Der Euro als Sedativum

Text: Peter Baumgartner.

Wir beobachten euch! Lasst nicht zu, dass Agrarlobbys die Zukunft der Landwirtschaft diktieren. Foto: Save Bees and Farmers

Sedieren ist bekanntlich eine wirksame Methode, um Unruhezustände zu lindern oder ganz zu beseitigen. Manchmal genügt es schon, den „Patienten“ ein wenig einzulullen. Man muss allerdings mit der Dosierung aufpassen, weil die bewusste Wahrnehmung nicht ganz ausgeschaltet werden soll. Aber grundsätzlich ist die Verabreichung von Sedativa hochwirksam und lässt sich praktisch individuell, je nach gewünschter Wirkung, dosieren. Der Nachteil ist, regelmäßiges sedieren führt zur Gewöhnung und man muss mit der Zeit die Dosis steigern, um den gewünschten Erfolg zu erreichen. Zum Schluss führt das Medikament zur Sucht.

Diesen Suchtstatus haben wir in Österreich längst erreicht, wenn man den FörderEuro (FE) als wirksames Sedativum in allen Lebenslagen betrachtet. Süchtig oder nicht süchtig scheint dabei für die Förderpolitik keine Rolle zu spielen („Koste es was es wolle“). Hauptsache „Unruhezustände“ werden beseitigt, oder wenigstens abgeschwächt. Und weil ohnehin ständig irgendwo Wahlen stattfinden, ist eine „Dauermedikation“ auch gar nicht zu vermeiden. Blöd wird es für die politischen Anästhesisten nur dann, wenn die „Patienten“ paradoxe Reaktionen zeigen und womöglich trotz Förderungen im hohen Ausmaß weiterhin lästig sind. Kluge „Patienten“ sollten dann aber wissen, dass sie den Bogen nicht überspannen dürfen (Krieg und Leichen – Die letzte Hoffnung der Reichen/J. Heartfield).

Vor unerwünschten Nebenwirkungen wird gewarnt. Bild: Peter Baumgartner

Ein praktisches Beispiel: Das Bündnis der Europäischen Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ (savebeesandfarmers.eu) hat, finanziert durch bescheidene 300.000 Euro Spendengelder, mehr als 1 Mio. Unterschriften in der EU gesammelt und damit die Kommission mit der Forderung konfrontiert, Rechtsakte zur Abschaffung synthetischer Pestizide in der Landwirtschaft zu schaffen. Hinter dieser erfolgreichen Bürgerinitiative stehen nicht weniger 140 Umwelt-NGOs, Landwirtschafts- und Imkerei Organisationen, gemeinnützige Stiftungen und wissenschaftliche Einrichtungen. Auch aus Österreich sind, angeführt von Global2000, mehrere Organisationen involviert. Gemeinsam wollen sie die Landwirtschaft, Gesundheit und biologische Vielfalt in Einklang bringen. Sieben „Gesandte“ der Bürgerinitiative durften am 24. Jänner im Lobbyisten-Mekka Brüssel vor den hohen Beamten ihre Vision vortragen. Dabei wurde die Wertschätzung der Unruhestifter trotz freundlicher Begrüßung bereits sichtbar. Jeder einzelne Lobbyist in Brüssel, das weiß man nicht erst seit „Katargate“, hat im Monat ein Vielfaches von dem Budget, von dem NGOs ihre Kampagnen bestreiten müssen. Zur Darstellung ihrer Anliegen müssen Lobbyisten nicht als Bittsteller antanzen. Sie bewirten ihre beamteten Gesprächspartner in diversen Luxushotels mit entsprechender Diskretion. Die sieben Aktivisten hingegen wurden von einer überschaubaren Zuhörerschaft gebührend auf Distanz gehalten und selbst ihre Garderobe mussten sie mit in die Sitzung nehmen. Und natürlich wehte der heiße Atem der Agrarindustrie durch den Raum. Insgesamt ist es jedenfalls keineswegs gesichert, dass die eine Million Unterschriften überhaupt etwas bewirken wird können.

Das Treffen mit den Organisatoren der Europäischen Bürgerinitiative „Rettet Bienen und Landwirte“. Quelle EU Kommission; Foto: Aurore Martignoni

Den geringsten Eindruck hinterlassen Bürgerinteressen traditionell in Österreich. Hier gibt es zwar sogar ein eigenes „Bienengesundheitsprogramm“, das die Wichtigkeit der Bienen zweifelsfrei hervorhebt. Gemeint ist aber wohl die Imkereiwirtschaft. Die gilt es bei Laune zu halten. Falls dabei auch ein paar Bienen gerettet werden, dann ist das der Beifang. Immerhin repräsentiert die Imkereiwirtschaft im Land deutlich mehr als 33.000 Imkerinnen. „Ohne Bienen – kein Leben“, betont Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig staatstragend und meint wohl „IMKERLeben“. Dennoch blockiert er als Vertreter Österreichs in Brüssel die Pestizidreduktion. Wichtigste Maßnahme in der Bienengesundheit hierzulande ist die Bekämpfung der Varroamilbe, nicht das Zurückdrängen der Pharmaindustrie. Das politische Ziel ist also, das Leben der Biene gerade so lange zu erhalten – bis sie von den Landwirten zu Tode gespritzt werden.

Breitbandmedikament bevorzugte Anwendung in Wahlzeiten. Bild: Peter Baumgartner

Wie reagiert also das Landwirtschaftsministerium in Österreich auf das vermeintlich mächtige Lebenszeichen der Zivilgesellschaft in Brüssel? Genau. Mit Sedierung – sprich Förderung. Du bekommst von mir Geld, dafür bleibst schön artig und stehst mir nicht im Weg herum. Die unmittelbare Reaktion des Landwirtschaftsministers auf den Erfolg der Europäischen Bürgerinitiative ist eine Sonderrichtlinie zur Imkereiförderung. Fast 3 Mio. Euro jährlich bis 2027 kostet das Sedativum für die Imker den Steuerzahlerinnen. Und natürlich sind die maßgeblichen Imkereivertreter fest in die Förderabwicklung eingebunden, damit das Medikament auch bei den richtigen Leuten ankommt. In diesem Zusammenhang stellt sich grundsätzlich die Frage, was manchmal hinter offiziellen NGOs oder „Wissenschaftlern“ wirklich steckt. Auch diesbezüglich lohnt sich ein Blick über die Landesgrenzen, wo Medien etwas wacher auf das Treiben von NGOs schauen. Unbestritten ist jedenfalls, ohne öffentliche Förderung/Subvention kommt in Österreich nur noch das „Älteste Gewerbe der Welt“ aus. Ohne Förderung kann man anscheinend hierzulande nicht mal mehr einen Fahrradständer aufstellen. Ebenso sicher ist, dass das Medikament Förderung seine Wirkung nicht verfehlt. Das merkt man an der noblen Schweigsamkeit landauf und landab. Nur mit den Nebenwirkungen hapert es gelegentlich. (PB)