Jetzt das Richtige tun. Für Österreich

Medienmitarbeiter reagieren sehr sensibel, wenn sie kritisiert werden. Egal, ob die Kritik berechtigt oder Besorgnis zum Ausdruck bringt, die Reaktion ist immer „Angriff auf die Pressefreiheit“, „unabhängige Medien in Gefahr“ oder gar „demokratiefeindlich“. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Kritik findet kaum statt, weil Medien grundsätzlich die „Unfehlbarkeit“ für sich in Anspruch nehmen. Genau wie Politiker. Deshalb befinden sie sich im Vertrauensindex gemeinsam auf der Eselsbank.

Dass diese Platzierung durchaus berechtigt ist, zeigen immer wieder auch interne Kritiker der Medienmitarbeiter, die eigentlich schon aus Eigeninteresse keine Nestbeschmutzung betreiben wollen. Doch deren Sorge um die eigene Profession überwiegt und deshalb gehen viele an die Öffentlichkeit. Das zeigt auch, dass die Selbstreinigungskraft in der Branche fehlt und das innere Vertrauen auf Lösungskompetenz beschädigt ist. Das Gefühl, als Medienkonsument einem Informationskartell ausgeliefert zu sein, wird von der Grande Dame des Journalismus, Anneliese Rohrer, bestätigt. Sie nennt es offen „Copy & Paste-Journalismus.

Sebastian Loudon, Verleger des angesehenen Magazins „Datum“, hat Ende Jänner in DieZeit diktiert, „Zu viele, auch angesehene Medien, haben in der Vergangenheit das Prinzip der Äquidistanz aus den Augen verloren.“ Loudon spricht von andauernder Verhaberung und tief reichenden wirtschaftlichen und strategischen Verflechtungen mancher Medienunternehmen mit der Politik. Eike-Clemens Kullmann, oberster Journalisten Gewerkschafter, macht das Verhalten einiger Kollegen bereits sprachlos. „Rufschädigend“ nennt er deren Verhalten und es sei kein Wunder, dass das Vertrauen in die Medien schwindet. Jeder Anflug von Verhaberung ist zu vermeiden, fordert der Gewerkschafter von seinen Mitgliedern. Gleichzeitig verlangt Kullmann auch eine Fehlerkultur, um Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Die Liste der „Nestbeschmutzer“ ist lang und prominent. Man kann Medienexperten wie Prof. Stephan Russ-Mohl nicht einfach als „Kannibalen“ abkanzeln, wenn er sagt, Journalisten hätten ihre Schleusenwärterfunktion eingebüßt und den öffentlichen Raum nur noch bedingt unter Kontrolle. Der angesehene Chefredakteur Hubert Patterer bekannte 2024 in Anspielung auf die moralische Aufladung des Berufsverständnisses, „wir verwechseln Pädagogik mit Journalismus“. Ein bemerkenswert offenes Bekenntnis. Ebenso wie seine Forderung, es soll Schluss sein mit Medienförderung als Boulevardförderung und Anzeigen gegen Wohlverhalten. Keine „Deals“, sondern Medienförderung nach transparenten Qualitätskriterien, lautet der Apell von Hubert Patterer. Edith Meinhart, eine mehrfach ausgezeichnete Journalistin und Autorin, zeichnet ein düsteres Bild, wenn sie aus dem Kesselhaus der Medienhandwerker berichtet. Unter ökonomischen und politischen Druck wird jeder gegen jeden ausgespielt. Klicks und schneller Zitier-Ruhm sind das Maß aller Dinge.

Um die Möglichkeit zu bekommen, in Österreich Medienvielfalt konsumieren zu können, muss man schon in der Bundeshauptstadt leben. Quelle: Peter Baumgartner

