Unsere Dialogbereitschaft auf dem Niveau der Steinzeit

Der Dialog ist eine tragende Säule einer kultivierten Gesellschaft mit gemeinsamen Zielen und Werten. Er macht Lust auf den Austausch von Ideen, Erfahrungen, Gefühlen und Erkenntnissen. Nicht umsonst heißt es auch „Streitlust“, die allerdings nur auf dem Boden geistiger Freiheit wächst. Erstaunlich ist, dass oft gerade jene Menschen, die zu Recht mehr Dialog einfordern und Soziale Medien verdammen, selber aus moralischer Überlegenheit lieber einen Monolog führen.

Platon – Ein Denkmal des Dialogs. Quelle: Bibi Saint-Pol, gemeinfrei

Durch Medienberichte motiviert, wonach große Mengen sizilianischer Müll zur Entsorgung in die Steiermark kommen sollten, habe ich einen Leserbrief veröffentlicht. Weiter unten kann man den im Wortlaut nachlesen. Zugegeben, die Meinungsäußerung war schon sehr kritisch – aber nicht unwahr. So habe ich im Zusammenhang mit der Müllindustrie von krimineller Energie gesprochen und dabei an die tatsächliche, österreichweite Causa „Abfall-Kartell“ gedacht, die die Bundeswettbewerbsbehörde bereits seit 2021 beschäftigt. Ich habe auch das aktuelle Regierungsprogramm kritisiert, dass nach meiner Meinung Unrechtmäßigkeiten durch falsche Gesetzesvorhaben erleichtert. Kritisiert habe ich auch die mediale Berichterstattung über den Abfalltransport und zwar direkt bei der Kleinen Zeitung und beim ORF. Die haben nämlich die Presseaussendung der Wirtschaft über den Mülltransport unkommentiert wiedergegeben, statt zu recherchieren, ob die darin getroffenen Behauptungen überhaupt stimmen. Die Kleine Zeitung hatte den Beitrag sogar ohne den Verfasser zu nennen, anonym veröffentlicht und auf Nachfrage behauptet, das sei „nicht ungewöhnlich“. Wir sprechen hier von einer Qualitätszeitung. Inhaltlich haben sich beide – ORF und Kleine Zeitung, zur Kritik bis dato nicht geäußert.

Schriftlich geäußert, obwohl gar nicht kritisiert, hat sich zu meiner Überraschung der „Österreichische Rat für Nachhaltige Entwicklung“. Es handelt sich hierbei um einen äußerst prominenten und international vernetzten Gemeinnützigen Verein (NPO). Der Nachhaltigkeitsrat sieht sich als Akteur und Sprachrohr auf allen Umweltthemen und richtet sich dabei an die 17 SDGs. Ein breites Feld an Dialogtätigkeiten gehört dabei zum Arbeitsprogramm. Wer genau und mit welchen Beträgen den Verein finanziert, wird nicht veröffentlicht. Diese Umweltexperten sahen sich durch meinen Leserbrief genötigt, eine Erklärung abzugeben. Diese möchte ich hier im Wortlaut veröffentlichen:

Sehr geehrter Herr Baumgartner,

hiermit fordern wir Sie unmissverständlich auf, es zu unterlassen, uns in Ihren privaten Angelegenheiten in Kopie zu setzen oder anderweitig einzubeziehen. Wir stehen in keinerlei Verbindung zu Ihren Belangen und wünschen ausdrücklich keine weitere Involvierung.

