Radetzky-Marsch, marsch!
Text: Peter Baumgartner
Die Grüne Kulturverteidigungs-Abgeordnete hat eine eigene Vorstellung vom Neujahrskonzert – und teilt diese Vorstellung mit uns: Radetzky-Marsch geht gar nicht. Dieses Kriegsgetrampel in der heutigen Zeit und überhaupt diese Huldigung einer „Unperson“. Noch dazu pascht der ganze Saal dazu! Also echt jetzt. Schon war die schönste Boulevard-Schlagzeile geboren.
„Bliamale! Das hast super gemacht. Danke herzlich. 1000 Bussi!!! Mit Deinem Radetzky-Sager hast Du mir mindestens zwei Tage Ruhe verschafft. Die ganze rohe Volksmasse hat sich nur mit Dir beschäftigt. Du verdienst echt den Medien-Märtyrer-Orden in Gold.“ So ähnlich muss die Danksagung geklungen haben. Bei seltenen gewordenen Verschnaufpausen kennt Nehammers Dankbarkeit nämlich keine Parteigrenzen. Selbst Grüne können sich seiner Dankbarkeit sicher sein, wenn sie die Medien etwas von seiner Person ablenken. Mit dem Radetzky-Aufklärer hat die Grüne „Kulturexpertin“ sogar die versammelte Medienlandschaft auf sich konzentriert. Tagelang! Vom Leserbrief eines Adeligen bis hin zu den öffentlich-rechtlichen TV-Stationen. Dazu Postings ohne Ende. „Sollte ich heuer die Wahl gewinnen, mache ich die zur Zensurministerin“ – dachte sich wohl Nehammer.
Schon 1992 hat die UNESCO die Frage gestellt: „Wer entscheidet, an was wir uns erinnern?“ Da sollte man in Österreich schnell nachschärfen, bevor die grüne „Löschkultur“ noch größeren Schaden anrichtet.
Was war passiert? Das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker aus dem Goldenen Saal des Wiener Musikvereins, ist alljährlich ein gesellschaftlicher Höhepunkt zum Jahresabschluss und gleichzeitig fulminanter Jahresauftakt. Das musikalische Großereignis ist unbezahlbarer Werbeträger für das Land. Mehr als 90 Länder sind an die TV-Übertragung angeschlossen. Diesmal verfolgten mehr als 1 Mio. Zuseherinnen allein in Österreich das Konzert live. An die 50 Mio. dürften es weltweit gewesen sein. Konzertkarten werden nur verlost und kosten bis zu 1.200 Euro. Die Tonträger vom Konzert sind beliebte Sammlerstücke. Kurzum, das Neujahrskonzert ist ein zentrales Kulturereignis in Österreich und strahlt in die ganze Welt aus – seit Jahrzehnten. Man sollte also entsprechend sorgsam mit diesem Juwel umgehen. Das ist der Grünen-Kultursprecherin allerdings wurscht. Genauso, wie ihr der Wert der 300-jährigen Wiener Zeitung egal war. Ihrer offensichtlichen Präferenz für schwarz/weiß geschuldet, sind ihr Traditionen, Geschichte und Erfolg einfach egal, wenn es darum geht, die eigene Meinung durchzusetzen. Und das macht sie wortgewaltig, damit man sie ja auch noch jenseits der Grenzen hört. Nach der Wiener Zeitung muss der Radetzky-Marsch verschwinden. Natürlich darf auch eine Kultursprecherin ihre Meinung äußern und es ist keineswegs schlecht, wenn jemand eine von der Regel abweichende Meinung vertritt. Im Gegenteil. Es gibt viel zu wenig Menschen mit eigener Meinung. Aber nicht nur in der Musik kommt es auf den Ton an. Auf schlechte Werbung im Ausland reagiert das offizielle Österreich normalerweise sehr verschnupft. Da landet man schnell im Nestbeschmutzer-Eck. Diesmal blieb alles still. Aber inzwischen hat es den Anschein, dass es nur noch auf die Lautstärke und nicht mehr auf den inhaltlichen Diskurs ankommt. Warum nicht gleich ein Andreas Gabalier-Liedchen am Neujahrskonzert? Aber vielleicht hat der auch schon mal eine Kugel abgefeuert.
Dabei könnte man aus grüner Sicht durchaus ein paar kreative Ideen zum Neujahrskonzert beitragen. Der Goldene Saal hat 1744 Sitzplätze und 300 Stehplätze – aber nur 10 (zehn) Plätze für Rollstuhlfahrer. Eine zeitgemäße Anpassung im Interesse körperlich behinderter Menschen sollte auch ein Grünes Anliegen sein. Es stellt sich auch die Frage, wie das offizielle Österreich, wie grüne Parlamentarier zu Kindern stehen, wenn ausgerechnet das Neujahrskonzert die Tore erst für 10-jährige Kinder öffnet und diese dann auch noch den vollen Preis zahlen müssen. Im Parlament wurden hingegen schon Säuglinge an der Mutterbrust gesichtet. Völlig still verhält sich die Grüne Interessensgenossenschaft in der Frage, ob und welchen Zugang zur heimischen Kultur man Flüchtlingen ermöglichen könnte.
Gerade im Hinblick auf die Integration sollte beispielsweise eine reservierte Loge beim Neujahrskonzert für Flüchtlinge eine lohnende Investition sein. Schlussendlich könnte man meinen, dass ROLEX als Hauptsponsor für das Neujahrskonzert aus grüner Sicht nicht gerade die erste Wahl ist. Gegenvorschläge hört man jedoch keine, weil auch für Grüne gilt: Geld stinkt nicht.
PolitikerInnen – Grüne vielleicht etwas mehr, sind wie Chamäleons. Oft wechseln sie die Farbe. Tarnen und täuschen ist ihre Strategie. Hören können sie sehr schlecht und ihre Schleuderzunge ist gefürchtet. Wird es für sie brenzlig, stellen sich einfach tot. Außerdem verfügen sie über eine biologische Nachahmungsfähigkeit, die ihre Persönlichkeit völlig ausradiert. Dazu kommen zwei hervorragende, voneinander unabhängige Augen – nur leider bekommen sie die Bilder im Kopf nicht zusammen.