9 Betonschätze
Text: Peter Baumgartner
Greenpeace hat unter großer medialer Aufmerksamkeit die „Gewinner“ der österreichischen Bodenversiegler gesucht – und wurde erwartungsgemäß fündig. Neun 1. Plätze, für jedes Bundesland ein Beispiel stellvertretend für viele Nominierungen, durften sich über den zweifelhaften Ruhm und einen goldenen Betonmischer freuen.
In Kärnten wandert der „Pokal“ nach Villach-Federaun. Dort ist zwar noch nix passiert, aber der SPÖ-Bürgermeister ist wild entschlossen, sich den goldenen Betonmischer zu verdienen. Angrenzend an das örtliche Naturschutzgebiet, soll hier auf einem fruchtbaren Acker ein Logistikzentrum gebaut werden. Die örtliche Bürgerinitiative „Rett ma die Schütt“ kämpft zwar mit wechselndem Erfolg dagegen an, doch letztlich dürfte sich die politische Macht wohl durchsetzen. Allein die Dümmlichkeit des Projektes erweist sich schon als würdiger „Sieger“ der Greenpeace-Aktion. Nicht nur, dass hier angrenzend an das Naturschutzgebiet ein Acker geopfert werden soll, es gibt dort auch keinen Bahnanschluss. Den gibt es vis a vis im größten Logistikzentrum von Kärnten schon und dort könnte man auch noch Platz für ein zusätzliches Logistikzentrum finden. Doch nein, der Bürgermeister will sich ein eigenes Betondenkmal setzen.
Am Greenpeace-Publikumsvoting nahmen auch vier Expertinnen teil. Erwartungsgemäß kam man zur Conclusio, Österreich versiegelt täglich zu viel wertvollen Boden – mit allen negativen Folgen. Keine Frage, inhaltlich kann man Greenpeace und den Expertinnen zur genauen Problemanalyse nur gratulieren. Doch zwei Fragen beschäftigen mich in diesem Zusammenhang und verzerren das Gesamtbild. Da ist zunächst die Frage nach dem Adressaten der Kritik. Der allgemeine Sprachgebrauch lautet, „Österreich tut“. Doch Österreich ist keine Person und so wird auch von Greenpeace unterschwellig transportiert, es sind wohl die Beamten angesprochen, die gewünschte Versiegelungen zulassen. Folglich gehören neben den bösen Buben in den Amtsstuben, die Unternehmerinnen mit ihren absurden Begehrlichkeiten zu den „Schuldigen“. An dieser Stelle scheiden sich jedoch die Geister. Denn wenn man die Finanzkonstruktionen von Konzernen und die nachfrageorientierte Angebotslogik berücksichtigt, dann sind wir alle „schuld“ an der Versiegelung. Und wenn diese Überlegung nicht ganz falsch ist, sollte man die Botschaft nachschärfen und fokussieren.
Was mich aber noch viel nachdenklicher stimmt ist die Wahrnehmung, dass wenn man in Österreich von „Bodenschutz“ spricht, egal wann und wer, dann ist immer die böse Bodenversiegelung gemeint. Doch schützen muss man ja nur was man liebt und schützenswert ist. Wenn ein Boden also bereits verseucht und kontaminiert ist und es gar keine Bereitschaft oder Möglichkeit gibt, ihn wieder zum Leben zu erwecken, warum soll ich ihn dann schützen. Da kann ich ihn doch auch gleich versiegeln, „dann hat der Dreck a Ruh“. Ein Beispiel: Ein gerichtlich beeideter Sachverständiger attestiert der Stadt St. Veit an der Glan durch neun Bodenproben belegt, eine erhebliche Bodenbelastung durch Schwermetalle und alles, was Gott und die Welt sonst noch verboten hat. Die Vermutung liegt nahe, so der Sachverständige, es liegt eine anhaltende Belastung vor. Doch niemand stört das. Auch Greenpeace nicht. Die zuständige Landesbehörde sagt, das ist „normal“. Das gibt es überall in Kärnten (!). Wenn also eine, amtlich bestätigte, sehr schlechte Bodenqualität, weiteren Belastungen schutzlos ausgesetzt ist, warum soll ich dann so einen Boden nicht gleich versiegeln? Dann rinnt der Dreck oberflächig wenigstens schneller ab und die Nachbargemeinden haben auch etwas davon. Vielleicht schwappt es den Dreck sogar bis Belgrad, weil die Glan die Drau und Donau bewässert.
Tatsächlich ist „der Boden“, wenn es nicht um Versiegelung geht, meist nur sprichwörtlich in aller Munde und generell wird er als „Dreck“ behandelt. Wir reden ehrfürchtig von „Mutter Erde“ und mit Stolz vom Handwerk, das einen „goldenen Boden“ hat. Nach einem Bauchfleck wollen wir wieder „Boden gutmachen“ und danach trachten, „Grund und Boden nicht zu verlieren“. Über manches, dass dem „Fass den Boden ausschlägt“ regen wir uns auf und könnten gelegentlich vor Scham „im Boden versinken“. Stolz sind wir auf den „geschichtsträchtigen Boden“ und froh, wieder „festen Boden unter den Füßen“ zu haben. Doch in Wahrheit ist der Boden die Menükarte unserer Ausscheidungen. Einfach nur Scheiße. Das Paradoxe ist, vor diesem Hintergrund treffen sich die Interessen der Bodenschützer und Vernichter in unseliger Allianz: Um zusätzliche Bodenversiegelung im Sinne von Bodenschutz zu vermeiden, sollen die Konzerne bereits kontaminierten Boden, sogenannte „Brachflächen“, nützen. Es wird quasi eine „Schutzschicht“ über den kontaminierten Boden gebaut. Aus den Augen, aus dem Sinn. Und dafür gibt es sogar üppig Fördergeld (!).
Irgendwie wird es mir mit der ganzen Diskussion langsam zu blöd und ich frage mich, ob es nicht bald eine disruptive Lösung braucht. Zurück an den Start sozusagen. Oder wie beim Monopoly – ab ins Gefängnis, ohne Kautionsmöglichkeit versteht sich.