Wirtschaft kann man wählen!

Text: Peter Baumgartner.

Eher als unmissverständliche Aufforderung und nicht als Alternative, will der Wirtschaftskammer Präsident von Kärnten den Slogan seiner Podiumsdiskussion mit den Kandidatinnen zur erst zweiten Landtagswahl in der noch jungen, österreichischen „Wahldemokratie“ verstanden wissen. Haben wir überhaupt eine Wahl im Sinne von Alternative?

Artig fanden sich die Vertreterinnen der Kärntner Landtagswahl in der Wirtschaftskammer zum „Verhör“ ein und nahmen „Aufträge“ freundlich dankend in Empfang. Quelle: Peter Baumgartner

Bei den anwesenden Parteienvertreterinnen (KPÖ, Bündnis für Kärnten und Liste Stark fehlten wie üblich) in der Podiumsdiskussion der Wirtschaftskammer Kärnten, ist die Botschaft jedenfalls angekommen. Sie legten sich mächtig ins Zeug und überboten sich gegenseitig in ihren Absichtserklärungen, was sie alles im Sinne der Wirtschaft zu tun gedenken, so sie in Regierungsverantwortung gewählt werden. Sogar die grüne Kandidatin konnte von den Wirtschaftsbossen einen Szenenapplaus einfahren, weil sie nahezu vollständig „auf Linie“ war. Erleichtert wurde den Kandidatinnen das Tribunal, indem man ihnen vorab den Fragenkatalog übermittelt hatte. Unerwartete oder „blöde“ Fragen blieben ihnen so erspart und sie konnten sich ganz auf den Kuschelkurs konzentrieren. So blieb die Stimmung entspannt und es gab kaum kritische Töne. Und wenn, dann nur vereinzelt unter den Kandidatinnen im Wettkampf um die Meinungshoheit.

Hört man bei solchen Diskussionen genau zu, erlebt man trotz der üblichen „alten Leier“, durchaus ein paar Schmankerl, die man sich merken kann. Garant für solche „Blüten“ ist der NEOS-Kandidat, dem in seinem jugendlichen Eifer gelegentlich die Pferterl durchgehen. Sein Lieblingsthema sind zum Beispiel die „Leistungsträger“. „Bist du jemand, der sich einsetzt und engagiert, jemand der für Arbeitsplätze sorgt? Oder bist du jemand, der einfach jeden Tag arbeiten geht? Dann bist du ein echter Leistungsträger!“ Mit dem Brustton der inneren Überzeugung gibt er so unverdrossen zu verstehen, wer sich zu Hause um die Kinder und Familie kümmert, ist nichts wert. Aber selbst damit können die NEOS bei den Wirtschaftstreibenden punkten, denn dort sind Legebatterien für Kinder eh attraktiver, als ein persönlicher Karriereknick. Fast schon belustigend ist die NEOS Freude über die Logistikerrungenschaft „Zollkorridor“ zwischen Triest und Villach. „Endlich kann jetzt die illegale Ware legal nach Kärnten kommen“. Das sagt viel darüber aus, was jemand unter „gesunder Wirtschaft“ versteht. An anderer Stelle hatte der Kandidat vom Team Kärnten einen durchaus überlegenswerten Vorschlag. Er stellte den Spargedanken zur Diskussion, ob man die überbordende Parteifinanzierung nicht eventuell an die Wahlbeteiligung koppeln könnte. Zu Ende gedacht, hätte damit der Wähler endlich ein probates Mittel in der Hand, die Parteien überhaupt abzuschaffen. Es macht nur demokratiepolitisch wenig Sinn. Einen eher spaßbefreiten Wahlspruch, verwendet auch die grüne Kandidatin sehr gerne: „Wind, Sonne und Wasser schicken keine (Energie)Rechnung“, flötet sie unverdrossen. Die würde sich wundern, wenn plötzlich alle Energiekunden die mit erneuerbarer Energie versorgt werden, ihre Rechnung an die Grünen weiterleiten. Ein Ende der überbordenden Bodenversiegelung, steht mehr oder weniger auf der Agenda jeder Partei und alle reden von „Bodenschutz“. Doch wozu man einen bereits vielfach versauten Boden schützen soll und warum es nicht schon egal ist, einen Boden zu versiegeln, der eh für nix mehr zu gebrauchen ist, das wird von allen geheim gehalten.

