Wer zahlt, schafft an?
Es ist noch nicht sehr lange her. Bis 1907 im Landtag und auf Gemeindeebene sogar bis 1918, wählte man in Österreich nach Klassenzugehörigkeit und nach Steuerleistung. Das nannte sich Kurienwahlrecht. Bildung und berufliche Tätigkeit spielten ebenfalls eine entscheidende Rolle beim Recht auf Teilnahme zur Mitbestimmung. Otto-Normalbürger hatte da nicht viel zu plaudern. Seit 1920 – mit einer kriegsbedingten Unterbrechung – gilt das heutige Wahlrecht. Manche meinen aber, dass sich noch ein paar historische Wahlelemente erhalten haben und in anderer Verpackung weiter existieren. Eines davon könnte man unter „Wer zahlt, schafft an“ zusammenfassen. Seit der Kurz-Regierung zählt diese Erkenntnis quasi zur allgemeinen Lehrmeinung. Um heute über den „richtigen“ Pass zum Wahlrecht zu kommen und damit mitbestimmen zu dürfen, ist Kapital absolut hilfreich. Nicht alle finanziellen Nachhilfen sind legal – manche aber schon. Wenn zum Beispiel Ausländer einen „besonderen“ wirtschaftlichen oder kulturellen Beitrag leisten, werden sie flugs zu Inländern. Sie besetzen damit also jene Kurie, die seinerzeit schon automatisch wahlberechtigt war. Weniger legal dürfte es über den Umweg Zypern zugehen, wo man sich angeblich als Ausländer in Europa einkaufen kann und somit zumindest im kommunalen Bereich zum Mitglied der Kurie wird. Die Motivation bleibt immer gleich – der Sprung in die richtige Kurie und damit zur Mitbestimmung. Das hat zwar nichts mit Demokratie zu tun, doch mit dieser Staatsform hatte schon Aristoteles ein Problem. Wie schafft man es, dass die Besitzlosen nicht über die regieren, denen das Land gehört? Die vermeintliche Lösung ist ein „Tiefer Staat“ (deep state), eine Demokratie ohne Demokratie. Gut studieren lässt sich diese Entwicklung gerade in den USA. Womit wir wieder bei unseren historischen Wahlgewohnheiten angelangt wären.

Die Firma SPÖ Gmbh. & Co. KG hat gerade in der „Europäischen Demokratie-Hauptstadt“ Wien gewählt. Gewählt wurden die Führungsebene und das mittlere Management. Man nannte die Wahl zwar Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahl, doch in der Demokratie-Hauptstadt achtet man sehr genau darauf, dass keine Wahlüberraschungen Firmeninteressen beeinflussen. 1/3 der Wiener Bevölkerung ist bereits automatisch von der Wahlberechtigung ausgeschlossen, weil sie einen falschen Pass haben. Das sind keine Touristen, sagt die rote Arbeiterkammer Präsidentin Renate Anderl und fordert ein demokratisches Mitbestimmungsrecht für alle, die in der Stadt leben, arbeiten, ihre Kinder zur Schule schicken und Steuern zahlen. Mit diesem Ansinnen ist sie allerdings ziemlich einsam unterwegs. „Capital of Democracy“ hin oder her, ein modernes Wahlrecht wird nicht so bald geschehen. Von den verbleibenden 2/3 der Wahlbevölkerung bleiben bereits 37 Prozent (bzw. 45 Prozent/Bezirks Wahl) freiwillig der Wahl fern, weil sie nicht bei der Firma SPÖ beschäftigt sind. Sich mit dieser Politik also gar nicht in Verbindung bringen. Für sie hat (Wahl)Urne eine sprichwörtliche Bedeutung. Die tatsächlich wählende Bevölkerungsschicht kann man alljährlich am 1. Mai am Rathausplatz antreffen. Die Erfahrung in Wien hat gezeigt und es wird regelmäßig am 1. Mai sichtbar, wenn es keine firmeninterne Revolution gibt, läuft der Betrieb ohne Änderung wie geschmiert. Ein guter, alter Familienbetrieb eben.
Die Sache hat nur einen Haken. Aber der hat Sprengkraft und es ist eine Frage der Zeit, wie lange die Lämmer noch schweigen. „Wer zahlt, schafft an“ löst nämlich unmittelbar auch eine Forderung aus und die lautet, „wer anschafft, muss zahlen“.