Alternativlos?

Text: Peter Baumgartner

Das TINA-Prinzip (there is no alternative) wird von unseren Führungskräften bevorzugt als Erklärung für ihre Entscheidungen angeboten, wenn Diskussionen unerwünscht und kontraproduktiv erscheint. Das Wahlvieh versteht es sowieso nicht und fürsorglich will man uns nicht psychisch überfordern. Aber unfolgsame, uneinsichtige Bürgerinnen halten dem das TATA-Prinzip (There Are Thousands of Alternatives) entgegen.

Was wir da über unsere Wurzeln aufnehmen, scheint vielfach fatale Auswirkungen auf die Denkleistungen zu haben. Bild: Anatomischer Atlas anno 1696

Wenn beide Prinzipien uneinsichtig aufeinanderprallen, dann nützt eine faktenpassierte Argumentation gar nichts mehr. Dann zählt die Meinungshoheit und die wird bestimmt von der durch die Medien verbreiteten Wahrheit. Eben diese „Wahrheit“ wird von selbstkritischen Medienmenschen ganz selbstverständlich regelmäßig hinterfragt und allenfalls auch korrigiert. Aber die sind in der Minderheit.

Wenn es um das Thema „Bodenschutz“ geht, dann ist die öffentliche Diskussion allein auf die Bodenversiegelung versus „Bodenfraß“ fokussiert. Die Verantwortung für die Bodengesundheit, als elementarer Bestandteil des Bodenschutzes, wird maximal in die Verantwortung der Landwirtschaft transformiert. Die Bauern sollen halt „etwas weniger“ Pestizide verwenden. Was sonst noch unter Bodengesundheit und Bodenschutz subsumiert wird, fällt unter das TINA-Prinzip. Massenhaft auf den Boden und Gewässer niederprasselnde Schwermetalle, Chemikalien und alles was Mensch, Tier und Umwelt kaputt macht, sind – alternativlos. Wirtschaftsstandort, Wohlstand, Beschäftigung – wo sind da die Alternativen? Und da sind wir wieder bei der Meinungshoheit. Es gibt Alternativen. Vielleicht nicht gerade 1000, aber jedenfalls genug. Nur braucht es jemand, der sie zur Diskussion stellt, einfordert und durchsetzt. Das macht unsere Medienlandschaft nicht in ausreichendem Maße und die, die es geschworen haben sagen, – genau: Alternativlos.

Dabei gibt es klare Leitlinien, die sogar jeder Gemeinderat in der Dorfgemeinde verstehen kann: „Ich gelobe, für die Freiheit, den Bestand und die Wohlfahrt des Landes Kärnten und der Republik Österreich jederzeit einzutreten, die Gesetze des Landes und des Bundes getreu zu beachten und meine Pflichten nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen.“ Unmissverständlich und in einfachen Worten steht da zum Beispiel in der Verfassung: Die natürlichen Lebensgrundlagen Boden, Wasser und Luft sind zu schützen; sie dürfen nur sparsam und pfleglich genutzt werden. Der Gefährdung von Boden, Wasser und Luft ist entgegenzuwirken. Da sind keine Missverständnisse möglich und Ermessensspielraum ist nicht vorhanden.

Quelle:  International Union of Soil Sciences (IUSS)

Glaubt man der veröffentlichten Meinung, dann haben ja auch alle Verantwortungsträger den Auftrag richtig kapiert. Im Landwirtschaftsministerium sagt man, das Thema Bodenschutz spielt schon seit sehr langer Zeit eine wichtige Rolle, da gesunde Böden die Basis für unsere Ernährungssicherung sind. Da schau her! „Böden sind für unsere Ernährung, Natur und Wirtschaft von grundlegender Bedeutung und verdienen den gleichen Schutz wie Wasser, Luft und die Meeresumwelt“, sagt das Umweltbundesamt – offensichtlich mit klarem Verstand. Auch auf europäischer und internationaler Ebene lässt man keinen Zweifel darüber, die Bodengesundheit ist elementar: „Böden bilden die Grundlage für den größten Teil der weltweit produzierten Nahrungsmittel. Die Erhaltung der Böden sollte in Verbindung mit den Themen Wasser- und Ernährungssicherheit und der Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der UNO ein wesentliches Kernthema sein“ tönt es aus der International Union of Soil Sciences (IUSS). Und, man höre und staune, Kärntens Boden-Landesrat Daniel Fellner sagt ohne Umschweife: „Grundlegendes Ziel ist, unseren nachfolgenden Generationen einen funktionsfähigen und gesunden Boden zu hinterlassen.“

