Eine Hand wäscht die andere
Es gibt immer Empfänger, die auf „Unterstützung“ angewiesen sind und – „wes Brot ich ess, dess Lied ich sing“ – es gibt immer Geber, die das schamlos ausnützen. Was aber vermeidbar sein sollte ist, dass Politiker und Medien der Korruption den roten Teppich ausrollen. Man kommt so unverhofft in die Rolle des Steigbügelhalters.
„Die Korruption offenbart ein antisoziales Verhalten, das die Fundamente der Gesellschaft untergräbt“, stellte Papst Franziskus 2024 fest und sprach damit unmissverständlich an, dass Korruption nicht nur ein volkswirtschaftliches Problem ist, sondern viel über den Charakter korrumpierter Menschen aussagt. Sie sind gemeinschaftsschädigend. Das macht die Korruptionsbekämpfung nicht leichter. Man sieht den Menschen ihren Charakter nicht gleich an. Sie tragen Maßanzug, Lederhose, Cordhose aus dem Online-Shop, oder Dirndl und sind gleichermaßen korrupt. Sie kommen aus allen Berufsgruppen und Gesellschaftsschichten. Ja, man kann sie nicht mal bestimmten Parteien zuordnen. Sie sind einfach überall.

„Qualitätsunterschiede“ bei der Korruption sieht man erst, wenn etwas aufgedeckt wird. Dann kann man erkennen, dass mit Macht und Einfluss der Korruptionsschaden zunimmt. Machtmissbrauch ist aber nur eine Form von Korruption. Was alle Korrupten und nicht Korrupten eint, ist die öffentliche Willenskundgebung Korruption zu bekämpfen. Auch das erleichtert die Korruptionsbekämpfung nicht. Soll also Resignation der letzte Entschluss sein? Naheliegend ist es, aber aufgeben tut man einen Brief. Und wie das aktuelle Buwog-Urteil zeigt, gibt es ja wenigstens gelegentlich homöopathische Erfolge. Homöopathisch deshalb, weil wieder nur die Hälfte der Causa verhandelt wurde. Unbestritten scheint zu sein, dass Schmiergeld geflossen ist und (hoffentlich) der/die Empfänger verurteilt wurden. Aber was ist mit dem Schmiergeldzahler? Regelmäßig wird immer nur ein „Täter“ namhaft gemacht. Es muss aber zumindest immer einen Zahler und einen Nehmer geben. Sonst hätte Korruption keinen Sinn. Es ist auch nicht bekannt, dass jemals ein durch Korruption zustande gekommenes Geschäft rückabgewickelt wurde, obwohl es doch illegal sein müsste. Verwundern sollte all das aber nicht, weil es einige Erklärungen dafür gibt.
2024 ist Österreich im Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) am historischen Tiefpunkt angekommen. Der Negativtrend ist beschämend, bedauert Mag. Bettina Knötzl, Vorstandsvorsitzende von TI-Austria.
Wenn andernorts betrügerische Machenschaften als „Klüngelei“ bezeichnet werden, dann hat das eine ebenso lange Tradition, wie hierorts der Begriff der „Verhaberung“ oder „Freunderlwirtschaft“. Das ist ein dicht gesponnenes Netz über Österreich, aus dem es fast kein Entrinnen gibt. Besser beschrieben hat es Helmut Qualtinger, der Österreich als Labyrinth bezeichnet hat, in dem sich jeder auskennt. Dazu kommen juristische Besonderheiten, die laut Korruptionsexperte Martin Kreuter, heute ein Ausschließungsgrund für den EU-Beitritt sein würden. Das alles regt die Nation aber nicht sonderlich auf. Nahezu überall auf der Welt, gehen unzählige Menschen demonstrierend auf die Straße, um gegen ihre korrupten Genossen zu kämpfen. Sogar in Ländern, wo man für Demonstrationen verprügelt wird und Meinungsfreiheit keinen Wert hat. Das hält die Bevölkerung dort nicht davon ab, gegen Unrecht zu kämpfen. Darüber wird in Österreich ausführlich berichtet – die eigenen Korruptionsfälle sind aber maximal mediales Strohfeuer.
Der Verfassungsjurist Heinz Mayer fordert die Zivilgesellschaft auf: Seid wachsam! „Das Böse ist immer und überall“. Wir sollen den Mut zum Widerspruch haben, fordert Mayer. Doch es ist nicht die Aufgabe der Zivilgesellschaft, den Job für die Justiz zu machen. Und wo bleibt da die „Vierte Gewalt“?
Bei dieser Ausgangslage grätscht ausgerechnet die Staatengruppe zur Korruptionsbekämpfung GRECO im Europarat dazwischen und liest Österreich im neuen Dossier so richtig die Leviten. Man möge seine Reaktionen auf Korruption „erheblich“ verstärken, schreibt GRECO, weil die überwiegende Mehrheit der bisherigen Empfehlungen nur teilweise oder gar nicht umgesetzt wurden, gibt es einen Liefertermin. Österreich „muss“ bis zum 31. Mai 2026 Fortschritte erzielen. Wie das gehen soll, bleibt abzuwarten. Derweil tauchen im Windschatten von glamourösen Fällen immer neue „Einzelfälle“ auf und Korruption in so exotischen Bereichen, wie in der Abfallwirtschaft, Kultursponsoring oder Umweltkriminalität, stehen gar nicht auf dem Radar von GRECO. Transparency International hat ein Positionspapier über Umweltkriminalität und Korruption erarbeitet. Man geht davon aus, dass bei diesen kriminellen Aktivitäten weltweit ein Schaden von 110 bis 281 Milliarden Dollar jährlich entsteht. Allein der illegale Müllhandel schlägt mit 12 Milliarden zu Buche. Das hindert die österreichische Bundesregierung nicht daran, der Müllindustrie einen „Abfall-Schengenraum“ zu ermöglichen. Das ist ein Freifahrtschein für Korruption.