Handke polarisiert schon wieder
Peter Handke zählt zu den Eingeborenen, die immer dann, wenn sie „unangenehm“ sind, nicht angepasst oder den Finger in offene Wunden legen, zu den Nestbeschmutzern, auf die sich stolze Patrioten einschießen und das Maul zerreißen. Sowie sich so ein „Außenseiter“ im Ausland profiliert und Erfolge feiert, stehen die Landsleute geschlossen auf der Tacken, um ihm zu huldigen und mit Orden zu behängen. Es ist immer das gleiche, erbärmliche Trauerspiel.

Katja Gasser, eine erfahrene und mehrfach ausgezeichnete Kulturjournalistin, saß unlängst dem Literaturnobelpreisträger Peter Handke gegenüber. Beide haben Kärntner Wurzeln und sind typische Vertreter eines Landes, wie Erwin Ringel es beschrieben hat. Gasser könnte Handkes Tochter sein und fordert den großen, alten Literaten – vielleicht mit Blick auf ihren nächsten Medienpreis, mit ihren wohl vorbereiteten Fragen immer wieder heraus. Eigentlich sollte es vereinbarungsgemäß ein Gespräch werden, doch die halbe Stunde wirkte oft wie ein amikales Verhör, bei dem die Journalistin genau wusste, wie sie ihren Gesprächspartner herausfordern kann. Handke lässt fast ohne Widerspruch mit sich geschehen. Doch wissend, dass alles was er sagt auf die Waagschale gelegt wird, ringt er oft um Worte und lange Pausen nützt er offensichtlich, um die richtige Formulierung zu finden. Trotzdem wird es ein kluger und inhaltsreicher Diskurs, bei dem Handke seine breite Palette an Lebenserfahrung und sprachliche Vielfalt zum Ausdruck bringt. Da sind philosophische Themen ebenso enthalten wie Selbstkritik, ganz persönliche Empfindungen und Gefühle. Hoffnung, Mitleid, Trauer, Zuversicht – und sogar ein Bekenntnis zur Heimat wird offenbart. Nicht enthalten sind in den Ausführungen des Schriftstellers Lügen, Unwahrheiten oder Halbwahrheiten. Aber Handke hat wie immer eine feste Meinung, besteht auf seine Sprache und benennt die Dinge mit eigenen Worten. Kurzum, Handke ist vielleicht der friedvollste und gleichzeitig wehrhafteste Verteidiger seiner selbst. Damit wird er allerdings zum „gefundenen Fressen“ derer, die auf eine Schlagzeile lauern. Die bekamen die Medien auch in diesem Fall. Sehr viele Medien in Österreich berichteten über das prominente Kultur- „Gespräch“ in Paris. Die Schlagzeile war bei allen gleich. Handke hat schon wieder polarisiert. Kaum ein Wort über die vielen wichtigen Themen, die angesprochen wurden. Aber alle Medien blieben an Handkes „Demokratieverständnis“ hängen. Anknüpfend an ihre (tatsächlich) dystopische Beschreibung des Demokratiezustandes in vielen Länder, stellt Katja Gasser nämlich die ausformulierte Frage, wie denn Handkes „Verhältnis“ zur Demokratie sei. Wahrheitsgetreu erzählte Handke von seiner Wahrnehmung, dass es zum Beispiel in einer Demokratie wie in Frankreich, viele kleine Diktaturen gibt. Freundlich und aufgeklärt wirkend, sind diese diktatorischen Gesellschaftsformen im Gegensatz zu richtigen Diktaturen „unbekämpfbar“. Das regte den Schriftsteller sichtbar auf. „Ich kann das Wort Demokratie nicht mehr ausstehen!“ Zack, das hat gereicht. Alle Journalisten hatten ihre Schlagzeile. Hätte sich wenigsten ein Journalist an den „Wasserschaden am Bauwerk Demokratie“ erinnert, oder an irgendeinen anderen flehentlichen Appell an die „Mächtigen“ von Kirchschläger bis Van der Bellen. Nein, aus der medialen Ecke kommt für die Demokratie keine Rettung – nur Schlagzeilen.