Getrennt marschieren – vereint schlagen

Text: Peter Baumgartner

Das Einsatzgebiet der EU-Mission EUNAVFOR Aspides mit Österreichs Beteiligung, reicht weit über Huthi-Gebiet im Jemen hinaus.

Anno 1866, in der Schlacht bei Königgrätz, hat die preußische Kriegstaktik funktioniert. Nun steht mit einer US geführten „Operation Prosperety Guardian“ eine multinationale Koalition und mit „Eunavfor Aspides“ eine europäische Militärmission der „Achse des Widerstands“ im Roten Meer gegenüber. Ob diese Taktik wieder Erfolg hat, ist jedoch mehr als zweifelhaft.

Zum 130. Todesjahr von Ferdinand de Lesseps, dem Erbauer des Suezkanals, hat diese Wasserstraße noch immer die einst prognostizierte, hohe Bedeutung für den Welthandel. Gleichzeitig wurde die großartige Ingenieursleistung auch zur Achillesferse in einer äußerst fragilen Weltordnung. Sind sich die Verantwortlichen der Herausforderung bewusst? Hat die EU deshalb „Aspides“, den Gott des Schutzes und der Aufopferung in die Schlacht geschickt? Hofft man, dass er gemeinsam mit den US- „Wächtern des Wohlstands“ die brennende Lunte am Pulverfass noch löschen kann? Die Antwort liegt im Auge des Betrachters. Wessen Wohlstand ist in Gefahr und wessen Wohlstand soll geschützt werden? Die Allianz der islamischen Milizen hat am Wohlstand der westlichen „Wertegesellschaft“ ebenso wenig Interesse wie umgekehrt. Wie immer die Geschichte fortgeschrieben wird, man wird die alten Lehren daraus ziehen: Wohlstand für alle, erreicht man nicht durch Krieg.

Die Handelsroute über das Rote Meer und den Suezkanal hat neben dem Welthandel insbesondere für Ägypten eine enorme wirtschaftliche Bedeutung. Zehn Mrd. Dollar betragen die jährlichen Mautgebühren, die von den Schiffen kassiert werden. Derzeit beträgt der Einnahmenausfall durch die militärische Lage 40-50 Prozent. Dennoch, Ägypten mischt sich in den arabisch/israelischen Konflikt nicht ein, sondern verspricht, eventuell beschossenen Schiffen bei der Reparatur zu helfen. Außerdem, so die ägyptische Sprechweise, werden eh „nur“ Schiffe angegriffen, die einen Bezug zu Israel oder USA/GB haben. Alle anderen Schiffe wollen die Huthis unbehelligt lassen, wenn sich deren Regierungen nicht einmischen. Genau das hat die Huthi-Miliz auch offiziell bekräftigt und versichert, sobald das israelische Massaker an den Palästinensern endet, werden sie auch ihrerseits mit den Angriffen auf Schiffe aufhören.

Debatte im Bundestag zur Abstimmung über den Militäreinsatz der Bundesmarine bei EUNAVFOR ASPIDES. Screenshot-Bundestag 23.2.2024

Deutschland hat zwar kaum Handels-Seeschiffe unter deutscher Flagge, aber mit der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd eine weltweit führende Flotte (5.Platz) von 264 Containerschiffen mit einer Kapazität von 2 Mio. TEU. Beliebte „Billigflaggen“ auf deutschen Schiffen sind allerdings Liberia, Panama, Palau, Antigua, Bermuda usw. Aktuell fahren 406 „deutsche“ Schiffe unter der Flagge von Antigua und Babuda, 359 sind in Liberia registriert. Keines dieser „Ausweich-Heimatländer“ schützt seine Schiffe und Besatzungen, wenn sie den gefährlichen Weg über das Rote Meer nehmen müssen. Ebenso wenig wie China oder Taiwan, deren Handelsprodukte jedoch hauptsächlich die Container auf den Weltmeeren füllen. Ob die Schiffe mit ihren Containern an Bord von den Huthis angegriffen werden, interessiert sie nicht. Es interessiert sie auch nicht, dass Kapitäne wegen der militärischen Gefahr oft große Umwege, Verzögerungen und Kosten auf sich nehmen, damit ein China-Container oder eine Antigua-Flagge nicht versenkt wird. Dessen ungeachtet hat sich das deutsche Parlament nach dem EU Beschluss zum „gefährlichsten Marineeinsatz der Geschichte“ entschieden und fügt sich aktiv in die EU-Beschützer-Allianz ein. „Wir müssen mit Toten und Verwundeten rechnen“, warnte vorsorglich – wohl im Rückblick auf das Afghanistan Desaster, der Verteidigungsminister. Bis zu 700 Soldaten und ein hochmodernes Kriegsschiff, ist ihm dieses Abenteuer wert. Der Deutsche Bundestag war sich (mehrheitlich) rasch einig, der Militäreinsatz der Bundesmarine im Roten Meer und weit darüber hinaus, ist ohne Alternative. Allerdings ist aufgefallen, dass trotz anstehender Beschlussfassung für „den gefährlichsten Marineeinsatz“, nur sehr wenige Abgeordnete der Debatte beiwohnten. 163 Abgeordnete haben gar keine Stimme abgegeben. Ein fraktionsloser Angeordneter hat zaghaft angemerkt, dass man eigentlich auch vom Handelspartner China Unterstützung erwarten könnte. Doch China konnte nicht mal der Verurteilung der Huthi-Angriffe im UN-Sicherheitsrat (10.1.2024) zustimmen, sondern hat sich dort nobel der Stimme enthalten.

