mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa

Text: Peter Baumgartner

Beichten ist angesagt! „Wir“ haben wieder große Schuld auf uns geladen.
Quelle: Peter Baumgartner

Der 17. Jänner ist im österreichischen Kirchenjahr der “Tag des Judentums”, weil sich die Christen an ihre jüdischen Wurzeln erinnern sollen. Dazu gehört auch die „kritische Auseinandersetzung mit antisemitischen Darstellungen in Kirchen“. Überhaupt, „die theologische Verachtung des Judentums und in Folge die gesellschaftliche Abwertung seiner Gläubigen schuf über Jahrhunderte hinweg jenen Nährboden, auf dem das rassistische Gedankengut des Antisemitismus wachsen konnte“ – bis heute. Daran gilt es zu denken und Buße zu tun.

„Ich bekenne, dass ich Gutes unterlassen und Böses getan habe; ich habe gesündigt in Gedanken, Worten und Werken“. Zu Ostern war in meiner Jugend immer Beichtzeit. Schon im Religionsunterricht davor wurde man nachdrücklich zur „Gewissenserforschung“ aufgefordert. Im Beichtstuhl galt es dann nach dem „Gelobt sei Jesus Christus“ mein „Unrecht“ zu bereuen. Ich bin mir zwar bis heute nicht sicher, ob der Priester die Zeit im Beichtstuhl nicht doch für ein Nickerchen genützt hat. Oft war er nämlich während meiner Beichte verdächtig still und bei 20-30 Kinder nacheinander… Zum Glück hat mir der Beichtvater meine Sünden dennoch immer „vergeben“. Gut, Todsünden hatte ich ohnehin nie zu bereuen und die paar „leichten“ Standardsünden… Ich hatte sie schon vorsichtshalber auf einen Schwindelzettel geschrieben, damit ich sie vor lauter Aufregung nicht vergesse. Aber ich glaube, ich habe schon im Moment des Bekenntnisses und der Reue neuerlich gesündigt. Typisch Mensch. Selbst ein Hund merkt sich, was er tun muss, um Leckerli zu bekommen. Die Erkenntnis der eigenen Unvollkommenheit hat mich zwar schon frühzeitig nicht glücklich gemacht, aber als ich bemerkt hatte, dass mein Beichtvater selber auch ein „armer Sünder“ ist (er hatte ein geheimes Kind), erkannte ich die Menschlichkeit und versuchte fortan – bis dato, wenigstens ohne schwere Sünden zu (über)leben.

Am 17. Jänner ist offensichtlich wieder generell Osterzeit/Beichtzeit für „die Kirche“, also für uns alle Christen angesagt. Man hat den Eindruck, alle Sünden der letzten 3000 Jahre stehen jetzt vor dem Jüngsten Gericht und „wir“, die Kirche, müssen jetzt Reue zeigen und um Vergebung bitten. Und ja, da hat sich allerhand angestaut. Von „lässlichen“ Sünden kann man da nicht mehr reden. Ein „Vater unser“ danach wird auch nicht ausreichen, um mit Gott ins Reine zu kommen. Aber Gott weiß bekanntlich schon, welche Sünden wir, die Kirche, begangen haben. Wahrscheinlich kennt er sie sogar besser als wir selbst. Aber egal: Wir waren letztes Jahr wieder oft pädophil, haben die Frauen missachten und vor 500 Jahren haben wir sogar die Kirchenwand in Millstatt mit einem antisemitischen Bild bemalen! Zum Erstaunen hat uns der Beichtvater als Buße nicht aufgetragen, das Pfui-Bild zu übermalen. Wir sollten nur einen Zettel dazu hängen und draufschreiben, warum das Bild so schiach gemalt wurde und wer damit beleidigen werden sollte. „So spreche ich dich los von all deinen Sünden. Gehe hin in Frieden“. Ein paar Tage nach der Buße bin ich flugs in die nächste Kirche gegangen und habe für den dort tätigen Beichtvater auch ein Pfui-Bild angefertigt.

So sind alle Kirchenvertreter in Österreich angetreten, um im Schatten des 7. Oktober 2023 „unser“ Unrecht an den Juden zu beichten. Theologe Prof. Martin Jäggle erinnert: „Jüdisches Leben ohne Angst ist ein wichtiger Indikator für die Humanität einer Gesellschaft.“ Und ich spüre wieder das Unbehagen im Beichtstuhl von damals. Ich soll etwas beichten, mein Unrecht eingestehen und um Vergebung für etwas bitten. Aber eigentlich weiß ich gar nicht, was ich angestellt habe. Gut, ich verstehe noch, dass man als Mitglied auch Mitverantwortung tragen muss. Nur, bei der Gelegenheit erlaube ich mir eben als christliches Mitglied der Gesellschaft zu ergänzen, jüdisches, palästinensisches Leben und überhaupt jedes Leben verdient, ohne Angst in einer humanitären Gesellschaft zu leben. Ich würde sogar meinen, selbst den „freiwilligen“ russischen Soldaten, die mit dem Segen einer in Österreich „staatlich anerkannten Religionsgemeinschaft“ in der Ukraine als Kanonenfutter für einen Despoten dienen, sollte man die Angst nehmen, damit unsere Nachkommen in 1000 Jahren vielleicht nicht wieder für eine Sünde um Vergebung bitten müssen.