Zukunft Innenstadt

„Innenstädte sterben“, lautet eine kollektive Klage, die aus vielen Kommunen zu hören ist. Die „Schuldigen“ werden meist auch schnell geortet und die „Ideen“ zur Problembehebung sprießen wie die Schwammerl aus dem Boden, schaffen jedoch meist neue Probleme.

Text: Peter Baumgartner

Die „Zahnlücken“ in der Innenstadt machen kein schönes Bild. Die „Zahnbehandlung“ scheitert am Patienten.
Alle Bilder in diesem Beitrag: Peter Baumgartner

Unbestritten ist, dass der Wildwuchs an Einkaufszentren und Shopping-Malls an der Peripherie das Stadtleben nicht unbedingt gefördert hat. Selbst als das bereits ein Blinder sehen konnte, wurde emsig weiter gewidmet und betoniert. Meist auch mit Billigung und Zustimmung der Mehrheitsbevölkerung, muss man selbstkritisch anmerken. Es ist ja so toll, wenn man alles „unter einem Dach“ hat und das Auto dennoch gratis vor der Haustür steht. Selbst wenn Geschäfte aus der Innenstadt in das Einkaufszentrum übersiedeln, kommt vom „Konsumenten“ eher Verständnis statt Protest. Ausnahmen bleiben in der Minderheit. Als Entschuldigung wird oft die Parkplatzsituation angeführt und dabei gerne ignoriert, dass der Fußweg vom letzten Großparkplatz bis zum Einkaufszentrum gleich lang – oder sogar noch länger ist, als im Stadtgebiet zur Innenstadt. Doch die allseitige Unzufriedenheit wächst. Trotzdem, allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann. Die „Arschkarte“ bleibt bei den Politikern. Sie sollen/möchten everybody’s darling sein und die Wirtschaftsbosse sind gleichzeitig ihre engsten Verbündeten und Gegner. Was soll da schon großartig dabei rauskommen, wenn die Kunden, die Betroffenen, sich in nobler Zurückhaltung üben und das Opferlamm abgeben?

Von den allseits beklagten Kalamitäten ist die alte Herzogstadt St. Veit an der Glan nicht ausgenommen. Eigentlich ein Kleinod, um das man die Bewohner vielerorts beneidet. Alles fast fußläufig erreichbar und echte Probleme sind nur unter der Tuchent, selbst für Eingeborene, kaum erkennbar (darüber wird in einem nächsten Beitrag berichtet werden). Man muss schon etwas genauer schauen und nicht den „Hans guck in die Luft“ abgeben, damit man Handlungsbedarf dort sieht, wo er tatsächlich angebracht ist. Doch das macht man ungern. Nicht nur in St. Veit. Den Finger in offene Wunden legen, ist generell nur mündigen Bürgern vorbehalten. Deshalb ist es viel salonfähiger über „Probleme“ zu debattieren, die ohnehin in aller Munde sind – wie eben das Innenstadt-Thema.

In St. Veit „kümmert“ sich jetzt die Wirtschaft um das Problem. Der Vorgänger des jetzigen Bezirkschefs hatte ein „Kommunikationsproblem“ mit der Ortspolitik. Da wurde nur noch über die Medien kommuniziert und der jeweilig andere Standpunkt ignoriert. Jetzt steht ein neuer Besen im Wirtschafts-Kammerl und der hat messerscharf erkannt: „Innenstädte müssen neu gedacht werden. Nicht nur Innenstädte unterliegen Änderungen, sondern auch die Gesellschaft als Nutzer. Innenstädte und Zentren sind seit jeher Orte des urbanen Lebens, das geprägt ist durch Handel, Wohnen, Arbeit, Kultur, Tourismus sowie das Aufeinandertreffen und Zusammenkommen von Menschen. Ebendiese Lebendigkeit und Nutzungsmischung bringt es mit sich, dass Innenstädte und Zentren sich in einem dauerhaften Prozess des Wandels befinden. Die rasant fortschreitende Digitalisierung stellt zudem einen Wendepunkt der Innenstadt- und Zentrenentwicklung dar.“

