sinnvoll war. Zusammenfassend kann man vielleicht sagen, die staatliche Hilfe war und ist hoch, sehr hoch sogar, manchmal aber auch zu wenig. Oft war sie nicht zielführend und gar nicht selten völlig nutzlos. Aber ob der Staat alles richten kann oder soll, blieb offen. Und zwar deshalb, weil gar nicht klar ist, wofür der Staat eigentlich alles zuständig ist. Es gibt nämlich keinen Katalog wo man nachschauen könnte, was alles in die Lösungskompetenz des Staates (und den nachgeordneten Ländern, Gemeinden) fällt. Also macht man es sich einfach: Der Staat ist für alles zuständig. Je nach Blickwinkel heißt es dann „Vollkaskogesellschaft“ oder „Fördernehmertum“.

Diskussionsleiter Herwig Draxler wunderte sich zum Beispiel, dass in Kärnten neuerdings sogar der kostenlose Glühlampentausch für private PKW-Besitzer zur öffentlichen Daseinsvorsorge zählt. Aber das könnte man noch als Wahlwerbegeschenk abbuchen. Komplizierter wird es, wenn verlangt wird, der Staat „soll mehr für das Klima tun“. Da darf man schon nachfragen, hat der Staat (allein) das Klima versaut? Oder sollte da, nach dem Verursacherprinzip, zum Beispiel die Zementindustrie ihren Teil zur Lösung beitragen, anstatt zusätzlich die Hand aufzuhalten? Man könnte auch fragen, warum ein gesundes Unternehmen in einer Krisenzeit nicht zuerst zur Hausbank oder zu den Investoren pilgert, anstatt gleich nach öffentlicher, nicht rückzahlbarer, Förderung zu rufen? Und wenn der Staat schon „einspringen“ muss, warum soll er dann keine Anteile am Kredit-Fördernehmer dafür bekommen? Es muss ja nicht gleich das Gespenst der Verstaatlichung auferstehen.

Eigentumsverhältnisse können sich schnell ändern. Besondere Achtsamkeit bei kritischer Infrastruktur scheint geboten. Quelle: IBBS

Noch mehr Diskussionsbedarf besteht, wenn man sich mit der Frage der kritischen Infrastruktur beschäftigt. Ein Volkswirtschaftler, ein gewisser Herr Alexander Van der Bellen, hat bereits 1987 bei einer Vorlesung die Frage aufgeworfen, ob die Abschaffung der verstaatlichten Betriebe angesichts einer möglichen Auslandsabhängigkeit wirklich so g’scheit ist? Am Beispiel der Ersten Donaudampfschiffahrtsgesellschaft kam Van der Bellen zum Schluss, nein, es ist nicht zwangsläufig richtig nur auf Gewinne zu schauen. Rückblickend war Van der Bellen ein Visionär mit seiner Meinung, denn heute gehört die vormals staatliche 1. DDSG Reederei einem ukrainischen Oligarchen, der noch immer die wichtige Voest mit Rohstoffen beliefert. Was aber, wenn Putin den Krieg gewinnt und die 1. DDSG plötzlich russisch wird? Sogar Dr. Georg Wailand hat kürzlich in der Krone geschrieben, es ist nicht egal, wem eine Firma gehört. Die Privatisierung der vormals staatlichen Betriebe hat nicht deshalb dazu geführt, weil sie im Besitz der (unfähigen) Republik waren, sondern weil sie im Besitz von politischen Parteien – namentlich ÖVP und SPÖ – waren. Und zwar schon sehr lange. Als 1950 in Österreich das „Krauland-Ministerium“ in die Luft geflogen ist, hat der Richter resigniert bemerkt: „Was der Republik gehört, gehört der ÖVP und der SPÖ“. Wir sollten aufpassen, dass das überbordende „Engagement“ des Staates nicht wieder zu einer Besitznahme durch Parteien führt.

WANDZEITUNG

Der Name WANDZEITUNG wurde für das Medienprojekt bewusst gewählt, weil der historische Hintergrund zusammenfassend darstellt, was meine Erwartungshaltung ist: Die Inhalte der WANDZEITUNG sollen möglichst vielen Lesern zugänglich sein.

Ganz bewusst wurde in diesem Zusammenhang auch das Startbild gewählt. Es stammt vom viel gereisten Fotograf Herbert Rulf. Ihm ist der einzigartige Schnappschuss gelungen, auf dem man einen Mann sieht, der sich gleichzeitig mit zwei völlig unterschiedlichen Medien – Wandzeitung und Smartphone, beschäftigt. Komplett aus der Zeit gefallen, ist das Bild jedoch ganz real.

