Kommunaler „Bodenschutzplan“
Die Gemeinden haben neuerdings einen Plan! Das ist grundsätzlich eine gute Nachricht und Anlass für positive Medienberichte. Doch wie so oft, drücken Journalisten auf „Copy & Taste“ und geben Presseaussendungen unreflektiert wieder. Gefühlt gibt es dann unter dem Vorwand „Bodenschutz“ seit 2002 den 1000sten Bericht zum Kampf gegen Bodenfraß.

Was aber heißt es den Boden schützen? Was heißt Schutz in diesem Zusammenhang? „Normalen“ Menschen fällt da spontan ein, was sie schon als Kind gelernt haben. Den Müll nicht achtlos auf den Boden werfen. Das Auto nicht im Garten, sondern in der Waschanlage waschen. Im kollektiven Gedächtnis sind auch noch die verschiedenen Experimente über Bodenaufbau, Bodengesundheit oder Grundwasser. Sehr eindringlich und nachhaltig waren die Warnungen, dass man kein Öl, Farbe oder gar Chemikalien auf den Boden schütten darf. Jedem Kind ist also klar, Boden schützen heißt, ihn nicht zu verunreinigen. Die natürliche Bodenqualität erhalten. Dann wird alles gut. „Soil conservation“, das englische Wort für Bodenschutz, bezieht sich auch auf Verhinderung vom Bodenverlust durch Erosion, Versauerung, Versalzung oder chemische Bodenkontamination. Ungeachtet dessen versteht man unter Bodenschutz allerdings in der österreichischen Debatte hauptsächlich, man soll den Boden nicht versiegeln. Zubetonieren ist pfui! Das geht sogar so weit, dass die Bodenqualität völlig egal ist. Hauptsache der Boden wird nicht versiegelt. Das geht dann nämlich gegen den „Ertrag“. Den gilt es auf jeden Fall zu sichern – schon wegen der Versorgungssicherheit. Die Bodenqualität spielt da nur insofern eine Rolle, dass maximaler Ertrag durch „richtige“ Düngung erwirtschaftet werden soll. In welcher Qualität der Ertrag ist, steht auf einem anderen Blatt. Besonders hervorgetan haben sich in der eindimensionalen Sichtweise zuletzt ausgerechnet die Grünen. „Völlig vertrottelt“ nannte Werner Kogler die Verbauung von Böden und seine Umweltministerin assistierte pädagogisch wertvoll, „am Parkplatz wachsen keine Radieschen“. Ob die Radieschen genießbar sind, die neben der Industrieanlage im Garten wachsen, war bei den grünen Umweltexperten nie Thema. Aber, in 150 Jahren gibt es in Kärnten keinen Acker mehr, warnte die grüne Bäuerin Olga Voglauer im Kampf gegen den „Betongold-Rausch“, ohne auch nur ein einziges Wort über die Überdüngung zu verlieren. Immer war und ist der Grad der Versiegelung bestimmend für mehr oder weniger Bodenschutz. Das ist eine Scheindebatte. Wiewohl es natürlich nicht egal ist, ob Boden hemmungslos zubetoniert wird. Allerdings stellt sich die dringliche Frage, wie schützenswert ein Boden ist, der zum Beispiel bereits „klinisch“ tot ist?
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Bild: Peter Baumgartner
„Der neue Kommunale Bodenschutzplan bietet klare, praxisorientierte Lösungen, um den Flächenverbrauch in Österreich nachhaltig zu senken und den Kommunen bei der Planung und Umsetzung ihrer Bodenschutzmaßnahmen zu helfen“, lautet die aktuelle kommunale Botschaft. Man will künftig „sorgsam mit dem Boden umgehen“. Im Ergebnis soll dabei herauskommen, was bereits seit 2002 auf der Agenda steht: Bodenversiegelung auf 2,5 ha/Tag beschränken. Diesem Konsens ist das Österreichische Raumentwicklungskonzept (ÖREK) vorangegangen und diesem das Regierungsprogramm 2020 und jetzt steht es auch wieder im Regierungsprogramm 2025. Es gibt schon so lange und so viele schützende Hände über dem Boden, dass man meinen möchte, er ist eh der best gehütete Schatz der Menschheit. Tatsächlich ist die öffentlich ausgesprochene Wertschätzung sehr hoch. Basis für die Lebensmittelproduktion, Lebensgrundlage, zentrale Bedeutung usw. Die Unterschiede in den Aussagen kann man nur in Nuancen erkennen. So wollte die Kurz-Regierung noch „gesunde“ Böden vor Versiegelung schützen. Die neue Regierung begnügt sich generell mit Eindämmung der Versiegelung. Die Schutzbekundungen sind also sehr eindimensional und die praktische Umsetzung steht noch in den Sternen.
