In allen Häfen war Österreich
Der aktuelle Anspruch österreichischer Transportpolitikerinnen an die Zukunft in der Logistik ist der sogenannte „Trockenhafen“. Ein Euphemismus für LKW-Abstellplatz. Klingt irgendwie netter. Man sagt heutzutage ja auch nicht mehr Bilanzfälschung, sondern kreative Buchführung. Ungebildete sind höchstens bildungsfern. Dank kreativer Wortschöpfungen kann man also jede Dummheit in einen blühenden Garten Eden verwandeln. Und es wird überall reger Gebrauch davon gemacht.
Über viele Jahrhunderte hinweg, wehte die Österreichische Handelsflagge auf den Schiffen, die nahezu ausnahmslos für den Wohlstand des gesamten Reiches sorgten. „Flagge zeigen“ war in der Monarchie sprichwörtlich noch untrennbar mit Ansehen und Hochachtung verbunden. Untrennbar damit im Zusammenhang steht auch die Adria-Stadt Triest, wo Österreichs Geschichte in vielfacher Hinsicht noch lebendig ist. Triest ist bekanntlich wie die Wiener Ringstraße – nur mit Meerblick. Hier stand einst das maritime Monument „Österreichischer Lloyd“ und Josef Ressel, einer der wichtigsten Erfinder, hat hier am 1. Juli 1829 seine Schiffsschraube präsentiert. Sogar der Bau einer Wasserstraße von Wien nach Triest wurde 1795 begonnen und direkt von Kaiser Franz unterstützt. Fertig wurde der „Wiener Neustädter Kanal“ leider nie, aber noch heute ist er ein Wahrzeichen für die damalige Bestrebung die nur eine Richtung kannte: „Vorwärts“.
Bald nach dem Ende der Monarchie verschwand die Österreichische Flagge nicht nur von der Adria. Heute ist sie selbst auf der Donau kaum noch zu finden und in Österreich gilt die Devise „vorwärts nimmer – rückwärts immer“. Studieren können wir diese Entwicklung ausgehend von der einstigen Logistikmetropole Triest. Nach einigen zaghaften Versuchen und politischen „Meisterstücken“ schickt sich der einstige Habsburger-Hafen an, wieder an Bedeutung zu gewinnen. Und die Aussichten sind gut. Schließlich haben sich die Grundvoraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg eines derartigen Standortes für den Welthandel ja nicht verändert. Aber, anstatt die Gunst der Stunde zu nutzen und im Hafen einen Anker zu setzen, begnügt sich Österreich mit der Rolle des „Hinterlandes“ und freut sich, als „Trockenhafen“ für die Adria dienen zu können. Triest, sagt Österreichs Bahnchef, ist das Tor zur Welt. Richtig erkannt, aber Österreich ist nur der Türsteher. Wir halten anderen Ländern die Tür auf, damit sie schneller hindurch können. Schlimmer noch, alles was einen raschen Hafenbetrieb behindert, wird von Triest nach Österreich „ausgelagert“ und wir freuen uns als „Zollfreikorridor“ für den Hafen herhalten zu dürfen. Das wird insbesondere die Guardia di Finanza freuen, die sich noch mit dem wachsenden Problem von Drogen- und Waffenhandel im Hafen herumschlagen muss. 730 kg Kokain wurden erst vor wenigen Tagen in einem Kaffee-Container entdeckt. Diese „Waren“ werden künftig wahrscheinlich im „Trockenhafen“ Villach landen. Friendshoring nennt man das jetzt unter Logistikpartnern. Für Kärntens Landeshauptmann ist es auch ein „Geheimrezept“.
Dass es intelligenter geht, zeigt uns ausgerechnet unser Monarchie-Bruder Ungarn. Orban hat bereits 2019 ein 34 Hektar großes Hafenareal in Triest gekauft und ist gerade dabei, dieses zu einem modernen Logistikzentrum für ungarische Unternehmen auszubauen. Bezahlen lässt sich Orban das natürlich wie immer von der EU und er feiert den Erfolg im eigenen Land mit „Ungarn liegt an der Adria!“. Auch die ungarische Schifffahrt hatte einst bereits eine große Bedeutung an der Adria. Das Motto der „Ungarischen Seeschiffahrts AG ADRIA“ lautete: „Sei deinem Land nützlich“. Die neue ungarische Hafen-Gesellschaft in Triest heißt auch ADRIA und die Zielsetzung ist wie damals: Sei deinem Land nützlich.
