Was kostet Dreck?
Die Kreislaufwirtschaft ist ein Modell der Produktion und des Verbrauchs, bei dem Materialien und Produkte möglichst lange geteilt, geleast, wiederverwertet, repariert aufgearbeitet und recycelt werden. Sie werden als möglichst lange im Kreislauf gehalten und dabei wird mehrfach Wertschöpfung generiert. Oft sind es aber nicht die Besitzer der Produkte, die von der Wertschöpfung profitieren.

Seit März 2021 beschäftigt sich die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) mit besonders perfiden Preisabsprachen. Es geht um das „Abfallkartell“. Nur eines von zahlreichen Kartell Geschehen, die in den letzten Jahren die Republik beschäftigen. Das Abfallkartell hat aber Dimensionen angenommen, wo die BWB von einer bundesweiten Dimension spricht, die schon eine 20-jährige Geschichte hat. Die Ermittlungen der Behörde dauern mit März 2025 noch an. Wie viele Unternehmen letztlich involviert sind, kann noch nicht gesagt werden. Zunächst wurden bei 20 Unternehmen Hausdurchsuchungen durchgeführt. Wie hoch der entstandene Schaden konkret ist, wird vom Kartellgericht nicht bemessen. Geschädigte müssen sich praktisch selber um Schadenersatz kümmern. Wer sind überhaupt die Geschädigten bei diesem Abfallkartell? Die BWB spricht davon, dass von überhöhten Preisen neben Unternehmen auch Gemeinden betroffen sind. Diese nehmen bekanntlich im Rahmen ihrer Daseinsvorsorge, die Dienste privater Abfallunternehmer in Anspruch. Über öffentliche Vergabeverfahren werden hoheitliche Aufgaben – eben auch die Müllentsorgung, an private Unternehmen vergeben. Das aktuelle Abfallkartell bestätigt die grundsätzliche Feststellung der OECD, wonach öffentliche Vergabeverfahren an sich schon ein hohes Risiko für Korruption, Misswirtschaft und Betrug sind. Empfehlungen und Richtlinien gegen Missbrauch bei öffentlichen Verfahren gibt es seitens der OECD und EU genug. Nur werden sie von öffentlichen Auftraggebern anscheinend nicht ausreichend gewürdigt, obwohl es hier um einen Kuchen von jährlich 67 Mrd. Euro geht. Hier herrscht offensichtlich nicht nur eine beträchtliche kriminelle Energie, sondern auch ein fehlendes Verantwortungsbewusstsein gegenüber Bürgern und Steuerzahlern.
Daraus ergeben sich zwei wesentliche Fragen, die im Fall des Abfallkartells noch nicht beantwortet sind. Die Bundeswettbewerbsbehörde und das Kartellgericht ziehen Täter zur Verantwortung und bestrafen sie nach der gültigen Rechtslage. Die Verurteilten sind jedoch immer private Unternehmen, die aufgeflogen, zur Verantwortung gezogen werden. Nie, oder äußerst selten werden öffentliche Auftraggeber, also jene öffentlichen Personen, die mit der Vergabe des 67 Mrd. Kuchens betraut sind, angeklagt und bestraft. Das ist eigenartig. Beim Abfallkartell ist die Kommune über das Bindeglied der kommunalen Abfallwirtschaftsverbänden, der Besteller und das private Unternehmen der Auftragnehmer. Eine Untersuchung bei Zuwiderhandlung auf beiden Seiten ist also logisch – scheint aber nicht der Fall zu sein. Im ggst. Fall betonen die kommunalen Verbände, nichts mit den Preisabsprachen zu tun zu haben. Mehr noch, nach einem Kartellverfahren ändert sich in den Geschäftsbeziehungen nichts. Zumindest wird nicht öffentlich kommuniziert, was sich geändert hat. Meist bleiben eine kriminelle „Geschäftsbeziehungen“ aufrecht, weil man sich aneinander gewöhnt hat (?). Hier versagt auch die mediale Aufmerksamkeit, deren eigener Anspruch es ist, als vierte Macht eine Kontrollfunktion wahrnehmen zu dürfen.

