Nachricht
Mehrere aufeinander folgende Feiertage haben eine daraus resultierende Konsequenz – es gibt weniger Zeitungen. Die gewohnte Tageszeitung fällt plötzlich aus. Es herrscht „Nachrichtensperre“. Wonach soll man sich dann richten, wenn es keine Nachricht gibt? Auf dem ersten Blick mag das vielleicht eine philosophische Frage sein, weil heute natürlich niemand mehr auf eine Tageszeitung angewiesen ist, um sich „nach etwas zu richten“. Vielmehr ist es umgekehrt so, dass man Nachrichten nicht mehr entrinnen kann und trotzdem sich nach nichts richten kann.
Doch es ist noch nicht so lange her, in einer Zeit, als ich viel in Osteuropa unterwegs war, gab es über Tage und Wochen keine (deutschsprachige) Nachrichten. Internet und Smartphone gab es nicht und Telefon nur mit Voranmeldung am Postamt. Natürlich konnte man ausländische Zeitungen, Radio oder TV konsumieren, doch wer schon mal eine ungarische Zeitung gelesen hat weiß, der Nachrichtenwert ist schwer zu erkennen, wenn man die Sprache nicht beherrscht. Deutsche, oder gar österreichische Zeitungen suchte man jenseits des Eisernen Vorhangs vergeblich. Im TV gab es nur den Conducator Ceausescu oder jugoslawische Volksmusik. Deutsche Radionachrichten musste man auf Kurzwelle mühsam suchen – und justierend verfolgen. Trotzdem, dieser nachrichtenlose Zustand war für mich eine gewisse Erleichterung – und ich hatte nicht den Eindruck, dass es eine Einzelmeinung war. Für mich war es tatsächlich entspannend, etwas Abstand von den alltäglichen Nachrichten zu bekommen, die gefühlt ohnehin nur schlechte Informationen brachten. Es war also rückblickend nicht den sozialen Medien geschuldet, dass man die Schnauze voll hatte von den Nachrichten, die einen rund um die Uhr verfolgten. Doch nach einigen Tagen habe ich bemerkt, das Verlangen nach aktuellen Nachrichten ist größer als die Entspannung durch Unwissenheit. Und ich fand Mittel und Wege, auch im tiefsten Osten halbwegs aktuelle Zeitungen aus Österreich zu bekommen.
Präsident Theodor Roosevelt hat in seiner ambivalenten Beziehung zum Journalismus gesagt, dass es durchaus wichtig ist, wenn Medien Missstände aufdecken. Das Ziel sollte jedoch sein, dass es danach für den Einzelnen und für die ganze Nation besser wird. Weil, so Roosevelts Begründung, sonst bekommt man das Gefühl, dass die ganze Welt nichts als Dreck ist. Inzwischen sind schon ein paar Jährchen vergangen und leider hat man das Gefühl, die ganze Welt IST Dreck. Sind jetzt die Zeitungen mit ihren Nachrichten dafür verantwortlich, oder werden die Nachrichten von den Dreckmachern nicht entsprechend gewürdigt? Medienexperten können darüber wahrscheinlich ein Buch schreiben. Ein Experte hat gemeint, Medien vermitteln ein „untergründiges Beben“ und verursachen eine „konstante Verstörung“. Doch auch diesem Experten muss man die Frage stellen, ist das Geschehen, oder das Berichten darüber Auslöser für Beben und Verstörung?
Unbestritten dürfte wohl sein, Fake News und sonstige Spinnereien ausgenommen, es wird der menschlichen Auffassungsgabe schon ziemlich viel abverlangt. Und die globale Einsicht auf die Zustände macht es nicht gerade leichter. Unbestritten ist auch, dass der Journalismus in ganz vielen Bereichen Verbesserungsbedarf hat. Der sogenannte „Qualitätsjournalismus“ hängt ganz bestimmt nicht von der Medienförderung ab. Im Gegenteil. Doch was wir mehr den je brauchen ist nicht keine Zeitung oder keine Nachricht, sondern Medienkonsumenten die ihre Rechte als zahlende Kunden aktiv einfordern. Vielfach ist es doch so, dass bedrucktes Papier als Zeitung und als Nachricht verkauft wird und in Wirklichkeit aber nur eine Ansammlung von Vakatseiten ist. Früher hat man damit auf dem Klo seine erste Erfahrung mit der „Medienanwendung“ gemacht. Also nein, Medienverzicht oder Nachrichtenverweigerung ist keine Lösung. Ich persönlich bin schon froh, wenn die täglichen Nachrichten eine Nachjustierung der eigenen Meinung erlauben. Ein „Danachrichten“ halte ich für Utopie.