Seit meiner frühesten Kindheit bin ich mit dieser speziellen Informationsquelle vertraut. Zuerst im Schulunterricht als Lehrmethode, später als Ministrant, wo es meine Aufgabe war, die Pfarrnachrichten am „Schwarzen Brett“ aktuell zu halten und noch später im In- und Ausland, wo ich aufmerksamer Leser von Nachrichten war und bin, die im Format einer Wandzeitung verbreitet wurden/werden. Zwischendurch habe ich das Format als Kapitän oder als Vereinspräsident auch selber angewendet, um Informationen für meine „Kunden“ zu verbreiten. Erstmals sogar noch teilweise mit Handschrift, als es noch gar kein „Handy“ gab. Die WANDZEITUNG steht für mich etwa für den Begriff „SlowMedia“, der zusammenfassend das genaue Gegenteil der gängigen (Tages)Presse von heute ist.

Die veröffentliche Meinung sollte möglichst nicht von der öffentlichen Meinung abweichen. Meinungsfreiheit ist in jeder Demokratie ein hohes Gut. Meinungsfreiheit geht vor Meinungskartell und überall dort, wo die Schere im Kopf von Journalisten ihre mediale Verwüstung anrichtet, muss die Schweigespirale durchbrochen werden.

Aber was ist die Meinungsfreiheit wert, wenn das Recht auf sie nicht wahrgenommen wird? Wenn frei Bürger einfach darauf verzichten? Was ist die Meinungsfreiheit wert, wenn die freie Meinungsäußerung nicht gehört oder einfach ignoriert wird? Die WANDZEITUNG kann und will dazu beitragen, dass die öffentliche Kommunikation gefördert wird.

MUCKRAKER des JAHRES

Ab 2023 wird die WANDZEITUNG alljährlich den MUCKRAKER des JAHRES ausloben.

Ein besonderer Schwerpunkt bei der Wahl zum MUCKRAKER des JAHRES liegt auf Beiträgen, die in der allgemeinen Medienarbeit nicht, oder wenig Berücksichtigung finden. Viele Themen sind für die meisten Medien aus verschiedenen Gründen tabu, oder es wird erst berichtet, wenn andere bereits die schwierige Recherchearbeit geleistet haben. Gesucht wird jedoch nicht unbedingt der investigative Journalist, der oftmals als Feigenblatt eines Mediums dient, damit der Rest der Redaktion Meinungsjournalismus betreiben darf. Gesucht werden vielmehr Medienschaffende, die ein Gespür für das Wesentliche in einer Demokratie und in einer vielfältigen Gesellschaft haben, wo Meinungsfreiheit nicht mit Medienfreiheit verwechselt wird und wo die gleichberechtigte Diskussion die erste Wahl jeder Kommunikation ist. Dabei darf es durchaus sein, dass die Mehrheitsmeinung nicht zwangsläufig zur veröffentlichten Meinung führt. Kurzum, MUCKRAKER des JAHRES sind Medienschaffende, die wertvolle Arbeit für die Gesellschaft leisten.

Mehr als 60 Jahre nach der denkwürdigen Rede des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy (The President and the Press), haben wir noch immer nicht gelernt, wofür wir Medien brauchen und wann den Medien jene Bedeutung zukommt, die wir ihnen quasi als Vorschuss eingeräumt haben. Kennedy spricht in seinem Hilferuf alle wichtigen Aspekte einer Medienlandschaft an, die man leider auch heute noch schmerzlich vermisst. Stattdessen werden in einer, von einer kollektiven Selbstzerstörung geprägten Boulevarddemokratur, Phantomdebatten mit dem einzigen Ziel geführt, von der eigenen Unfähigkeit abzulenken. Kennedy hat es vermieden, berechtigte Kritik an die Journalisten zu richten. Stattdessen hat er versucht, sie für ein Medienverständnis zu begeistern, dass seiner Meinung nach gut für die USA ist.

Lange vor Kennedy hat Präsident Theodore Roosevelt gegenüber Journalisten weniger feine Worte gewählt. Von ihm stammt der Begriff „Muckraker“, mit dem er Journalisten abstempelte, die nur im Dreck herumwühlen, statt auch irgendetwas Erhabenes sehen zu wollen. Nicht dass Roosevelt es verhindern wollte, dass Journalisten Missstände aufdecken. Nein, er hielt es sogar für dringend notwendig. Aber der Präsident forderte nachdrücklich ein, dass man nicht nur im Mist wühlen soll, weil man sonst womöglich selber im Sumpf landet. Und dann hat Roosevelt etwas sehr Wichtiges gesagt. Nämlich, dass es für die Zukunft von großer Bedeutung ist, Missstände mit dem Ziel aufzudecken, dass danach eine Verbesserung des Einzelnen und der Nation erreicht wird. Sonst bleibt das Bild schwarz und man bekommt allmählich das Gefühl, die ganze Welt ist nichts als Dreck.