Sollten Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, behalten wir uns ausdrücklich rechtliche Schritte vor. Wir ersuchen um Ihr Verständnis sowie um umgehende Kenntnisnahme dieser Mitteilung. Mit freundlichen Grüßen, Büro des Generalsekretärs am 18. März 2025 per E-Mail protokoll@nachhaltigkeits-rat.at>

Ich habe das Begehren natürlich mit Bedauern zur Kenntnis genommen. Leider gab es auch hier keine inhaltliche Auseinandersetzung mit meiner (keineswegs privaten) Kritik. Daher kann ich nicht sagen, was genau den Verein zur Dialogverweigerung bewogen hat. Der österreichische Spitzendiplomat Michael Breisky, dessen Arbeit immer von einem ganzheitlichen Zugang geprägt ist, sieht den demokratischen Diskurs in der Krise und hält die fehlende Gesprächsbereitschaft für Demokratie zerstörend. Breisky versucht das mit der genetisch beschränkten Kapazität der Informationsverarbeitung zu erklären. Wir sind noch auf dem „Niveau der Steinzeit“.

Und hier mein Leserbrief:

Regierungsprogramm – Unwissen, Dummheit oder gar kriminell?
Die Reaktionen auf das neue Regierungsprogramm sind vielfältig und reichen je nach Thema und Sichtweise von ablehnend bis zustimmend. Manche finden sogar „begrüßenswerte“ Ansätze. „Jetzt das Richtige tun. Für Österreich“ hängt allerdings davon ab, was man für richtig hält. Das liegt nämlich im Auge des Betrachters. Was den beabsichtigten Ausbau der Kreislaufwirtschaft im Zusammenhang mit der Energiegewinnung (Strom, Wärme) betrifft, halte ich die angekündigten Zielsetzungen für eine gefährliche Drohung. Dem Ziel liegt die Grundidee der Wirtschaftspolitik zugrunde, dass die Kreislaufwirtschaft eine „wesentliche Säule“ der Standortsicherung wird. Mit einem jährlichen Umsatz von mehr als 9 Mrd. Euro ist sie das bereits jetzt und wenn man berücksichtigt, dass der Umsatzerlös in den letzten 10 Jahren um 80 Prozent gestiegen ist, kann man sich ausmalen, worauf das Regierungsprogramm zielt. Die Summe der politischen Absichten ist umfassend und reicht von Beseitigung regulatorischer Hemmnisse, Prozessoptimierung, „Verfahrenseffizienz“, Vereinfachung der Abfallende-Vorschriften, erleichterte grenzüberschreitende Abfallverbringung und die Kosten dafür werden sozialisieren während Profite privatisiert werden. Alles unter dem Totschlagargument, den Erneuerbaren-Ausbau vorantreiben zu wollen. Genau da liegt der Hund begraben. Energie aus Müllverbrennung ist keine Bioenergie, sondern ein Mrd. Geschäft auf Kosten der Umwelt und Gesundheit. Die teils unkalkulierbaren Probleme, die bei der Müllverbrennung entstehen sind bekannt und in Studien mehrfach belegt. Außerdem ist – auch in Österreich, die kriminelle Energie in der Branche hoch. Auch dafür gibt es zahlreiche Belege. Das Stichwort Müllmafia liefert den Beweis, dass der illegale Handel mit „Ersatzbrennstoff“ ein lukratives, Europa überspannendes Netzwerk ist. Nach Schätzungen von OLAF sind 30 Prozent der grenzüberschreitenden Abfallverbringungen illegal. Vor diesem Hintergrund fordert die heimische Abfallindustrie einen „Müll-Schengenraum“ und wird ihn gemäß Regierungsprogramm auch bekommen. Was im Worst-Case Szenario passiert, kann man anhand des Görtschitztaler HCB-Desaster studieren. Außerdem haben wir in Kärnten im Nahbereich einer Müllverbrennung erhöhte Strahlenwerte, die amtlich nicht erfasst werden. Bodenverunreinigungen durch Schwermetalle im Nahbereich einer anderen Müllverbrennung werden von einem unabhängigen Sachverständigen ebenfalls eindeutig zugeordnet. Eine Regierung, die das „Richtige“ für Österreich tun möchte, müsste in der Kreislaufwirtschaft genau das Gegenteil von dem machen, was sie jetzt zu tun beabsichtigt. Andernfalls nimmt sie Mafiastrukturen, Gesundheits- und Umweltgefahr wissentlich in Kauf. P.B. 3-25

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