Die neue Regierung will jetzt „Das Richtige tun“ und hat die Förderung zur Stärkung des Medienstandortes und der Medienvielfalt ins Regierungsprogramm geschrieben. Der Fokus soll auf Qualitätsjournalismus gerichtet sein. Doch ist das, was die kritisierenden Insider bisher gesagt haben Qualitätsjournalismus? Wohl eher nicht. Qualität ist derzeit in den Medien noch immer ein Begriff, der der Eigendefinition überlassen ist. Selbst Medien, die vom eigenen Presserat laufend kritisiert werden, nennen sich Qualitätsmedium. Diesen Medienstandort und diesen Qualitätsjournalismus will die neue Regierung dennoch unverdrossen stärken und die hiesige „Medienvielfalt“ erhalten. Eine österreichische Medienvielfalt von der die UNESCO sagt, sie stellt eine erhebliche Gefahr für dessen Funktionsfähigkeit dar und ist demokratiegefährdend(!). Und zwar deshalb, weil wir eine starke Konzentration am Medienmarkt haben. Die österreichischen Redaktionen spiegeln die gesellschaftliche Vielfalt nicht wieder, stellt die UNESCO schonungslos fest. Der Media Pluralism Monitor (MPM 2024) dokumentiert gar ein „extrem hohes Risiko“ für den Medienpluralismus – und das schon über viele Jahre hinweg. Was genau ist eigentlich mit dieser schwerwiegenden Kritik gemeint? Abgesehen vom Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk (ORF), der selber auch häufig im Fokus unterschiedlicher Kritik steht, in der Debatte geht völlig unter, dass die ohnehin schon schüttere Medienvielfalt in Österreich, neben Raiffeisenbank und Kirche, in der Hand von ein paar einflussreichen, reichen Privatpersonen liegt. Sie stehen als winzige Minderheit im Hintergrund für die Meinungsführerschaft in Österreich und lassen sich ihr Hobby vom Steuerzahler (mit)finanzieren. Am Pranger stehen ihre Journalistinnen/Journalisten, die abhängigen Handwerker, die die Pfeile abfangen müssen. Das Ergebnis von all dem ist laut UNESCO ein allgemeines Vertrauen in die österreichischen Medien, das bereits auf magere 35 Prozent gesunken ist. Das hindert die neue Regierung aber nicht daran in das Regierungsprogramm zu schreiben, dass genau diese Medienunternehmen zu unterstützen sind.

Die flächendeckende Zeitungszustellung in den Regionen soll sichergestellt sein; dafür wird ein Fördermodell zur Stärkung analoger Vertriebswege entwickelt.“ (Regierungsprogramm 2025-2029); Bild: Hauptbahnhof Klagenfurt Zeitungskiosk geschlossen. Quelle: Peter Baumgartner

An dieser Stelle könnte man sagen, das ist der Status quo, seien wir doch froh, anderswo ist es noch viel schlimmer. Und das ist gar nicht gelogen. Das Problem ist nur, dieser Status wird gerade mit aller Konsequenz in der nächsten Generation fortgeschrieben. Dieser „Qualitätsjournalismus“, der oben besprochen wurde, soll nach den Wünschen der neuen Regierung, jungen Menschen, Schülern und Lehrlingen, kostenlos zugänglich gemacht werden. Damit macht sich die Regierung zum „Dealer“ von Medienunternehmen, vor deren Inanspruchnahme man vorher besser Arzt oder Apotheker konsultieren sollte. Aber vielleicht wird gerade deshalb parallel zum kostenlosen Zeitungsabo das psychosoziale Angebot an Schulen ausgebaut. Vordergründig soll der medienpolitische Vorstoß, Jugendliche vor falschen Informationen aus den Sozialen Medien schützen. Dieses Ziel verfolgt die Medienpolitik aber schon länger – reichlich erfolglos. Das Verhalten der Schüler wird radikaler, sagt die Bildungsdirektorin Isabella Penz. Das Ergebnis bisheriger Medienbildungsarbeit ist, dass viele Schüler demokratische Werte ablehnen. Und jetzt reagiert die neue Bildungspolitik darauf mit kostenlosen „richtigen“ Informationen, die kaum noch jemand liest und von denen interne und externe Experten aus genannten Gründen wenig halten. Doch die Idee, Qualitätsjournalismus zu fördern und den Zugang zu erleichtern, ist grundsätzlich zu begrüßen. Man müsste den Jugendlichen dann aber konsequenterweise anerkannte ausländische Zeitungen anbieten. Wenn man nämlich nicht gerade in der Bundeshauptstadt lebt, wird es schwierig, internationale Meinungsvielfalt kaufen zu können. Selbst in den Landeshauptstädten wird die Suche nach ausländischen Medien zum Hürdenlauf. Sogar Medien anerkannter und geförderter Volksgruppen sind eine Rarität. Man muss sich schon wirklich kümmern, um etwas von den Volksgruppen zu erfahren. „Jetzt das Richtige tun. Für Österreich“, klingt aus der Sicht von wissbegierigen Medienkonsument nach einer gefährlichen Drohung. Karl Valentin, der Münchner Wortakrobat hat darüber philosophiert, dass jeden Tag genau so viel passiert, wie in eine Zeitung passt. Heute würde er dichten, dass jeden Tag genau so viel in der Zeitung steht, wie die Medienmoguls preisgeben möchten.

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