In diesem Sinn freuen wir uns darauf, lebensbejahende Medienschaffende mit dem MUCKRAKER des JAHRES auszeichnen zu dürfen, die den Dreck mit dem Rechen nur deshalb anhäufen und entfernen, damit hinterher ein störungsfreier Blick auf die Vollkommenheit der sinnlichen Erkenntnis möglich wird.

In allen Häfen war Österreich

Der aktuelle Anspruch österreichischer Transportpolitikerinnen an die Zukunft in der Logistik ist der sogenannte „Trockenhafen“. Ein Euphemismus für LKW-Abstellplatz. Klingt irgendwie netter. Man sagt heutzutage ja auch nicht mehr Bilanzfälschung, sondern kreative Buchführung. Ungebildete sind höchstens bildungsfern. Dank kreativer Wortschöpfungen kann man also jede Dummheit in einen blühenden Garten Eden verwandeln. Und es wird überall reger Gebrauch davon gemacht.

Über viele Jahrhunderte hinweg, wehte die Österreichische Handelsflagge auf den Schiffen, die nahezu ausnahmslos für den Wohlstand des gesamten Reiches sorgten. „Flagge zeigen“ war in der Monarchie sprichwörtlich noch untrennbar mit Ansehen und Hochachtung verbunden. Untrennbar damit im Zusammenhang steht auch die Adria-Stadt Triest, wo Österreichs Geschichte in vielfacher Hinsicht noch lebendig ist. Triest ist bekanntlich wie die Wiener Ringstraße – nur mit Meerblick. Hier stand einst das maritime Monument „Österreichischer Lloyd“ und Josef Ressel, einer der wichtigsten Erfinder, hat hier am 1. Juli 1829 seine Schiffsschraube präsentiert. Sogar der Bau einer Wasserstraße von Wien nach Triest wurde 1795 begonnen und direkt von Kaiser Franz unterstützt. Fertig wurde der „Wiener Neustädter Kanal“ leider nie, aber noch heute ist er ein Wahrzeichen für die damalige Bestrebung die nur eine Richtung kannte: „Vorwärts“.

Die italienische Wasserstraße vom Lago Maggiore bis Venedig. Quelle: Association Locarno Mailand Venedig

Bald nach dem Ende der Monarchie verschwand die Österreichische Flagge nicht nur von der Adria. Heute ist sie selbst auf der Donau kaum noch zu finden und in Österreich gilt die Devise „vorwärts nimmer – rückwärts immer“. Studieren können wir diese Entwicklung ausgehend von der einstigen Logistikmetropole Triest. Nach einigen zaghaften Versuchen und politischen „Meisterstücken“ schickt sich der einstige Habsburger-Hafen an, wieder an Bedeutung zu gewinnen. Und die Aussichten sind gut. Schließlich haben sich die Grundvoraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg eines derartigen Standortes für den Welthandel ja nicht verändert. Aber, anstatt die Gunst der Stunde zu nutzen und im Hafen einen Anker zu setzen, begnügt sich Österreich mit der Rolle des „Hinterlandes“ und freut sich, als „Trockenhafen“ für die Adria dienen zu können. Triest, sagt Österreichs Bahnchef, ist das Tor zur Welt. Richtig erkannt, aber Österreich ist nur der Türsteher. Wir halten anderen Ländern die Tür auf, damit sie schneller hindurch können. Schlimmer noch, alles was einen raschen Hafenbetrieb behindert, wird von Triest nach Österreich „ausgelagert“ und wir freuen uns als „Zollfreikorridor“ für den Hafen herhalten zu dürfen. Das wird insbesondere die Guardia di Finanza freuen, die sich noch mit dem wachsenden Problem von Drogen- und Waffenhandel im Hafen herumschlagen muss. 730 kg Kokain wurden erst vor wenigen Tagen in einem Kaffee-Container entdeckt. Diese „Waren“ werden künftig wahrscheinlich im „Trockenhafen“ Villach landen. Friendshoring nennt man das jetzt unter Logistikpartnern. Für Kärntens Landeshauptmann ist es auch ein „Geheimrezept“.

