Technologieoffenheit – mit Scheuklappen
Am 12. Jänner 2025 werden in Kärnten 427.323 Wahlberechtigte befragt, was sie von Windkraftanlagen halten. Der Text der Volksbefragung lautet: „Soll zum Schutz der Kärntner Natur (einschließlich des Landschaftsbildes) die Errichtung weiterer Windkraftanlagen auf Bergen und Almen in Kärnten landesgesetzlich verboten werden?“ Ein kostspieliger, aber untauglicher Versuch, die direkte Demokratie zu fördern.
Der „Rohstoff“ Wind steht unerschöpflich zur Verfügung – wenn nicht gerade Flaute herrscht. Man braucht ihn praktisch nur „ernten“, sagen die Fürsprecher. Außer den (geförderten) Baukosten, verursachen Windräder kaum externe Kosten. Das macht die Windenergie für Investoren so attraktiv und sichert ihnen die Unterstützung der Finanzindustrie. Allerdings braucht man für die Ernte des Rohstoffes Wind „Schaufeln“ und die sind das Problem. Außerdem muss die Windenergie zum Abnehmer transportiert werden. Vor allem industrielle Abnehmer gibt es auf den Almen ja zum Glück (noch) nicht. Deshalb wird auch die „saubere“ Windenergie nicht überall mit offenen Armen empfangen. Die betroffene Bevölkerung nach ihrer Meinung zu fragen, ist also durchaus ein probates Mittel, um die Akzeptanz oder Ablehnung demokratisch herbeizuführen. Doch ganz so einfach ist es nicht. Wen soll man zum Beispiel bei einem Windpark fragen? Ein ganzes Land, oder nur die Almbauern? Wer ist betroffen? Jemand, der gar nicht weiß, wo die Alm genau liegt, oder alle, die die Windräder in Sichtweite haben? Da geht es viel um Solidarität und die erfordert einen Lastenausgleich. Ein Anspruch, der gerade in Kärnten praktisch nicht vorhanden ist. Und dann ist es mit einer reinen Volksbefragung auch noch nicht getan. Ist das Ergebnis verbindlich, oder nur eine unverbindliche Übung? Die Initiatoren der Kärntner Windkraft-Volksabstimmung (und Gegner der Windräder) sagen, „Du kannst eine wichtige Entscheidung treffen“, „Deine Stimme zählt“. Die Befürworter der Windenergie sind mit den Befragten per Sie und sagen, „Ihre Stimme zählt“, „Sie entscheiden am 12. Jänner über die Zukunft Kärntens“. Beide Umwerbungen sind falsch, denn das Ergebnis ist, egal wie es kommt, nicht verbindlich. Selbst wenn sich deutliche Mehrheiten ergeben, führt das nicht automatisch zu einer Entscheidung. Die Ausgangsposition vor der Abstimmung ist also, beide Seiten betreiben eine offene Instrumentalisierung der direkten Demokratie und Schindluder mit Wählerstimmen. Dass dieses „windige Demokratieverständnis“ nicht von Gott gewollt ist, zeigen jedoch Beispiele andernorts, wo das Ergebnis einer Windkraft-Volksbefragung sehr wohl verbindlich gehandhabt wurde.
Dazu kommt, dass in Kärnten keine Partei generell gegen Windenergie ist, sondern nur unterschiedliche Vorstellungen über den „richtigen“ Standort hat. Alle sind eigentlich auch ganz im Sinne der notwendigen Energiewende für einen „gesunden Energiemix“. Namhafte Experten verlangen ein „mehrdimensionales Denken und Handeln“ und sogar die Sozialpartner haben schlau erkannt, ein „umfassender Energiemix“ ist die Zukunft. Der kluge Landes-Kaiser von Kärnten behauptet gar, Energiemix befreit uns von der Atomenergie – wissend, dass sein deutscher Energiepartner genau davon lebt. Trotzdem, bis zur Fahnenweihe „Technologieoffenheit“ herrscht Einigkeit unter den Betroffenen. Doch dann trennen sich die Wege. Plötzlich wird aus dem Energiemix nur noch Sonne, Wind und Wasser. Technologieoffenheit beschränkt sich plötzlich auf ganz wenige Alternativen, die leicht erkennen lassen, wessen Interessen dahinterstehen. Das unterschwellige Verhindern einer tatsächlichen Technologieoffenheit wird schon bei der bunten Gestaltung für „Bildungsmaterial“ im Kindergarten sichtbar und setzt sich in allen Schulformen fort. Über allen Informationen steht ein Dogma und das lautet, wir müssen uns gegen den enorm wachsenden Energiebedarf wappnen. Es ist unumstößlich und verbindlich, der Energiebedarf kann und wird nur zunehmen. Das ist quasi ein Totschlagargument für jede Effizienzsteigerungsmaßnahme und Energieeinsparung. Das ist Marktwirtschaft. Nicht sparen, nicht vermeiden – konsumieren und verbrauchen. Den Bedarf deckt die (Sau)Wirtschaft und für die Kaufkraft sind die Gebührenzahler zuständig.
