AARHUS und die NGOs

Text: Peter Baumgartner

Am 6. Oktober 2023 steht die „Bürgerinitiative“ Zukunft Görtschitztal beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in Wien wieder als „gleichberechtigter“ Diskussionspartner vor dem Richter. „Gemeinsam“ mit Sachverständigen (SV), Anwaltskanzleien der Projektwerber und UVP-Behörde soll verhindert werden, dass es im geschundenen Tal zu einem weiteren Umweltdesaster kommt.

Die dänische Wikinger Stadt Aarhus ist seit 25. Juni 1998 der Inbegriff des europäischen Umweltschutzes. Hier entstand der erste völkerrechtlich verbindliche Vertrag, der jeder Person weitreichende Rechte in Umweltschutzangelegenheiten zuschreibt. Wenn man so will, hebt die Aarhus-Konvention das Recht auf freien Zugang zu Umweltinformationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, auf eine breite Basis. Ein wesentliches Ziel des Übereinkommens von Aarhus ist das Recht auf Beteiligung zur Gewährleistung auf ein Leben in einer der Gesundheit und dem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt.

Seit 2005 ist die Aarhus-Konvention auch Bestandteil der österreichischen Rechtsprechung. „Trotzdem gewähren viele Vertragsparteien die zustehenden Rechte in vielen Bereichen nicht ausreichend“, bedauert das Ökobüro, die Allianz der Umweltbewegung. 2014 leitete die Union deswegen sogar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich ein. Und dass das tatsächlich noch immer ein Problem ist, davon können viele Bürger auch heute noch ein Lied singen. Getextet hat dieses Lied übrigens die steirische UVP-Behörde in der Landesregierung nach einer Melodie von Udo Jürgens.

AARHUS und die NGOs

Als Verhandlungsleiter

host in Zukunft ka Ruah.

Da werden`s plärr`n und quatschen

zum Schutz der Natur.

Do hot ma in der Verwoitung

laungsaum wirklich gnua

Aarhus und die NGOs

mochen uns in der

Verwoitung nimma froh, ja,ja

Aarhus und die NGOs

mochen uns nimma froh.

Gemäß Artikel 191 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, beruht die Umweltpolitik der Union auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung und auf dem Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen, sowie auf dem Verursacherprinzip. Bei allen technischen Planungs- und Entscheidungsprozessen sollten die Auswirkungen auf die Umwelt so früh wie möglich berücksichtigt werden.

Die Beteiligung von Bürgern, Verbänden, Organisationen und Gruppen, insbesondere Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen, soll gefördert werden, verlangt die europäische Umweltpolitik. In Österreich wird das (fast) vorbildlich umgesetzt. Nur mit der Diskussion auf Augenhöhe hapert es noch…

Sitzung der Kärntner Landesregierung

Text: Peter Baumgartner.

Am 10. Jänner 2023 findet die erste Regierungssitzung im neuen Jahr statt. Auf der Tagesordnung stehen so viele Punkte, dass man meine möchte, die Regierung will vor der Landtagswahl am 5. März noch schnell alles durchpeitschen, was nachher vielleicht nicht mehr möglich sein könnte. Einer der Tagesordnungspunkte lautet:

„w&p Zement GmbH, „Rodungsvorhaben Kalkstein- und Mergelbruch Klein St. Paul, UVP-Genehmigungsbescheid gemäß § 17 UVP-G 2000; Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.10.2022, ordentliche Revision der Bürgerinitiative Neumarkt in Steiermark an den VwGH; Revisionsbeantwortung.

Dabei geht es um einen beeinspruchten UVP-Bescheid der LRG, den die „Bürgerinitiative Zukunft Görtschitztal“ (IZG) initiiert hat. Wie vom Gesetzgeber gefordert, können Bürger sie betreffende Bescheide nur beeinspruchen, wenn sie ganz bestimmte Kriterien erfüllen. Sinn und Zweck dieser restriktiven Bestimmungen ist, dass Bürgerinitiativen kleiner Ortschaften schon zahlenmäßig gar keine Chance haben, irgendwelche Rechtsmittel zu ergreifen. Wenn es dann, wie meist erforderlich, auch noch Rechtsbeistand und Gutachten notwendig sind, um ein Rechtsmittel ergreifen zu können, bleibt kleinen Gruppen oder Einzelpersonen keine Wahl. Sie müssen sich Hilfe organisieren. Auch in diesem Fall hat sich die kleine IZG von der größeren, zugelassenen Bürgerinitiative Neumarkt aus der Steiermark Hilfe geholt. Dies heißt jedoch nicht, dass die Geschichte für die IZG kostenlos ist. Im Gegenteil. Durch die juristischen Zwangsbestimmungen wird eine notwendige Bürgerbeteiligung massiv erschwert und verteuert. Im „Kärntner Fall“ kommt noch dazu, dass die Landesregierung unter medialer Beihilfe unterschwellig „ausländische Einmischung“ ins Treffen führt und damit die eigene Bevölkerung nicht nur diskreditiert, sondern eine gegenseitiges Aufstacheln in den sozialen Medien wissentlich in Kauf nimmt. Prompt sind nach der Veröffentlichung der „ausländischen Einmischung“ durch die Kleine Zeitung im Internet entsprechend gewünschte „Reaktionen“ aufgetaucht.

Inhaltlich geht es bei dem anhängigen Verfahren um eine rechtlich umstrittene Rodung großer Waldflächen und Abbautätigkeiten von Rohstoffen für die Zementgewinnung. Die Landesregierung als zuständige Behörde führt öffentliches Interesse ins Treffen. „Öffentliches Interesse“ ist ein Rechtsbegriff, den Juristen immer dann verwenden, wenn ihnen die Paragraphen ausgehen. Wenn ihnen nichts mehr einfällt und statt Vorschriften, unbestimmte und individuell händelbare Entscheidungshilfen herhalten müssen. So werden auch ein neuer Steinbruch und die Rodung von zig-Hektar Wald im Görtschitztal argumentiert. Wofür? Für noch mehr Zement. Kärnten hat mit 510 m2/Kopf den größten Anteil an Bodenversiegelung in Österreich, sagt das Umweltbundesamt. Das ist einsamer Spitzenwert. Dahinter liegt Niederösterreich mit 409 m2. Aber das macht nichts. 96 Prozent der versiegelten Flächen in Österreich sind dem Verkehr zuzuordnen. Auch da zählt Kärnten zu den Spitzenreitern und das fördert wieder die Auswirkungen des Klimawandels, sagen die Versicherer. Aber das macht nichts. Mit dem Straßenbau wächst die Zersiedelung und damit wieder das Verkehrsproblem. Macht auch nichts. Die Zementindustrie ist einer der größten Energieverbraucher. Auch egal, wir reduzieren die Wohnzimmertemperatur einfach auf 15 Grad. Barbara Blaha vom Momentum Institut meint, dass die Energievergeudung der Reichen nur per Gesetz wirksam bekämpft werden kann. Aber das wird nicht geschehen, denn die Wirtschaftslobby in Kärnten ist mächtig und hat einen Namen: Sozialdemokratische Partei (SPÖ).