Anstandslos wurde der „Vorvertrag“ von den Politikern unterschrieben. Nur der Euro-Betrag wurde im Original – im Sinne von „nach oben offen“, frei gelassen. Quelle: Peter Baumgartner

Podiumsdiskussionen vor Wahlen sind, abgesehen von manchen sinnbefreiten Sprüchen, dennoch ein probates Mittel, um die Kandidatinnen quasi hautnah zu erleben. Abgesehen vom Vorteil, dass man dabei auch ihre Körpersprache mit den Wahlparolen in Verbindung setzen kann, bietet sich bei guter Organisation sogar die Möglichkeit konkrete Fragen zu stellen. Insgesamt also durchaus für beide Seiten, Wählerinnen und Kandidatinnen, ein Gewinn. Genützt wird dieses Format jedoch meist von Medien, die zwar mitunter mit Publikum, aber oft nur zwischen Journalistinnen/Kandidatinnen kommunizieren lassen. Exzessiv genutzt wird das Wahlkampfformat von der Wirtschaft, die in Kärnten gerade mal rund 37.000 (Unternehmerinnen)Wähler repräsentiert. Im Kärnten-Wahlkampf mussten die Parteien vor den Wirtschafts-Frauen, vor der jungen Wirtschaft und vor der allgemeinen Wirtschaft antanzen. Mehr noch, sie wurden sogar zu Versprechungen und Unterschriften „eingeladen“. Ausflüchte gab es da keine. „Auf den Zahn fühlen“, nannten es die Jung-Wirtschafter.

Am Ende übergab die Junge Wirtschaft den Parteienvertreterinnen ihre To-Do-Liste für die kommende Legislaturperiode. „Wir fordern unsere gewählten Vertreterinnen und Vertreter dazu auf, sich kompromisslos unserer ‚Mission Possible‘ anzuschließen“. Und alle nahmen das Taferl artig mit nach Hause. Quelle: SABINE BIEDERMANN PHOTOGRAPHY

Nicht weniger forsch, brachte die weibliche Wirtschaft ihre lange Forderungsliste auf die Bühne. Unmissverständlich machten sie den Politikerinnen klar, wer für Arbeitsplätze, Einkommen und Wohlstand im Lande zuständig ist und sie drohten, „wir sind noch lange nicht dort, wo wir sein sollen“. Irgendwie klingen die ultimativen Wirtschaftsforderungen allerdings wie die Wunschliste trotziger Kinder, die eigentlich eh schon alles haben. Schaut man sich die lange Liste der Wirtschaftshilfen in der vergangenen Regierungsperiode an, möchte man meinen, viel kann da von der Wunschliste nicht mehr offen sein. Jährlich wurden weit über 4.000 Unternehmen direkt gefördert. Es gibt eine Regionalcharta, einen Wirtschaftskonvent, eine Wirtschaftsombutsstelle, die sogar in der Landesregierung logieren darf. Zusätzlich gibt es einen Wirtschaftsbeirat. Es gibt Beratungsförderung. Es gibt Exportförderung. Es gibt wirtschaftsfreundliche Gesetze und es gibt eine hervorragende Infrastruktur dank öffentlicher Investitionen. Und erstaunlich ist, bei all den Forderungen gab es seitens der Politik noch nie eine einzige Gegenforderung und schon gar keine Kritik an wirtschaftlichen Versäumnissen. Und davon gab es mehr als genug. Lange dachte die Wirtschaft zum Beispiel, Fachkräfte wachsen auf Bäumen und hat sich die Ausbildungsverpflichtung erspart. Plötzlich sind alle überrascht, weil die einfachsten Handwerksaufgaben nicht mehr erfüllt werden können. Genauso ist der Klimawandel schon ewig drohende Gefahr für den Wirtschaftsstandort und trotzdem haben diese „Leistungsträger“ gewartet bis zur letzten Minute, um dann nach öffentlicher Hilfe zu schreien. Tatsächlich hat das Unternehmertum (nicht nur in Kärnten) eine Mutation, hin zum Fördernehmer vollzogen. In Wahrheit können viele „Unternehmer“ ohne Förderung nicht mal mehr eine Gartenhütte aufstellen.

Logisches Wahlergebnis am 5. März in Kärnten ist eine „System-Opposition“. Das komfortable „Mehrparteiensystem“ mit einer unechten Opposition hat sich schon bisher bewährt und läuft wie ein gut „geschmiertes“ System von ineinandergreifenden Zahnrädern. Quelle: Peter Baumgartner

Noch etwas ist im Zusammenhang mit der Landtagswahl erstaunlich: In Kärnten gibt es mehr als 400.000 Wahlberechtigte. Unternehmerwählerinnen sind also eine „Minderheit“ im Land. Die überwiegende Mehrheit der Wählerinnen nützt das Format einer Podiumsdiskussion nicht, oder kaum. Insbesondere gefordert sind die Sozialpartner AK, ÖGB, LWK und die mächtigen Pensionistenverbände. Sie alle überlassen die „Wahlschlacht“ den Medien und der Wirtschaft und bedauern dann das „falsche“ Ergebnis. Aber vielleicht gefallen sie sich in der komfortablen Rolle der Maden im Speck und es reicht ihnen, am 1. Mai zur rufen: „Mia Robatha miasn zsomholtn!“ (RED)