Betoniert

Text: Peter Baumgartner

Denn die einen sind im Dunkeln
Und die andern sind im Licht.
Und man sieht die im Lichte
Die im Dunkeln sieht man nicht.
(Bertolt Brecht / Mackie Messer)

Die Bodenversiegelung kann selbst ein Blinder sehen. Doch was verbirgt sich darunter?
Bild: Peter Baumgartner

Unverdrossen, medial bis auf die Zähne bewaffnet, zieht ein Heer von „Bodenschützern“ durch das Land und verkündet das Kriegsziel: Die Bodenversiegelung muss aufhören. Neuerdings gibt es sogar ein „Ranking“ der erfolgreichsten Versiegelungsprofis. Kärnten liegt da im Spitzenfeld (irgendwo müssen wir ja gut sein). Gefühlt seit Jahren, wird von Bodenschützern jedenfalls angeprangert, dass zu viel betoniert wird. Dass es stimmt, wird nicht in Abrede gestellt – nur, in diesem Fall will anscheinend niemand einen Stockerlplatz. Dabei würde es durchaus in die positive Erzählung vom „Wirtschaftsstandort“ passen.

Viel Wirtschaft braucht viel Wirtschaftsflächen. Viel öffentlicher Verkehr braucht viel Infrastruktur. Was soll da also schlecht daran sein? Doch der Hund liegt, wie immer, im Detail begraben. „Der Boden“ ist auch ohne Versiegelungsdebatte in aller Munde. Wir beten „Mutter Erde“ an, freuen uns über „festen Boden unter den Füßen“, sind stolz auf den „geschichtsträchtigen Boden“, streben emsig nach „Grund und Boden“ und sollten wir ausnahmsweise mal vor Scham „im Boden versinken“, wollen wir wieder „Boden gutmachen“. Kurzum, Boden begleitet uns überall – doch wir behandeln ihn wie Dreck. Nicht nur weil wir viel zubetonieren, was noch nicht tot ist, wird tot gemacht. Wir renaturieren und ruinieren, Das geht tatsächlich gleichzeitig. Blöd ist nur, so werden wir die Früchte der Renaturierung nicht erleben. Mehr als vierzig „bodenständige“ Bürger in St. Veit an der Glan, haben in der Stadt eine umfangreiche Bodenuntersuchung durchführen lassen. Das Ergebnis des gerichtlich beeideten Sachverständigen: Die Grünflächen im Raum St. Veit an der Glan weisen bei einzelnen Standorten, im Vergleich zu Hintergrundbelastungen, bei den Elementen Arsen, Blei, Chrom, Nickel und Zink Konzentrationen auf, die als hoch einzustufen sind. Im direkten Vergleich stellte das Prüflabor fest, dass die polyzyklisch aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK), Hexachlorbenzol (HCB) und polychlorierte Dibenzodioxine/Dibenzofurane (PCDD/PCDF) bei den Probenergebnissen durchwegs höher liegen, als in den offiziellen Ergebnissen veröffentlicht. Die Reaktion der Landesbehörde darauf: Kein Problem, das ist normal. Der örtliche Bürgermeister und sein „Umweltstadtrat“: Keine Gefahr. Die Frage, die sich vor diesem Hintergrund zwangsläufig aufdrängt ist, warum soll man einen verseuchten Boden schützen, wenn das „normal“ ist? Und, warum soll man einen Boden, der schon „normal“ schwer belastet ist, nicht auch gleich versiegeln dürfen? Jedenfalls passt in das Bild die jüngste Entscheidung des Landeshauptmannes von Kärnten: Künftig darf auch Müll – genauer gesagt – „Ersatzrohstoffe“, in den Zement beigemischt werden. In unbekannter Menge und Zusammensetzung natürlich. Das ist Betriebsgeheimnis. „Zombie-Zement“ für „Zombie-Boden“ – passt doch. 

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