Die Geldbußen richten sich bei Verurteilten nach ihrem Gesamtumsatz, wodurch der Gesamtschaden durch die rechtswidrige Geschäftspraktik nicht abgebildet wird. Einer der aufgeflogenen Mittäter ist die Firma Saubermacher. Der „Umweltpionier“ hat im September 2024 bekannt gegeben, die über ihn verhängte Geldbuße von 7,085 Mio. Euro zu akzeptieren. Was davon letztlich zu bezahlen sein wird, entscheidet sich erst im weiteren Verlauf des Verfahrens. Was die zweite Frage betrifft, so ist vor dem Hintergrund der zunehmenden Kreislaufwirtschaft nicht geklärt, was der Wert der unterschiedlichen Produkte für deren Besitzer ist. Aber wenn Abfall als wertvoller Rohstoff gehandelt wird, dann kann der Besitzer dieses Rohstoffes einen angemessenen Preis dafür erwarten. Im Fall der kommunalen Abfallsammlung sind hauptsächlich die Haushalte die Rohstoffbesitzer. Sie fallen aber nicht nur bei Kartellverfahren durch den Rost, sie bekommen auch keinen Cent für die Weitergabe ihres Rohstoffes. Schlimmer noch – private Personen als Rohstoffbesitzer werden mehrfach zu Kasse gebeten und sichern unentgeltlich den Profit nicht nur für die Verpackungsindustrie oder den Handel, sondern auch die Abfall-, Rohstoff und Energieindustrie. In nahezu jeder Ware steckt ein Preis für die Verpackung, die der Konsument bezahlt. Wenn der Konsument diese Verpackung über die Abfallwirtschaft entsorgt, wird daraus sofort werthaltiger Rohstoff und der Konsument muss dennoch Müllgebühr dafür zahlen. Wenn dieser Rohstoff beispielsweise für die Energiegewinnung in einer Verbrennungsanlage verwendet wird, dann bezahlt der Konsument die aus seinem Rohstoff gewonnene Energie. Der Rohstoffbesitzer zahlt also auf allen Ebenen. Nutznießer davon sind die, die den Rohstoff kostenlos bekommen oder für die „Entgegennahme“ auch noch bezahlt werden. Eric Schweizer, der deutsche Wirtschaftslobbyist und Unternehmer bringt es in einem Aufsatz auf den Punkt: Die Müllverbrennungsanlagen lassen sich ihren Brennstoff teuer bezahlen, sagt er. Zwischen 90 und 150 Euro/t. Vergleichsweise ist das laut Schweizer so, als würde Putin einem Gaskraftwerk in Deutschland Geld geben, damit dieses Gasprom-Gas verheizt. Staatliche Subventionen, die in vielfältiger Weise an Industrie und Unternehmen ausbezahlt werden, sind in der Rechnung noch gar nicht berücksichtigt. Hier ist, auch vor dem Hintergrund der hohen Energiepreise und den fast schon unanständigen Profiten der Wirtschaft, eine komplette Neuaufstellung der Geschäftsbeziehungen notwendig. Das heißt nicht, dass die Daseinsvorsorge der Kommunen ausgehebelt werden soll. Doch die Konsumenten als Rohstoffbesitzer, müssen am Milliarden Geschäft der Kreislaufwirtschaft teilhaben können. Und selbstverständlich haben sie bei Kartellverfahren als Geschädigte Anspruch auf Entschädigung. Neben der finanziellen Diskriminierung, trifft die Gesundheitsgefährdung zumindest jene, die im Umfeld von Müllverbrennungsanlagen leben. Das Worst-Case-Szenario ist also, dass ein „Rohstoffbesitzer“ nicht nur auf allen Ebenen für seine Ware bezahlt, sondern durch sie auch noch vergiftet wird.