Aber was ist die Realität? „Mehr als 60 Prozent unserer Böden sind nicht gesund“, sagt die EU und will jetzt eine Trendumkehr. Zu spät? Meine Wiese zum Beispiel glänzt schon mit einem „sehr hohen“ Arsen Wert. Chrom, Cobalt und Nickel-Werte liegen ebenfalls im „hohen“ Bereich. „Niedrig“ oder „Sehr niedrig“ kommt in meinen Ergebnissen zu den persönlichen Bodenproben eher selten vor. Dabei habe ich meine „Mutter Erde“ im Schweiße des Angesichts immer fürsorglich behandelt und getrachtet, niemals vor Schuld „im Boden versinken“ zu müssen. Irgendwer, irgendwas treibt da bei Nacht sein Unwesen auf meinem Grund und Boden. Die Verantwortungsträger können es nicht sein, denn die versichern ja, die Notwendigkeiten und Gesetzeslage zu kennen. Und dennoch, der Gehalt an Hexachlorbenzol (HCB) auf meiner Dauergrünfläche ist im Vergleich zu den amtlich veröffentlichten Hintergrundbelastungen wesentlich höher. Plötzlich wächst ein riesiger Maulwurfshügel aus dem Boden und darauf steht ein Totenkopf: Giftig, nicht essen.

Quelle: International Union of Soil Sciences (IUSS)

„Die vorliegenden Daten der Untersuchung von Dauergrünflächen im Raum St. Veit an der Glan zeigen, dass ein deutlicher Eintrag von Umweltschadstoffen in den Boden erfolgt ist und eventuell weiterhin stattfindet.“ Das schreibt das Bodenlabor envirolab Scheidl & Partner GmbH. im umfassenden Untersuchungsbericht von 2023. Zack! Das schlägt dem Fass den Boden aus und zieht mir fast den festen Boden unter den Füßen weg. Mein goldener Boden ein verseuchtes Wurmgrab? Ich versinke fast im Boden und frage mich in Anlehnung an Nietzsche, wo soll man hinschauen, wenn nur noch Abgrund sichtbar ist? Da muss etwas geschehen! Ich will ja meinen Boden nicht verlieren. Experte Dipl. Ing. Scheidl empfiehlt: „Um weitere Einträge von Schadstoffen in die Umwelt hintanzuhalten ist die Frage der Verursacher der Umweltbelastung dringend zu klären und es sind in der Folge technische Maßnahmen zur Emissionsminderung zu ergreifen.“

Leicht gesagt guter Mann und ein logischer Rat. Aber wen/wo suchen? HCB und alle anderen Nettigkeiten haben keine roten Flügerl und sinken relativ geräuschlos hernieder. Sie stinken dabei nicht mal. Würde Quecksilber mit einer Melodie der Chorgemeinschaft Glandorf durch die Luft schweben, könnte man… Aber so, wer soll den „Boden gutmachen“, wenn es zur herrschenden Situation keine Alternative gibt, niemand verantwortlich ist und nicht mal jemand darüber reden will? Zunächst verlasse ich mich auf das TATA-Prinzip. Immerhin, der rasch voranschreitende Klimawandel scheint ja schon den Boden etwas beben zu lassen und die Prioritäten beginnen sich zu verschieben. Vielleicht bringt uns der diesjährige „WELTBODENTAG“ am 5. Dezember ein Stück näher in Richtung Bodengesundheit und eine Trendumkehr in der Deutungshoheit beseitigt den letzten Bodensatz an toten Hirnzellen in leeren Flaschen. (PB)

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