Schlechte Luft und Lärm plagen Europas Städte
Der Europäische Rechnungshof registriert zahlreiche Defizite in den Mitgliedsländern hinsichtlich ihrer Verpflichtung, für saubere Luft zu sorgen und gegen Lärmbelastungen tätig zu werden. Gleichzeitig stellt der Hof fest, dass diesbezüglich Vertragsverletzungsverfahren langwierig sind und nicht immer den erhofften Erfolg bringen.

Der Europäische Rechnungshof nimmt im aktuellen Sonderbericht zur „Umweltbelastung in den Städten der EU“ Bezug auf Luftqualität und Lärm in einigen Ballungsräumen (Städte) der EU. „Europäische Städte seien zu laut“, wird festgestellt. Die Luftqualität wird hingegen besser. Man geht davon aus, dass drei Viertel der EU-Bürgerinnen und Bürger von schlechter Luft und Lärm betroffen sind. Es wird im Bericht jedoch ausgeblendet, dass viele Menschen arbeitsbedingt in die Zentren auspendeln, dort tagsüber den Belastungen ausgesetzt sind und danach an ihrem ländlichen Wohnort, ausgerechnet in der Ruhephase, wieder durch regionale Lärmquellen und Luftverschmutzung belastet sind. Wenn die Stadt quasi schläft, setzt sich am Land der Lärm und die schlechte Luft fort. Die „üblichen“ Lärmquellen und Luftverschmutzer gibt es auch im ländlichen Raum. Bestimmte Lärmquellen und industrielle Luftverschmutzer sind sogar hautsächlich im ländlichen Raum angesiedelt. Für Menschen, die in der Stadt arbeiten und am Land wohnen, gibt es praktisch kein Entrinnen.
Die Rechnungshofprüfer halten in ihrem Bericht folgerichtig fest, dass die Lärmbelastung in den Städten wegen fehlender Daten gar nicht richtig festgestellt werden kann. Umgebungslärm (und Luftqualität) ist grundsätzlich dort von besonderer Bedeutung, wo sich Menschen erholen sollen und zu Hause sind. Auch da ist die Datenlage dünn. Unabhängig von der Einwohnerzahl, steht das Recht auf gesunde Umwelt jedoch jedem Bürger/Bürgerin zu. Die Erfassung der Lärmbelastung ist, wie vom ERH bereits festgestellt, nur lückenhaft möglich. Warum wird nicht ausgeführt. Bezüglich Luftqualität ist es so, dass oft der Eindruck entsteht, „was nicht da sein soll, wird nicht gemessen“. So werden dem Hof „vollständige Daten“ vorgegaukelt. Das hat tatsächlich etwas mit den entsprechenden gesetzlichen Regelungen zu tun. Wie anders ist es sonst erklärbar, dass es in industriell stark genutzten Siedlungsgebieten gar keine, oder mangelhafte Emissionsmessungen gibt? Es fehlen grundsätzlich praxisorientierte Richtlinien, wann/wo/was/wie oft zwingend gemessen werden muss. Dieses RL-Defizit hat zum Beispiel auch zur Folge, dass Gutachter in UVP-Verfahren oder anderen gewerberechtlichen Entscheidungen, „situationselastisch“ begutachten können („anerkannte Richtwerte werden eingehalten“). Tatsächliche Lärmbelastungen werden so „irrelevant“ oder „vernachlässigbar“ und damit auch zur (falschen) Grundlage für umweltmedizinische Gutachten. Da hilft es auch nicht, wenn seitens der EU ständig auf Gesundheitsprobleme und vorzeitige Todesfälle durch Umweltverschmutzung/Lärm aufmerksam gemacht wird.

„Es gibt auch deutliche Ungleichheiten sowohl bei der Exposition als auch bei den Auswirkungen der Umweltverschmutzung. Bürger in niedrigeren sozioökonomischen Gruppen sind tendenziell stärker der Umweltverschmutzung ausgesetzt, und schutzbedürftige Gruppen wie Kinder und ältere Menschen sind ebenfalls unverhältnismäßig stark betroffen. Diese durch Umweltverschmutzung verursachten Todesfälle und Krankheiten sind alle durch eine Verringerung der Umweltverschmutzung weitgehend vermeidbar und sollten als Teil künftiger Gesundheitspräventionsmaßnahmen in Europa in Betracht gezogen werden“ (EEA, 3.3.2025).
Was EEA da beschreibt, ist aus österreichischer Sicht die herrschende Segregations-Politik, die eng mit jener Wirtschaftspolitik verflochten ist, die Luft- und Lärmprobleme schafft. Die Folgen und Betroffene schlechter Luft und Lärm sind also hinlänglich bekannt. Auch die Verursacher sind namhaft zu machen. Die wirtschaftlichen Kosten, die mit den negativen Auswirkungen der Luftverschmutzung durch europäische Industrieanlagen verbunden sind, sind erheblich, berichtet EEA für 2024. Im Durchschnitt sind das 268 – 428 Mrd. Euro pro Jahr. Doch das wird als „Kollateralschaden“ eingepreist. Abgesehen davon, kennen die EU und deren Mitgliedsstaaten ganz konkrete Zielsetzung, bis wann welche Umweltgefahren in welchem Ausmaß reduziert werden sollten. Im viel gerühmten „Grünen Deal“ sind alle Vorhaben genau festgeschrieben – nur, niemand muss sich daranhalten, weil nicht alles verbindlich vereinbart ist. Man könnte vor diesem Hintergrund zu Schlussfolgerung kommen, dass die europäische Umweltpolitik auf Selbsttäuschung aufgebaut ist, um Zielvorhaben immer wieder neu zu definieren. Erwartungsgemäß stellt die EU in aktuellen Berichten fest, es wurden Fortschritte bei der Erreichung der Ziele für 2030 gemacht, aber die Schadstoff/Lärmbelastung bleibt hoch. Doch bis 2050 ist noch viel Zeit, erst bis dahin soll die Umweltverschmutzung so weit reduziert werden, dass sie kein Risiko mehr für die menschliche Gesundheit und Umwelt darstellt. 25 Jahre! Für Menschen, die bereits seit vielen Jahren belastet sind, keine frohe Botschaft.