Reger Schiffsverkehr auf der derzeit gefährlichsten Wasserstraße zwischen Asien und Europa. Screenshot-Marine Traffic 7.3.2024

MSC, die weltweit größte Reederei, ist ein Schweizer Unternehmen mit 800 weltweit operierenden Schiffen und der größte Transporteur auf der Route Asien-Europa. Aber nicht nur MSC-Schiffe, je nach Zurechnung, werden etwa 3600 Schiffe direkt oder indirekt von Schweizer Unternehmen auf den Weltmeeren gesteuert. Doch nur etwa 20 Schiffe haben tatsächlich eine Schweizer Flagge. Am größten Rohstoffhandelsplatz der Welt, kommt praktisch kein Schiff an den Eidgenossen vorbei. Egal ob am Heck das Schweizer Kreuz weht oder nicht. Der Schweizer Jurist Mark Pieth sagt: „Die Schweiz stellt sich in Fragen der Regulierung tot“ und schaut selbst bei den eigenen Flaggenschiffen nicht so genau hin. Die Menschen – so Pieth, haben keine Ahnung, was sich in der Schweiz hinter den schönen Blumenkästchen abspielt und bringt das Beispiel von fragwürdigen russischen Oligarchen, die via Schweiz ihre Firmen organisieren. Pieth hat auch den schwungvollen Waffenhandel thematisiert, der von Schweizer Reedern oder Schiffen durchgeführt wurde und wird. Geht uns nichts an, sagt der Nationalrat in einer parlamentarischen Anfrage und schiebt die Verantwortung den Reedern in die Schuhe. Es ist daher auch kein Wunder, dass die offizielle Schweiz sehr lange gebraucht hat, bis man endlich die richtigen Worte für den terroristischen Angriff der Hamas auf Israel finden konnte. Ein kürzlich beschossenes Schiff war eidgenössische MSC-SKY II unter liberischer Flagge. Mitarbeit oder gar Beteiligung durch die Schweiz bei den laufenden Militär-Operationen der internationalen Allianz zum Schutz der eigenen Schifffahrt? Fehlanzeige! Aber, man „leidet mit“… Der bisher schwerste Huthi-Angriff mit drei toten Seeleuten (6.3.) betraf ein liberisches Schiff mit Barbados Flagge. Hilfe von den beiden Staaten? Fehlanzeige.

Zum Glück wurde das österreichische Patrouillenboot NIEDERÖSTERREICH 604 (1970) bereits 2006 außer Dienst, sonst müsste unsere Marine jetzt womöglich im Roten Meer Dienst machen.
Bild: Peter Baumgartner

Und was macht das neutrale Österreich ganz ohne Seeschifffahrt? Bereits am 8. Februar berichtet der ORF, „Die EU-Staaten (inklusive Österreich), haben den geplanten Militäreinsatz im Roten Meer beschlossen. Auf Nachfrage korrigierte der ORF, es handelt sich nur um einen „Zwischenschritt“. Die entsprechenden Verhandlungen waren geheim. Am 19. 2.2024 hat Außenminister Schallenberg der Beschlussfassung zur EU maritime security Operation in Red Sea (ASPIDES) schlussendlich uneingeschränkt zugestimmt. In einem Nebensatz seiner Aussendung aus Brüssel heißt es zunächst: Im Rahmen des Außenministertreffens wurde angesichts der Houthi-Angriffe auf die zivile Schifffahrt im Roten Meer die geplante EU-Marinemission in der Region besprochen und über das zukünftige EU-Engagement in der Sahelregion diskutiert.“ Um 11:25, noch vor der Rats-Mitteilung hieß es dann plötzlich, die EU-Militärmission wurde bereits formell beschlossen Der Rat hat heute EUNAVFOR ASPIDES gestartet.“ Ziel dieser defensiven Operation zur Gewährleistung der maritimen Sicherheit ist die Wiederherstellung und Sicherung der Freiheit der Schifffahrt im Roten Meer und im Golf (!). Ein Militäreinsatz, von dem das offizielle Deutschland sagt, es wird der gefährlichste Einsatz, seit es die Bundesmarine gibt. Anders als beispielsweise in Deutschland oder Italien, hatte das Parlament in Österreich mit dieser Entscheidung zum Militäreinsatz nichts zu tun. Außenminister Schallenberg entschied autonom über den „gefährlichsten“ Militäreinsatz. Verteidigungsministerin Tanner verkündete ein paar Tage später (28. Februar), die Beteiligung am Militäreinsatz mit „bis zu fünf Personen“ ist fixiert. Wieder am Parlament vorbei – obwohl „es besonders wichtig ist“ (Tanner). Es gilt „vitale Interessen Österreichs zu schützen“. Die Frage ist, welche „vitalen Interessen“ haben wir, hat Österreich im Roten Meer und im Golf? Vielleicht Schweizer Schiffe zu schützen? Wer entscheidet in Österreich über Krieg und Frieden und was hat das Parlament oder der „Oberbefehlshaber“ in dieser Frage überhaupt noch zu reden? „Ich wünsche unseren Missionsoffizieren viel Soldatenglück und danke ihnen für ihren Beitrag zu Europas Sicherheit“, so Verteidigungsministerin Klaudia Tanner. Auf diese sonderbare Auffassung von Parlamentarismus aufmerksam gemacht, reagierte der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses Dr. Christoph Matznetter schriftlich: Man wird das in der nächsten Ausschuss-Sitzung (22.3.) ansprechen. Hoffentlich ist Österreich bis dahin nicht in unmittelbaren Kriegshandlungen verwickelt. Wie schnell das gehen kann, zeigt der Fall der deutschen Fregatte, die schon in den ersten Einsatztagen nur durch Zufall einem Drohnen-Angriff entgangen ist.