Das Transitforum Austria-Tirol ist Muckraker des Jahres 2024

Das Transitforum Austria-Tirol (TAT) besteht seit nunmehr 30 Jahren (11. August 1994) und zählt damit zu den ältesten Bürgerrechtsbewegungen im Land. TAT kommt vom Tun. Und was TAT tut, ist ein bis heute andauernder, unverminderter Kampf gegen die Verkehrsauswirkungen im Inntal. Sieben EU-Kommissionen, vier Tiroler Landeshauptleute und siebzehn Verkehrsminister hat der Verein über die Jahrzehnte „verbraucht“.

Sich für die Interessen der betroffenen Bürger einzusetzen und ihre Rechte einzufordern, ist die verbriefte Aufgabe, der sich der gemeinnützige Verein unter der Leitung von Fritz Gurgiser (Obmann) und DI Franceschinel Clemens (Stellvertreter) gestellt haben. Seit 2006 ist das „Transitforum Austria-Tirol, Verein zum Schutz des Lebensraumes in alpinen und voralpinen Regionen sowie Flachländern“ auch eine anerkannte Umweltorganisation mit dem Recht auf Parteienstellung bei Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP). Mit dieser Berechtigung kann sich TAT auch für andere Bürgerbewegungen einsetzen und tut das auch ganz im Sinne von Gemeinwohl. Von Anfang an war dem Verein klar, dass Gerechtigkeit keine Selbstverständlichkeit ist, sondern eine Machtfrage. Darum wurden von Beginn an unmissverständliche Zeichen gesetzt und bei Großdemonstrationen machtvolle Präsenz gezeigt. Im Laufe der Vereinsgeschichte gibt es keine Anzeichen dafür, dass man das Unvermeidbare nur hinauszögern wollte. Vielmehr war und ist offensichtlich, die Bürgergesellschaft hat Ziele, für deren Erreichen zwar nicht kompromisslos, aber zielstrebig gekämpft wird. Kritiker des Vereins wenden ein, dass die Beseitigung der Verkehrsbelastung trotz intensiver Arbeit nach 30 Jahren noch immer nicht erreicht ist. Tatsächlich ist allein der LKW-Verkehr von 850.000 Fahrzeuge/Jahr auf 2,5 Mio. angestiegen. Dennoch gehen auf das Vereinskonto auch zahlreiche Erfolge, die ohne den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der geplagten Region nicht hätten erreicht werden können. Was immer von wem und wann im Inntal entschieden wird, es ist allen klar – am Transitforum in Tirol führt kein Weg vorbei.

Österreichs Beitritt zur Europäischen Union, der sich zeitgleich mit der Vereinsgründung des Transitforums abgespielt hat, verstärkte den Bedarf an Bürgerbeteiligung weit über das zu erwartende Ausmaß hinaus. Plötzlich sahen sich nämlich selbstbewusste und bodenständige Bürgerinnen und Bürger einer europäischen Macht gegenüber, auf deren Fahnen stand Liberalisierung und Harmonisierung. Plötzlich ging es nicht mehr nur um „den Brenner“, sondern um die europäische „Lebensader“ zwischen München und Verona. Für persönliche Befindlichkeiten war da kein Platz mehr. Handelshemmnisse, Kontingente, Grenzbehinderungen – alles nur noch Eigenbröteleien, die in einem vereinten Europa wie Unkraut entwurzelt werden müssen. Die „Kabotage“, vorher ein machtvolles Instrument für einzelstaatliche Regelungen, war plötzlich Sand im europäischen Transportgetriebe. All das war vor dem EU-Beitritt sichtbar und konnte die Verheißung vom künftigen Land, wo Milch und Honig fließen werden, dennoch nicht verhindern. Zu verlockend klangen die Versprechungen und tatsächlich konnten zunächst da und dort sogar auch noch ein paar Datteln dazu verhandelt werden. Ich dachte, sagte die glühende Prophetin Brigitte Ederer viele Jahre später, die bestehenden Probleme werden sich von selber lösen. Schließlich sprach sich Österreich am 12. Juni 1994 eindeutig (66,6 Prozent) für den EU Beitritt aus und sogar die Tiroler votierten mit Mehrheit (56,7 Prozent) für die drohende Verkehrslawine – für den „Sound of Europe“. Dabei musste allerdings sogar Erzbischof König etwas nachhelfen, die Tiroler an die Christenpflicht erinnern und die „großen Zusammenhänge“ erklären.

Die Folge davon ist ein lebenslanger Kampf der tapferen Tiroler, wie man es eben von den Nachfahren eines Andreas Hofer erwartet. Dabei ist für das Transitforum die Gesundheit der Bevölkerung ein nicht verhandelbares Ziel. Doch ist es ein Ziel, dass allein Aufgabe und Verantwortung einer Bürgerinitiative ist? Logisch gedacht müsste man mit Nein antworten. Der Schutz der Bevölkerung und das Recht auf Leben, ist immer noch eine gesamtstaatliche Aufgabe und keine Nebenbeschäftigung für pensionierte Wutbürger. Inzwischen steht zwar sogar schon das „Recht zu sterben“ zur Diskussion, aber nicht das „Recht zu töten“. Wenn also wissenschaftlich außer Streit steht, dass es in Tirol jedes Jahr „hunderte Tote durch Feinstaub“ gibt, dann ist das kein Freitod. Bürgerbewegungen entstanden und entstehen immer dort, wo die staatliche Fürsorgepflicht versagt. Gemeinwohl und Gemeinnützigkeit sind aber niemals ein Freibrief für staatliches Versagen.

Wir sind der Meinung, das Transitforum Austria-Tirol hat den MUCKRAKER-2024 mehr als verdient. Wir gratulieren dankbar zur beispielhaften Gemeinschaftsarbeit des Vereines und wünschen, dass die hoch gesteckten Ziele bald erreicht werden können.

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