Die Verkehrswende – bitte warten

Text: Peter Baumgartner

Eine „illusorische Forderung“ nennt Chefredakteur Fercher von der Kleinen Zeitung die Verlegung des Bahn-Güterverkehrs, weg vom Wörthersee auf eine neue, weniger bürgerfeindliche, Trasse. Braucht man nicht und ist außerdem viel zu teuer, lautet der mediale Befund im Einklang mit dem Verkehrsministerium. In Summe graben wir zwar gerade an weit mehr als 100 Kilometer Bahntunnel, aber das ist gut investiertes Geld, weil es der Verkehrsverlagerung dient. Lärmbelastung, die dadurch entsteht, ist ein Kollateralschaden. Außerdem fahren die Züge eh schon „viel leiser“. Altersbeding kann man Herrn Fercher keinen Vorwurf machen, aber es wäre Aufgabe der Medien gewesen, schon bei der Planung der „Koralpenbahn“ den Finger in die (Planungs)Wunden zu legen und dort bis zur zufriedenstellenden Lösung für die Bürger zu belassen. Spätestens mit der Bund/Land-Finanzierungsvereinbarung bestand Aufmerksamkeitspflicht in Kärnten und vom Generalverkehrsplan 2002 wurde niemand mehr überrascht. Jetzt sind mehr als 20 Jahre vergangen und wir diskutieren noch immer über eine Streckenführung, die zumindest bereits in Fertigstellung sein sollte – sieht man von der generellen Frage der Sinnhaftigkeit ab. Immerhin hat Verkehrsprofessor Knoflacher diagnostiziert, dass diese (Bahn)Großprojekte „ein krimineller Akt“ sind. Hinter den Megaprojekten steht der Wunsch nach einer Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene. Aber genau diese will sich nicht und nicht einstellen. Im Gegenteil, je mehr in die Bahn investiert wird, umso mehr steigt der Straßenverkehr. Die Bauindustrie allerdings jubiliert. Die weiß gar nicht mehr, wo sie ihre Gewinne anlegen soll – vor allem – wem kann man das schöne Geld noch anvertrauen?

In Österreich gab es 2022 66 Unfälle auf Eisenbahnkreuzungen mit 12 Toten, 14 Schwerverletzten und 11 Leichtverletzten. Aber: „Die Unfallzahlen gehen stetig zurück…“(ÖBB). Bild: Peter Baumgartner

Was die verkorkste Planung bei der Koralmbahn im Wörthersee Bereich betrifft, ist es zu einfach, heute dem Verkehrsministerium die „Schuld“ in die Schuhe zu schieben. Nachhaltig „verbockt“ hat eine rechtzeitige Planung im Sinne der Anrainer wahrscheinlich schon das einstige Dream-Team Gorbach/Dörfler, die nicht in der Lage waren, Einstimmigkeit im Kärntner Flohzirkus zu erzielen. Unzählige Anfragen und Petitionen mit unterschiedlichen Interessen taten ihr Übriges. Wahrscheinlich spielen noch heute persönliche Animositäten (Villach versus Land, Land versus Bund) mit Geschichte eine Verhinderer-Rolle. Aus gegebenem Anlass liegt die Vermutung jedoch nahe, dass Schlitzohren am Begriff „Zentralraum“ arbeiten und schon mal 110 Mio. Euro in die Hand nehmen, um den Transitverkehr durch Kärnten über die Hintertür – quasi im Schritttempo, einzuführen. Die Rede ist von der Bahnstrecke St. Veit/Glan – Villach. Hier kann sich der amtierende Landesrat Schuschnig noch ein Denkmal für seinen Wahlkreis setzen und im Interesse der Bauwirtschaft noch ein paar Anrainer vergraulen. SPÖ-Verkehrsminister Jörg Leichtfried hat schon 2017 davon gesprochen, dass sich der Verkehr auf dieser Bahnstrecke, auf Basis der Verkehrsprognose 2025+, verdoppeln wird. Die genannte Bahnstrecke weist zwar insgesamt 66 öffentliche Eisenbahnkreuzungen- und Übergänge auf. Bei den 59 unbeschrankten Übergängen muss man halt inzwischen ein wenig aufpassen. „Die häufigsten Unfallursachen sind Unachtsamkeit und Ablenkung der Straßenverkehrsteilnehmer,“ weiß die ÖBB und warnt gleichzeitig: „Trotz fehlender Warnsignale kann es passieren, dass ein Zug unangekündigt die Kreuzung durchfährt.“ Bei den enormen Investitionen, die die Bahn zu stemmen hat, ist es auch „illusorisch“, dass in absehbarer Zeit keine Todesopfer mehr zu beklagen sind.