Österreich gibt sich inzwischen „Grün“ und versucht das Gesicht wenigstens in der Öffentlichkeit zu wahren. „Wir schaffen Arbeitsplätze“. Ja, ganz sicher werden wir einigen Spürhunden einen gesicherten Arbeitsplatz bieten müssen. Der Verkehr wird von der Straße auf die Schiene verlagert, lautet ein anderer Slogan. Auch das ist nicht ganz falsch. Einige Container werden zur Entlastung Italiens zwischen Triest und Villach mit dem Zug fahren und nur auf Österreichs Straßen ihren Fußabdruck hinterlassen. Eine wirklich große Verlagerung von der Straße auf die Schiene ist das nicht. Schon gar nicht, wenn ein neu zu schaffender „RailLog Park“ entstehen soll, der gar keine Gleise hat. Dafür werden hier die Schmuggel-Container hoffentlich gleich durchgewunken, wenn sie auf dem Weg nach Nord oder Süd am Rande des Naturschutzgebietes landen. Umweltschützer („Rett ma die Schütt“) kämpfen noch dagegen an. Die Aussicht auf Erfolg ist jedoch gering, denn die Zielsetzung der sozialdemokratischen Logistikpolitik lautet, banchina allungata, wir sind der verlängerte Kai Italiens. Freundschaft! Triest entlasten und Kärnten belasten. So schaut „gute Nachbarschaft“ aus.
Warum das alles so ist? Weil es so ist und so bleiben soll. In Österreich bestimmen noch immer ein paar kompetenzbefreite Bürgermeister mit ihrer Raumordnung und mit ihrer Ansiedlungspolitik, wohin die Reise in der österreichischen Verkehrspolitik geht. Gleichzeitig hat der Bund außer Ankündigungen und Sonntagsreden nichts zu bieten. Entwicklern von Logistikimmobilien wird der rote Teppich ausgerollt. Dank ihrer „Erfahrung“ wächst der Straßenverkehr ungebremst, die Lokomotive stampft am Stand und die Wasserstraßenlogistik plätschert knapp über der Wahrnehmungsgrenze dahin. Die besondere „Leistung“ von Qualitätsentwicklern für Logistikimmobilien besteht darin, die größten Logistikstandorte dort zu entwickeln, wo garantiert kein Schiffsumschlag möglich, aber dennoch ein „sicherer Hafen“ für Investoren entsteht.
Die Schweiz, wie Österreich und Ungarn, traditionell eng mit Italien verbunden, nützt das „Tor zur Welt“ aktiv. In der Schwergutlogistik, ein Bereich, der bekanntlich hochspezialisiert und extrem profitabel ist, schafft die Schweiz gemeinsam mit Italien die logistische Infrastruktur auf der Wasserstraße und leistet so nebenbei einen enormen Beitrag zum Klimaschutz. Über das EU-geförderte Interreg Projekt „Slowmove“, entsteht eine Wasserstraße von Locarno am Lago Maggiore über Mailand, Cremona, Ferrara bis nach Venedig, die nebenbei auch von hoher touristischer Bedeutung ist. Der italienische Weltmarktführer in der Schwergutlogistik, FAGIOLI, zeigt eindrucksvoll, wie man die Wasserstraße als echte Transportalternative nutzen kann. Der trimodale lombardische Flusshafen Cremona, 280 Kilometer von der Adria entfernt, ist für FAGIOLI das nasse Logistikzentrum. Zuletzt hat der deutsche Kunde Kahl & Jansen hier einen besonders „dicken“ Transformator auf das Schiff mit Bestimmungsland USA verladen.
Beitragsbild: Triest, Quelle: IBBS