Das klingt nach der Einleitung eines Gurus beim Sesselkreis wo erwartet wird, dass man zuhört und viel Geld für die Teilnahme zahlt. Und weil sich die kostspielige Teilnahme nicht jeder leisten kann/mag, braucht es die mediale Begleitmusik. Die Wirtschaftskammer hat Lösungsvorschläge für die Innenstadt erarbeitet, heißt es folgsam am 6. Juli in der Kleinen Zeitung. Ursprünglich wollte man zwar die Interessen der Bürger:innen ins Zentrum rücken und hat deshalb sogar eine Ideensammelaktion gestartet. Schließlich, so hatte man schlau erkannt, sind es doch die Bürger:innen, die mit langfristigen Entscheidungen leben müssen. Doch das war dann wahrscheinlich doch zu mühsam und deshalb hat WK-Chef Robert Schratt und seine Crew kurzerhand selber „7 Maßnahmen auf einen Streich“ ausfindig gemacht, die das Innenstadtproblem schon lösen werden. Dazu zählen die umstrittenen Verkehrslösungen, die bei jeder Geschäftsauflösung aufpoppen. Schratt hat aber auch Vorschläge, die er und seine Mitglieder ganz schnell selber umsetzen könnten. Zum Beispiel den Ausbau der Kinderbetreuung. Wer sagt, dass das eine kommunale Aufgabe sein muss? Auch die Ausweitung des Pop-Up-Store-Bewerbes kann die Wirtschaft leicht und sofort selber machen. Einfacher (und billiger) ist es natürlich Maßnahmen zu fordern, wenn sie wer anders zahlen soll. Ein typisches Einsager-Beispiel: Der Innenstadt-Geschäftsinhaber und ÖVP Stadtrat Philipp Subosits, zuständig für Tourismus, beklagt im Einklang das „Ladensterben“ in der Innenstadt – und gönnt sich selber eine „Sommerpause“. Seine Zielgruppe kann sich derweil den Sommer über schwarze Puppen in der Auslage des noblen Pelz-Geschäftes anschauen.

Doch die Ortspolitik war und ist auch nicht untätig. Im Gegenteil. Der Vorgänger des jetzigen Bürgermeisters hat sich schon 2009 internationale Experten in die Stadt geholt, um mit „Syntegration“ „lebensfähige Systeme“ zu entwickeln. Schlüssel des Erfolges sollte die revolutionäre Schweizer Malik-Methode werden. Gebracht hat die Methode tatsächlich etwas – dem Experten. Vor 10 Jahren hat man sich für ein Einkaufszentrum in der Stadt stark gemacht. Das Projekt wurde schließlich auch wieder versenkt. 2021 gab es einen preisgekrönten Ideenwettbewerb zur Belebung der Innenstadt, weil der neue Bürgermeister bemerkt hat, dass das Thema die Leute „durchaus bewegt“. Allerdings konnte man nur per Internet teilnehmen. Dennoch wurden angeblich 157 Ideen eingereicht. Kommuniziert und gelobt wurden drei, wovon eines bis heute teilweise umgesetzt ist. Aktuell ist man dabei, mit einem „renommierten (österreichischen) Marketing-Consultant“ Strategien zu erarbeiten, wie die Kundenfrequenz in der Innenstadt gesteigert werden kann. Es tut sich also immer wieder was in der Sache Innenstadt und um die Schlagzeilen „Lust auf Innenstadt“ oder „Innenstadt lebt!“ Allein, das Problem bleibt bestehen und je nach Sichtweise nimmt es zu oder es ändert sich nichts.

Man wird als Bürger der Stadt also quasi genötigt, die Sache selber in die Hand zu nehmen. Wissend, dass man sich damit in die Reihe der Erfolglosen einreihen wird und wissend, dass die tatsächlichen Probleme sowieso konsequent ignoriert werden, kann man höchstens einen satirischen Beitrag beisteuern. Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet zum Berg gehen. Darauf aufbauend, dass es offensichtlich alle Kunden an die Peripherie in das Einkaufszentrum zieht und dass sie auf die Innenstadt pfeifen, verlegen wir doch einfach die Innenstadt an die Peripherie. Damit ist das Problem gelöst und es bleibt in der Innenstadt sogar noch Raum für neue Ideen. Also: Lust auf Vorstadt! Es lebe die Peripherie!

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