Ungarischer Terminal in Triest. Quelle: Adria Port

Dass es intelligenter geht, zeigt uns ausgerechnet unser Monarchie-Bruder Ungarn. Orban hat bereits 2019 ein 34 Hektar großes Hafenareal in Triest gekauft und ist gerade dabei, dieses zu einem modernen Logistikzentrum für ungarische Unternehmen auszubauen. Bezahlen lässt sich Orban das natürlich wie immer von der EU und er feiert den Erfolg im eigenen Land mit „Ungarn liegt an der Adria!“. Auch die ungarische Schifffahrt hatte einst bereits eine große Bedeutung an der Adria. Das Motto der „Ungarischen Seeschiffahrts AG ADRIA“ lautete: „Sei deinem Land nützlich“. Die neue ungarische Hafen-Gesellschaft in Triest heißt auch ADRIA und die Zielsetzung ist wie damals: Sei deinem Land nützlich.

Österreich gibt sich inzwischen „Grün“ und versucht das Gesicht wenigstens in der Öffentlichkeit zu wahren. „Wir schaffen Arbeitsplätze“. Ja, ganz sicher werden wir einigen Spürhunden einen gesicherten Arbeitsplatz bieten müssen. Der Verkehr wird von der Straße auf die Schiene verlagert, lautet ein anderer Slogan. Auch das ist nicht ganz falsch. Einige Container werden zur Entlastung Italiens zwischen Triest und Villach mit dem Zug fahren und nur auf Österreichs Straßen ihren Fußabdruck hinterlassen. Eine wirklich große Verlagerung von der Straße auf die Schiene ist das nicht. Schon gar nicht, wenn ein neu zu schaffender „RailLog Park“ entstehen soll, der gar keine Gleise hat. Dafür werden hier die Schmuggel-Container hoffentlich gleich durchgewunken, wenn sie auf dem Weg nach Nord oder Süd am Rande des Naturschutzgebietes landen. Umweltschützer („Rett ma die Schütt“) kämpfen noch dagegen an. Die Aussicht auf Erfolg ist jedoch gering, denn die Zielsetzung der sozialdemokratischen Logistikpolitik lautet, banchina allungata, wir sind der verlängerte Kai Italiens. Freundschaft! Triest entlasten und Kärnten belasten. So schaut „gute Nachbarschaft“ aus.

Schwergut Umschlag vom Binnenschiff auf das Seeschiff. Quelle: FAGIOLI

Warum das alles so ist? Weil es so ist und so bleiben soll. In Österreich bestimmen noch immer ein paar kompetenzbefreite Bürgermeister mit ihrer Raumordnung und mit ihrer Ansiedlungspolitik, wohin die Reise in der österreichischen Verkehrspolitik geht. Gleichzeitig hat der Bund außer Ankündigungen und Sonntagsreden nichts zu bieten. Entwicklern von Logistikimmobilien wird der rote Teppich ausgerollt. Dank ihrer „Erfahrung“ wächst der Straßenverkehr ungebremst, die Lokomotive stampft am Stand und die Wasserstraßenlogistik plätschert knapp über der Wahrnehmungsgrenze dahin. Die besondere „Leistung“ von Qualitätsentwicklern für Logistikimmobilien besteht darin, die größten Logistikstandorte dort zu entwickeln, wo garantiert kein Schiffsumschlag möglich, aber dennoch ein „sicherer Hafen“ für Investoren entsteht.

FAGIOLI-S. Marco-Shipping Schwergutverladung in Cremona. Quelle: Fagioli

Die Schweiz, wie Österreich und Ungarn, traditionell eng mit Italien verbunden, nützt das „Tor zur Welt“ aktiv. In der Schwergutlogistik, ein Bereich, der bekanntlich hochspezialisiert und extrem profitabel ist, schafft die Schweiz gemeinsam mit Italien die logistische Infrastruktur auf der Wasserstraße und leistet so nebenbei einen enormen Beitrag zum Klimaschutz. Über das EU-geförderte Interreg Projekt „Slowmove“, entsteht eine Wasserstraße von Locarno am Lago Maggiore über Mailand, Cremona, Ferrara bis nach Venedig, die nebenbei auch von hoher touristischer Bedeutung ist. Der italienische Weltmarktführer in der Schwergutlogistik, FAGIOLI, zeigt eindrucksvoll, wie man die Wasserstraße als echte Transportalternative nutzen kann. Der trimodale lombardische Flusshafen Cremona, 280 Kilometer von der Adria entfernt, ist für FAGIOLI das nasse Logistikzentrum. Zuletzt hat der deutsche Kunde Kahl & Jansen hier einen besonders „dicken“ Transformator auf das Schiff mit Bestimmungsland USA verladen.

Beitragsbild: Triest, Quelle: IBBS