Aber die andauernde und medial unterstützte Debatte um den bösen Bodenfraß überschattet die EU-Bodenstrategie. Dort ist zwar auch der Flächenverbrauch ein wichtiges Thema, doch die EU-Bodenstrategie birgt eine ganze Menge zusätzlichen Sprengstoff. Herausforderungen, die in der heimischen Debatte vom Bodenfraß verdeckt werden. Da geht es um Wiederherstellung und Sanierung kontaminierter Flächen. Da geht es um lückenlose Bodenüberwachung. Es geht um rechtsverbindliche Ziele zur Bodengesundheit mit begleitender Forschung. Alles vor dem Hintergrund, dass die EU bis zu 70 Prozent der Böden in Europa als „nicht gesund“ einstuft. Bis 2050 soll sich das nach den Plänen der EU ändern. Man will bis dahin die Bodenverschmutzung auf ein Niveau reduzieren, dass nicht mehr gesundheitsschädlich ist. So schaut Bodenschutz aus. Das würde allerdings Unsummen kosten und außerdem zentrale Kompetenzen von Gemeinden, Ländern und Bund nach Brüssel verlagern (Subsidiarität). Deshalb wehrt sich Österreich dagegen und die grüne Umweltministerin Gewessler hat sich im Juni 2024 bei der Abstimmung zum Gesetz zur Bodenüberwachung höflich aber bestimmt der Stimme enthalten. In der Wirtschaft, in der Land- und Forstwirtschaft hat ihr das mächtig Punkte gebracht. Die Medien haben davon gar keine Notiz genommen. Das hätte schließlich den Fokus auf die nicht vorhandene Bodengesundheit richten können.

Bild: Peter Baumgartner
Der europäische Bericht über den Zustand der Böden in Europa (2024-The state of soils in Europe), zeigt alarmierende Trends der Bodendegradation mit gesundheitlichen Folgen. Der gemeinsame Bericht von EC Joint Research Center und EU Environment Agency, unterstreicht die Notwendigkeit sofortiger Maßnahmen, um noch eine Trendumkehr zu erwirken. In vielen Ländern fehlen jedoch noch immer umfassende Daten zur Bodengesundheit, insbesondere zur diffusen Verschmutzung. Auswirkungen auf die heimische Debatte hatte das keine. In Österreich verhindert eine fehlende Entscheidungs- und Lösungskompetenz die Zusammenführung der gemeinsamen Interessen von Bund, Ländern und Gemeinden. Stattdessen werden Umweltbelastungen nicht gemessen, ignoriert, nicht diskutiert oder gar klein gehalten. Es herrscht eine allgemeine Schweigespirale, die wirtschaftliche Interessen vor Gesundheits- und Umweltbelangen stellt. Anhand der einseitigen Bodendiskussion kann man erkennen, wie effektiv diese Politik ist, wie lange das „gut geht“ und welche Folgen das hat. Gleichzeitig sprechen wir über Schöpfungsverantwortung, zustehende Grundrechte, gemeinsame Regeln auf Basis der Verfassung, gültige Staatsziele und Konventionen. Doch all das bekommt man nicht automatisch. Und wenn etwas davon vor Gericht eingefordert wird, heißt das noch lange nicht, dass darüber verhandelt wird. All das ist möglich, weil eine weitgehend sedierte Bevölkerung es zulässt.