Einmal „Ordentliche Beschäftigungspolitik“ hin und zurück
Es gab eine Zeit in Österreich, da kostete der Vergleich der zeitgenössischen Politik mit der „Ordentlichen Beschäftigungspolitik“ im Dritten Reich einem Landeshauptmann den Job. Logisch. Wusste man doch 1991 auch in Kärnten, wie bei den Nationalsozialisten mit „Gemeinschaftsfremden“ umgegangen wurde um die „Arbeitsschlacht“ zu gewinnen. Notstandsarbeit, Arbeitsdienst oder Landhilfe gehörten zu den Arbeitsbeschaffungsprogrammen und der „Zwang zur Arbeit besteht für alle Unterstützten“, war angewandte Sozialpolitik. Wer dieser Direktive nicht folgte, galt als „asozial“. Diese „Elemente“ und „Drückeberger“ wusste man wieder an die Arbeit zu gewöhnen, damit aus ihnen „anständige Menschen“ werden konnten. Haider wusste also, wovon er sprach und musste die Konsequenzen tragen. Allerdings, man hätte die Auseinandersetzung auch damals schon versachlichen können und zum Beispiel über die Auswirkungen der Zunahme von „atypischen Beschäftigungen“ reden können. Doch die „demokratischen“ Parteien fühlten sich von Haider ertappt. Galt bei den Nazis noch „arm, weil arbeitslos“, lautete es in der „demokratischen“ Arbeitswelt „arm trotz Arbeit“ – bis heute.

Dieser Diskussionszugang hätte allerdings neben der FPÖ auch ÖVP und SPÖ in Bedrängnis gebracht. 1999 warnte der Soziologe Manfred Prisching vor den Folgen der wachsenden McGesellschaft mit ihren McJobs – und blieb ungehört. Prischings Frage (1999), ob die McGesellschaft überhaupt eine Gesellschaft oder nur eine Anhäufung von Einzelmenschen ist, kann heute als beantwortet gelten. WIFO-Consultant Ewald Walterskirchen hat ebenfalls schon 1999 darauf hingewiesen, dass der leichte Aufschwung am Arbeitsmarkt nur der Teilzeitbeschäftigung geschuldet ist. Auch er blieb ungehört. So blieb es nur einem der beiden intelligenten SPÖlern vorbehalten, mit inhaltlicher Kritik an der Arbeitsmarktpolitik länger an der Öffentlichkeit zu überleben, Prof. Emmerich Tàlos. Er nannte die Entwicklung hin zu Teilzeitbeschäftigungen eine „Zeitbombe“. Eine „verhängnisvolle Verschränkung mit der demographischen Entwicklung zeichnet sich ab“, warnte er. Die Warnung nützte zwar auch nichts. Aber bereits 2003 konnte Tàlos seine Vorhersagen bestätigen und das Kind beim Namen: „Atypisch“ gilt nicht mehr, weil es durch eine untätige Sozialpolitik zur Regel wurde. Die „Erosion der Normalarbeitszeitverhältnisse“ hatte sich manifestiert. Befristete Beschäftigung, Leiharbeit, Arbeit auf Abruf, Telearbeit, geringfügige Beschäftigung, freie Dienstverträge und Arbeitnehmer ähnliche Selbstständigkeit, alles begleitet von „Flexicurity“, sollten die neuen Produktionskonzepte und Kostenargumente der Wirtschaft unterstützen. Dabei hatte die „Flexicurity-Gesellschaft“ noch Glück. Wer nicht mitmachen wollte oder konnte, wurde schlicht aus betrieblichen Gründen vom Arbeitsmarkt „entfernt“ oder auf Kosten der Allgemeinheit in den Vorruhestand geführt. Jetzt, mehr als 20 Jahre später, hat die Regierung und mit ihr die Wirtschaft realisiert, dass ihre Vorgänger die Vollzeitarbeit mit voller Absicht und wider besseres Wissen an die Wand gefahren haben. Doch was machen sie? Statt Selbstanklage und Schuldbekenntnis, werden ihre Opfer desavouiert. Niederösterreichs Landeshauptfrau Mikl-Leitner hat sich im Jänner 2025 sogar auf Haiders Spuren begeben und ungestraft verkündet, „Teilzeit ist asozial“. Hunderte UnternehmerInnen lauschten widerspruchslos ihrer historischen Wortschöpfung. Dabei hat sie sich 2010 als Soziallandesrätin noch selber vehement für die Teilzeitarbeit eingesetzt („Teilzeit ist arbeitsmarktpolitisch und familienpolitisch sehr wichtig“/OTS-28.5.2010). ÖVP-Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer ist in seiner Wortwahl (noch) etwas vorsichtiger und penibel darauf bedacht, Haiders Fehler nicht zu wiederholen. Rhetorisch besser formuliert heißt es bei ihm nur, er habe „kein Verständnis“ für Menschen, die statt 40 Stunden, lieber gar nicht oder „Lifestyle-Teilzeit“ arbeiten. Wobei noch überhaupt nicht klar ist, was unsere Elite unter „Arbeit“ überhaupt versteht. Arbeiten Spekulanten oder GONGOs-Mitglieder? Ist Umwidmung von Ackerland Arbeit? Was ist mit den Erben? Müssten die nicht trotz Millionen Konto auch hauptberuflich „arbeiten“? Hattmannsdorfer nennt die Menschen die nicht oder seiner Meinung nach zu wenig arbeiten geschichtsbewusst nicht Asoziale, sondern „Lustlose“. Denen muss man die gesellschaftliche Verantwortung nur nachdrücklich „erklären“. Hattmannsdorfer will die staatlichen Unterstützungen auch nicht unschicklich an Zwangsarbeit knüpfen, sondern nur „Fehlanreize“ zum Faulenzen reduzieren. Der Vollzeit-Fan appelliert lieber an Leistung und Fleiß. Nur am Ziel der „Vollzeit-Politik“, das sich von der „Flexicurity-Politik“ nicht unterscheidet, will der Minister nichts ändern: „Alles muss dem Wirtschaftswachstum und der wirtschaftlichen Entwicklung unterordnen werden“. Zunächst bleibt der Status „arm trotz (Vollzeit)Arbeit“ jedenfalls weiter bestehen und wenn die Wirtschaft bei jeder Gelegenheit wiederholt, dass die Löhne in Österreich zu hoch sind, dann stellt sich die Frage, an welche „Anreize“ zur Vollzeitarbeit Hattmannsdorfer da wohl wirklich gedacht hat?









