Sozial schwach sagt man nicht?

Stimmt. Tatsächlich sagt die Armutskonferenz „sozial schwach“ gehört zu den Unwörtern. Wer arm ist, ist deshalb nicht grundsätzlich auch sozial schwach. Umgekehrt trifft man oft auf materiell reiche Menschen, die nur „selektiv sozial“ sind. Letztendlich geht es in der Frage sozial ja/nein zunächst darum, nicht delinquent zu werden. Delinquent UND selektiv sozial sind aber häufig anzutreffen.

 „Kelag senkt Tarife für Einkommensschwache“, titelte die Kleine Zeitung am 26. Jänner 2025. Gemeint sind nach offizieller Übersetzung, Mitglieder der Gesellschaft in „finanzieller Notlage“, die sich das Leben nicht leisten können – oft trotz Vollbeschäftigung. Ergänzend zur „Sozialsäule“, wie die Kelag extra betont. Als Kärntner Konzern legt man nämlich Wert darauf, schon lange seiner „sozialen Verantwortung“ gerecht zu werden und schaut gemeinsam mit Hilfsorganisationen, dass nirgendwo die Lichter ausgehen oder die Küche kalt bleibt.

 Das Gleichnis der anvertrauten Talente, Jan Luyken (1649-1712), gemeinfrei

Die Schlangen vor den Caritas Stellen werden trotzdem nicht kürzer, sondern immer länger und wer da „Bedürftigkeit“ per Antrag nachweisen kann, dem wird tatsächlich (einmalig) geholfen. Obwohl es viele „Soziale Verantwortungs Organsitationen“ (SVOs) gibt, die haben alle Hände voll zu tun. Sie sind die Kassastelle für wirtschaftliche und für politische Verantwortungsträger. Die Reihenfolge der Zuständigkeiten ist zielgerichtet geregelt. Die Armut ist sozusagen parzelliert. Die Eck-Grundstücke gehören der Landesregierung und der Kelag. Es drängt sich der Verdacht auf, da soll die Armut nicht beseitigt, sondern verwaltet werden. So kann man auch den letzten Armutsbericht verstehen. Die politischen Verantwortungsträger beschließen Gesetze, wonach die wirtschaftlichen Verantwortungsträger ihre (unanständige) Preispolitik gestalten. Allerdings stehen diese Unternehmen ohnehin meist im Landeseigentum – sind also „Landesenergieversorger“ die ihre eigenen Besitzer verarmen lassen. Gesellschaftsrechtlich ist das sehr spannend. Diese öffentlich/privaten Unternehmen suchen sich dann ihrerseits „Miteigentümer“ aus, die dann 3-fach zu Dank verpflichtet werden und das möglichst bei der Wahl mit dem Kreuzerl an der richtigen Stelle zum Ausdruck bringen sollen. Das System könnte man „Neo-Feudalismus“ nennen, weil die Ursprungsform schon ein paar Hundert Jahre zurückliegt. Aber wie man sieht, was sich bewährt hat, kann sich lange halten und ist nicht leicht zu verändern. Es gibt inzwischen zwar Menschenrechte – aber nur auf Antrag. Einige Seiten ausfüllen heißt da „Hosen runter“ und für manche Bedürftige ist das eine unüberwindbare Herausforderung. Man sagt, die „Non-Take-Up Quote“ ist hoch. Viele pfeifen drauf und stellen erst gar keinen Antrag.

Was aber bei der ganzen Geschichte so gar nicht ins Bild passt ist die Tatsache, dass bei der Antragstellung für lebensnotwendige Unterstützungen noch kein amtlicher Stimmzettel beigelegt wird. Auch der Antrag zur Parteimitgliedschaft mit der Erlaubnis zum Bankeinzug fehlt! Das ist ineffizient und führt zu einer anderen Erklärung der „immerwährenden Armut“: Der sogenannte „Matthäus-Effekt“. Er macht auch deshalb Sinn, weil viele kirchliche oder halbkirchliche Organisationen in der „Armutsbekämpfung“ eine zentrale Rolle spielen. Die kennen sich sozusagen mit dem Gleichnis von den Talenten gut aus. „Wer hat, dem wird gegeben, wer nichts hat, dem wird auch das genommen, was er noch hat.“ Also zum Beispiel die Würde. „Schmeißt ihn hinaus in die Finsternis“ (dreht ihm den Strom ab), dann wird er „heulend und Zähne knirschend“ wieder auf Knien kommen. Bei Lukas kommt auch die Wahl zum Landeshauptmann ins Spiel: „Bringt meine Feinde her und macht sie nieder“. Auch der „Herr“ in diesem Gleichnis von den Talenten begegnet uns heute oft: Er erntet, wo er nicht gesät hat und er sammelt, wo er nichts ausgestreut hat.

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