Als gelernte Österreicher weiß man, jede Verflechtung von Wirtschaft und Politik ist korruptionsanfällig. Überall, wo PEPs (politisch exponierte Personen) involviert sind, besteht Betrugsgefahr, oder dass Steuergeld unkontrolliert die Taschen, oder Grund und Boden willkürlich den Besitzer wechselt. Die Frage, hat die Windenergie etwas mit Korruption und Schmiergeld zu tun, ist daher nicht ganz unberechtigt. Ein Kärntner Nationalrat sah sich 2024 sogar schon genötigt, juristisch zu klären, ob denn die gängigen Bewilligungspraktiken bei der Errichtung von Windkraftanlagen überhaupt rechtens sind. Tatsächlich geht es da um ziemlich heikle juristische Fragen. In Oberösterreich klebt ein Landtagsabgeordneter auf der Fährte von vermeintlich unsauberen Geldflüssen in der „windigen“ Wirtschaft. So unschöne Begriffe wie Bestechung, Geschenkannahme und Vorteilszuwendung, Beeinflussung von Amtsträgern stehen da im Raum. Abgesehen davon, dass Grundstückseigner gutes Geld mit Pachtverträgen und Nutzungsrechten machen, kann sich nämlich auch eine Gemeinde ein schönes Körberlgeld mit der Zustimmung für Windparks erwirtschaften. Scholle oder Investment wird zur bäuerlichen Existenzfrage. „Wir könnten 30.000 Euro Entschädigung pro Windrad/Jahr bekommen“, sagt ein Bürgermeister in Niederösterreich und rechnet gleich vor, was das bei den 13 geplanten Windrädern in der Gemeindekasse bringt und was er damit finanzieren könnte. Offensichtlich hat der Gesetzgeber schon situationselastisch reagiert und „Entschädigungen“ in bestimmten Fällen legalisiert. Auch juristisch sattelfeste Gemeinden finden und fanden Wege, um Geldzuwendungen konform zu verbuchen. Fakt ist, Projektwerber können durch „Entschädigungen“ Entscheidungshilfe in den Gemeindestuben bieten. Das ist jetzt zwar nicht auf Windparks allein beschränkt, aber es wirft besonders da eine zentrale Frage auf: Wenn sich die Wirtschaft durch bestimmte Formen von Geldleistungen Vorteile gegen allgemeine Umweltinteressen erkaufen kann, steht dieses „Recht“ dann auch Bürgern zu? Könnte zum Beispiel eine Bürgerinitiative sagen, nein, wir wollen den Windpark nicht und für die Ablehnung finanzieren wir die Renovierung des örtlichen Freibades? Ungeahnte Gedankenspielereien und spannende demokratische Varianten kommen da auf. Gewissermaßen könnte man das sogenannte „Floriani-Prinzip“ auf diese Art ver- oder entschärfen. Bevor jemand sagt, „Heiliger Sankt Florian, verschon‘ mein Haus, zünd‘ and’re an“, müsste er oder sie in die Brieftasche schauen, ob man sich den Beteiligungsunwillen überhaupt leisten kann.
Beim Match um das Ergebnis der Volksbefragung in Kärnten, dürfte es derzeit bei einem Punktestand von 5:0 für die Windrad Befürworter stehen. Sie fluten nämlich seit Wochen die Medien mit Unsummen an Werbegeldern. Ein eigener (gemeinnütziger) Verein kümmert sich darum, dass ein „Windkraft-Verbot“, das gar nicht zur Debatte steht, abgelehnt wird. Die Fraktion der Windkraftbefürworter wird in Kärnten hauptsächlich durch die Wirtschaft in Person der Wirtschaftskammer und deren Verein, sowie durch die Sozialpartner, SPÖ und GRÜNE geprägt. Die „Gegner“ der Windräder auf den Bergen und Almen, die FPÖ, das Team Kärnten und der Alpenverein, werden immerhin von 35 Prozent der Wähler (Landtagswahl 2023) repräsentiert. Sie setzen offensichtlich weniger auf Plakat/Medienwerbung, dafür aber auf die bewährte Mobilisierung der eigenen Sympathisanten. Beide verstehen jedoch das Prinzip der Angstmache und nutzen die „drohenden Energiekosten“ auf ihre Art. Und alle Parteien beherrschen die Tricks, die ihnen schon die US-Ölindustrie vor Jahrzehnten gelehrt hat, um das zu verhindern, was gerade nicht dem eigenen Vorteil dient. Dadurch können sich in anderen Bundesländern auch ganz andere Interessenskonstellationen ergeben. Während ÖVP/FPÖ in Kärnten getrennt marschieren, pflegen sie in Oberösterreich in der gleichen Frage einen Paarlauf usw. Überraschend kommt diese Dummheit gerade in der Energiemarktsituation deshalb daher, weil die Liberalisierung am Strommarkt ohnehin schon flächendeckend in Europa ist. Energie wird auf europäischer Ebene gehandelt und das Energienetz ist bestrebt, das Angebot zu jeder Zeit und überall verteilen zu können. Sogar übergeordnete Regeln, wie die Renewable Energy Directive (RED) III, zwingen zur Zusammenarbeit. Warum es dann zum Beispiel bei der Errichtung von Energieparks selbst zwischen Nachbarländern keine enge Zusammenarbeit gibt, entbehrt jeder Grundlage. Gerade das würde doch Kosten sparen und die Umwelt schonen. Warum müssen auf einem Gipfel am gleichen Ort zwei voneinander völlig unabhängige Windparks errichtet werden, nur weil eine Landesgrenze dazwischen durchläuft? Leider gibt es noch keine Windräder für verstaubte Planungsbüros und Amtsstuben. Sie hätten eine Durchlüftung und positive Energie dringend nötig.