Alles Dreck?
Das öffentliche Auftragswesen sichert in Österreich die Grundauslastung der Wirtschaft. Ein nicht unwesentlicher Teil davon nährt das Milliarden Geschäft der Abfallwirtschaft. Als Dank haben zahlreiche Mitglieder der Branche – aufgedeckt von der Bundeswettbewerbsbehörde, das Land mit einem Netz von Preisabsprachen überzogen. Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen.

In Bertold Brechts Flüchtlingsgespräche erzählt der Arbeiter Kalle davon, dass Dreck nur Materie am falschen Ort ist. Das dürften unsere Abgeordneten im Kärntner Landtag anders sehen. Für sie scheint Dreck etwas zu sein, worum sich grundsätzlich andere kümmern sollen. Der Kärntner Abfallbericht und das Abfallwirtschaftskonzept wird zwar nur alle sechs Jahre dem Landtag zur Abstimmung vorgelegt, aber selbst diese lange Zeitspanne vermag das Interesse an der Materie bei den Damen und Herrn Abgeordneten nicht zu wecken. Für sie ist das vielleicht ein typisches Beamten-Thema und außerdem bedeutet es immer Ungemach, wenn man sich mit der Müllindustrie anlegt. Denn die kümmert sich zu 100 Prozent um den Dreck, weil es wertvoller „Sekundärrohstoff“ ist. Ihnen geht es dabei aber nicht um die lästige Daseinsvorsorge. Darum soll sich ruhig die Kommune kümmern – solange sie dabei eng mit Privatunternehmen „kooperiert“. Einzelne kommunale Versuche, lukrative Müllgeschäfte unter den Andienungszwang zu setzen, konnten vom „freien Markt“ bisher erfolgreich verhindert werden. Die hoheitlichen Grenzen sind also eng gesteckt. Da gibt es für Politiker nicht mehr viel zu tun – außer Förderungsanträge, Forderungen und Wünsche der Wirtschaft umzusetzen und in Gesetzestexte zu gießen. Genau das wiederspiegelt der periodisch erstellte Beamten Bericht. Ohne Vision und Innovation. Das macht eh alles die Privatwirtschaft – gewinnorientiert. Auch wenn Parteichef Babler mit „Politik muss eingreifen, nicht zuschauen“ die Richtung vorgibt, die „Debatte“ über die Abfallwirtschaft im Landtag war in kaum zwei Minute sprichwörtlich erledigt – „einstimmig angenommen“. Dabei könnte man durchaus ein paar Zukunftsthemen oder aktuelle Probleme konkret ansprechen und vielleicht sogar ein größeres Stück vom Profitkuchen für die klammen Gemeindekasse erwirtschaften, wenn man frühzeitig die richtigen Weichen stellt. Doch das Prinzip der Weichenstellung ist nicht allen geläufig. Die Feinverteilung von Schadstoffen im Boden oder „Future Waste“ sind ebenfalls diskutable Themen. Und es geht um eine ganze Reihe anderer „Materien“, die für die Industrie nur profitabler Dreck sind, deren Verwertung, Beseitigung oder Deponierung aber vielfache gesellschaftliche Auswirkungen haben.

Man hätte aus aktuellem Anlass auch über Müllgebühren und Entsorgungskosten debattieren können – gerade vor dem Hintergrund der angespannten Budgets in den Gemeinden. Walter Leiss, ehemaliger Generalsekretär des Gemeindebundes, vertrat in dieser Funktion viele Jahre alle Gemeinden Österreichs. Seine Expertise (2024) zur Kreislaufwirtschaft lässt keine Vorteile für die Kommunen erkennen. So kritisierte Leiss, dass die Wertgrenzen für den Müll in der Direktvergabe schon seit Jahren nicht angehoben wurden. Gleichzeitig blüht das Abfall-Kartellwesen. Einige Player wurden/werden auch bestraft, oder haben den Kopf als Kronzeugen aus der Schlinge befreit. Die Causa ist noch nicht abgeschlossen. Mit der Schadensgeltendmachung bleiben die Gemeinden aber allein und das kann ihnen egal sein, weil sie die zu hohen Kosten ohnehin an die Bürger weitergeben. Letztlich frisst der Gemeindebürger die „Krot“. Die öffentlichen Abfallwirtschaftsbetriebe (VÖA) legen aber Wert darauf festzustellen, dass sie von den BWB-Verfahren nicht betroffen sind. Für Anton Kasser, Präsident der kommunalen Abfallverbände (Arge AWV), ist noch gar nicht klar, wie der entstandene Schaden durch die Preisabsprachen überhaupt festgestellt werden soll. Es müsste praktisch jede Gemeinde, die mit den verurteilten Firmen Verträge hat, diese auf Wiedergutmachung klagen. Und das bei laufendem Betrieb! Hier geht es aber nicht um Taschengeld. Die Gemeindebürger zahlen jährlich 900 Mio. an Müllgebühren und das 2021 aufgeflogene Kartellunwesen wurde angeblich 20 Jahren (!) lang praktiziert. Kein Wunder, die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr sieht sich in ihrer Meinung bestätigt und will die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen eindämmen. Konkret plant sie, die öffentliche Müllentsorgung wieder selber in die Hand zu nehmen. Insgesamt also „Materie“ genug, um vom Landtag eine eingehende Debatte erwarten zu dürfen. Fehlanzeige! Die politische Unterstützung der Müllgebührenzahler fällt schon mal aus. Wer bleibt da noch als Hoffnungsträger für die betrogenen Gebührenzahler? Die kommunalen Abfallverbände? Die werden vielleicht ein wenig Trara machen, sich aber nicht mit den „Partnern“ anlegen. Die Medien, die das könnten, müssten erst gegründet werden. Eine Kanzlei mit Expertise auf (Abfall)Kartellrecht? Die werden eher die gefährdeten Unternehmen „briefen“. Eine NPO, die auf Sammelklagen spezialisiert ist? Die müsste erst überzeugt werden. Bleibt noch die Arbeiterkammer, aber das würde an ein Wunder grenzen. Natürlich könnte jeder einzelne Betrogene selber in den Ring steigen, aber die wissen, dass sie dann 100 Jahre mit Gerichten beschäftigt sind. Also, Zähne zusammenbeißen. Man kann ja noch an anderen Stellen einsparen bis es knirscht. Die eigene Kaufkraft kann man ja (noch) ein wenig steuern. Das schadet zwar der Gesamtwirtschaft, aber was soll man sonst machen?